Tichys Einblick
Tesla vs Daimler

Autowelt paradox: Klein gewinnt gegen Groß

David und Goliath auf dem Automarkt: Tesla als junger, unbekümmerter und leichtfüßiger IT-Freak David steht gegen große, erfolgsverwöhnte Goliaths wie Daimler. Und der Kleine scheint die Vorherrschaft auf dem Feld der Mobilität der Zukunft zu übernehmen. 

Die Autowelt ist aus den Fugen! Doch nicht allein wegen Corona und den Folgen – das auch. Sondern wegen eines unerhörten Vorgangs: Da hat sich auf leisen Reifen ein völlig branchenfremder, neureicher Emporkömmlinge namens Elon Musk aus der neuen IT-Welt erdreistet, mit einem „Computern auf Rädern“ namens Tesla anzutreten gegen den Rest der alteingesessene Verbrennermotoren – Autowelt. 

Und feiert in den Medien Erfolg um Erfolg, wächst und wächst und schießt nebenbei auch noch recyclebare Raketen ins All und auf die ISS, während die altvorderen „petrol heads“ der globalen Autoindustrie, die mit den Öl-Fingern, Zylinderköpfen und Turbo-Ladern, hohe Verluste machen und schrumpfen. 

Stellvertretend für alle diese Car-Guys sei hier die Auto-Ikone Daimler-Benz zum Vergleich genommen, weil in diesem Unternehmen das Automobil vor zwei Jahrhunderten erfunden und mit schwäbischer Gründlichkeit an die Spitze des Automobilbaus geführt wurde. Keiner wird bestreiten, dass es keine hochwertigeren Autos mit Verbrennermotoren gibt, als Daimler sie in – und für – den Oberklasse-Weltmarkt gebaut hat. Daimler ist die deutsche Geschichte des Automobils im zwanzigsten Jahrhundert. Danach kommt BMW….

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Zugespitzt: Da steht Pionier gegen Pionier, hier das innovative Elektro-Automobil Tesla gegen das klassische Autobaumarke Daimler! Man denkt an die Geschichte im Alten Testament: hier der kleine, junge, unbekümmerte und leichtfüßige IT- Freak David, dort der große, erfolgsverwöhnte Goliath mit ruhmreicher Automobilbau-Technik. Und der Kleine ist angetreten, dem Großen die Vorherrschaft auf dem Feld der Mobilität der Zukunft streitig zu machen. 

Krasser könnte der Unterschied nicht sein:

Ein Kampf mit ungleichen Waffen, sollte man meinen. Doch weit gefehlt, die Realität der zwei Unternehmen könnte gegensätzlicher nicht sein: Autolehrling David hat gegen alle Regeln der klassischen Betriebswirtschaft die Nase vorn, wächst und schreibt nach 16 Jahren Verlust mitten in der Coronakrise in 2020 erstmals (wenn auch kleine) Gewinne – bis jetzt jedenfalls. Und erlaubt sich sogar die Frechheit, dem Verbrenner-Establishment eine Giga-Automobilfabrik direkt vor dessen Hauptstadt zu setzen, quasi in Feindesland. Worauf die Tesla-Anleger vollends in Verzückung fallen, der Aktienkurs in ungeahnte Höhen schnellt. Während Altmeister Daimler und die übrigen Verbrenner-Noblen ebenfalls hohe Verluste machen und weltweit Werke schließen müssen!

Die Geschäftszahlen des zweiten Quartals 2020 machen die krassen Unterschiede deutlich:

Götterdämmerung für die Verbrennerwelt?

Dazu zwei Fragen:

  1. Wie konnte es zu diesen krassen Unterschieden kommen? Was macht Visionär Musk/Tesla anders und besser als Daimler und der Rest der Automobilindustrie?
  2. Hat dieser Unterschied dauerhaft Bestand? Ist dieser Tesla Hyphe fundiert, behält Musk auch in Zukunft die Oberhand?

Elon Musk
Was hinter Teslas Gewinnsträhne steckt
Die Antwort darauf ist vielschichtig und komplex, und zugegebenermaßen zum Teil auch spekulativ.  Sie ist eine Mischung aus Hybris und Traditionsdenken, Zufall, und in den letzten Jahren aus den Folgen von Klimawandel und der politischen Reaktionen und Vorgaben darauf – und natürlich vielen individuellen hausgemachten Fehlern und Versäumnissen, die von neueren Entwicklungen abgelenkt haben. Auch hier hat Daimler Benz viel Stoff zu bieten.

Unternehmensspezifische Fehler und Besonderheiten reichen indessen als generelle Antwort nicht aus. Was hat die „alte“ Autoindustrie falsch gemacht? Und was Tesla besser? 

Aus der Sicht eines Makro-Ökonomen gibt es fünf Erklärungen:

  1. Tesla hat die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt und gesehen, dass Klimakrise, wachsender Welt-Automobilbestand und eine im Trend absehbar verschärfte Abgasgesetzgebung früher oder später dem traditionellen Benzin- und Dieselmotor auf Basis fossiler Treibstoffe ein Ende bereiten würden. Als Ausweg bot sich das Elektroauto auf Batteriebasis an. So wie Victor Hugo es schon vor 150 Jahren erkannte: “Nichts ist mächtiger als eine Idee, für die die Zeit reif ist.“
  1. Tesla Chef Elon Musk hat für eine bahnbrechende Innovation alles mitgebracht: spektakuläre Visionen wie Jules Verne, spezifisches elektronisches Knowhow – und Geld. Musk mutet an wie ein Elektronik-Genie  – mit Kenntnissen , die ihn bereits früh zum Milliardär gemacht. Batteriebau und -Management sind ihm geläufig.  Daneben verraten seine sonstigen Giga-Projekte ( u.a.Space-X –Raketen, Tunnelbau etc.) Züge eines modernen Jules Verne – ein technologischer Utopist, ähnlich wie Ende des 19. Jahrhunderts Carl Benz.
  1. Alle Versuche der „alten“ Automobilhersteller, Teslas technisches Knowhow auf dem elektrischen Antriebs-und Batteriesektor aufzuholen, sind bisher grosso modo gescheitert. Trotz lautem Halali-Gebläse aus den Reihen der klassischen Hersteller war deren Aufholjagd als „Verfolger“ von Tesla bisher nicht erfolgreich. Weder Daimler, BMW noch der VW-Konzern haben das technologische Knowhow von Tesla erreicht. Der Börsenkurs der Tesla Aktie spiegelt diese technologische Quasi-Monopolstellung wider.
  1. Umgekehrt hat die traditionelle Automobilindustrie die umweltpolitische Götterdämmerung für den Verbrennermotor kollektiv verschlafen, den rechtzeitigen Einstieg in die politisch opportune Elektromobilität verpasst, oder in defossile Treibstoffe nicht vorangetrieben. Die Alteingesessenen Petrol Heads wurden von der Umweltwelle und von der Politik regelrecht überrollt: Sie haben lange nicht geglaubt, dass sich die Umweltlage und vor allem die öffentliche Meinung so rigide in politischen Abgasgesetzen und Emissionsvorgaben niederschlagen würden.
  1. Hinzu kamen berechtigte Umweltzweifel, ob hohe Investitionen in die neue elektrische Antriebstechnologie, die aus globaler gesamthafter Sicht nur ein Nischendasein fristen kann, nachhaltig sein könnten und nicht zusätzliche hohe Fehlinvestitionen wären neben jenen für autonomes fahren. Denn 

Fürs erste haben Elon Musk und Tesla als Pionierunternehmen die Nase vorn. Das ist das Privileg von Pionieren! Und das ist gut so, weil die Welt immer wieder Pioniere braucht, sonst säßen wir immer noch auf dem Baum! Musk hat mit Tesla und der Elektromobilität nicht nur auf der Kirmes und im Autoscooter, sondern realiter auf der Straße das Tor zu einer neuen Mobilitätswelt aufgestoßen. Das ist sein Verdienst! Dafür gebührt ihm ein Nobelpreis, wenn es ihn denn in dieser Kategorie gäbe …

Mangels kurzfristig vorzeigbarer und realisierbarer Alternativen hat die Politik sich seit 2010 voll und einseitig auf Elektroautos als umweltverträglich festgelegt. Ähnlichkeiten mit der Energiewende, weg von fossilen Energieträgern und Atom hin zu Wind, Wasser und Sonne, sind nicht zufällig! Inzwischen wird immer deutlicher, dass Elektomobilität auf Batterie- und Strombasis nur für ein kleines Marktsegment und nicht für Massenmobilität und den Weltmarkt als Ganzes erfolgreich sein können. Und selbst dann ist ein gewinnbasiertes Geschäftsmodell nicht sicher, Tesla beweist es.

Der vor kurzem erfolgte politische Schwenk der Bundesregierung hin zur Wasserstoff Strategie und zu defossilen Treibstoffen zeigt in die richtige Richtung. Siehe Victor Hugo … 

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