Die angespannte konjunkturelle Lage, verschärft durch ungünstige Standortfaktoren und den drastischen Einbruch bei der Nachfrage nach E-Autos, setzt auch die Zulieferer der Automobilindustrie zunehmend unter Druck.
Die Schwierigkeiten, mit denen Volkswagen, Mercedes und andere führende Hersteller zu kämpfen haben, treffen die Zuliefererbetriebe mit voller Wucht. Ihr Erfolg als auch ihr Scheitern korreliert untrennbar mit der Performance der heimischen Automobilriesen – ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis, das in der aktuellen Krise besonders deutlich wird.
Viele Zulieferer haben sich zudem eigenverantwortlich in eine schwierige Lage manövriert, indem sie immense Summen in die Entwicklung und Produktion von Technologien für die E-Mobilität investierten. Angesichts strenger EU-Klimaziele und einschnürender Flottengrenzwerte hatten sie jedoch kaum eine andere Wahl.
Schwierigkeiten der Automobilindustrie treffen ZF Friedrichshafen
Der schwäbische Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen steht exemplarisch für die Turbulenzen in der Branche. Die wirtschaftliche Krise trifft den Konzern hart. Bereits im Sommer hatte das Unternehmen angekündigt, Stellen abbauen zu müssen, um den wirtschaftlichen Herausforderungen zu begegnen.
Der Konzern, der neben den Problemen rund um die E-Mobilität und den widrigen Standortfaktoren in Deutschland vor allem durch milliardenschwere Übernahmen in eine hohe Verschuldung geraten ist, verpflichtete sich im Frühjahr zu einem rigorosen Sparprogramm.
Bis Ende 2025 sollen bei ZF weltweit sechs Milliarden Euro eingespart werden, wie bereits im Februar bekannt gegeben wurde. Im Juli konkretisierte CEO Holger Klein die Pläne und kündigte an, dass allein in Deutschland bis Ende 2028 zwischen 11.000 und 14.000 Stellen gestrichen werden sollen. Derzeit beschäftigt ZF rund 54.000 Mitarbeiter in Deutschland.
In Saarbrücken werden die Einschnitte besonders gravierend zu Tage treten. Die Führungsebene kündigte jüngst den Abbau von 1.800 Arbeitsplätzen an, wobei diese Zahl in Zukunft noch weiter ansteigen könnte. Auch in Brandenburg an der Havel drohen massive Verluste. Die Hälfte der 1.600 Stellen sollen gestrichen werden.
Doch damit nicht genug: Die nächste Phase des Restrukturierungsplans nimmt Fahrt auf. Der Fokus liegt auf einer umfassenden Überprüfung aller deutschen Standorte. Alexander Heilig, Leiter der ZF-Division „Passive Sicherheitstechnik“, plant, sämtliche Werke in Deutschland persönlich zu besuchen. In Gesprächen mit den Geschäftsleitungen will er die wirtschaftliche Situation vor Ort analysieren. Erfüllen einzelne der 40 Standorte die vorgegebenen Profitabilitätsziele nicht, sollen drastische Maßnahmen folgen – von Effizienzsteigerungen bis hin zu möglichen Werksschließungen.
Einige Schließungen scheinen bereits beschlossene Sache zu sein. Wie die Wirtschaftswoche berichtet, stehen die Werke in Gelsenkirchen, Damme und Eitorf kurz vor dem Aus.
Besonders gefährdet könnten zudem kleinere Produktionsstätten mit weniger als 300 Mitarbeitern sein, die aufgrund ihrer geringeren Effizienz unter enormem Druck stehen. Zu den betroffenen Werken zählen unter anderem Kressbronn und Langenhagen.
Quartalsergebnisse enttäuschen – Automobilsparte weiter schwach bei Continental
Continental ist ein weiteres prominentes Beispiel für die tiefgreifenden Herausforderungen, in denen sich die Branche befindet. Während das Reifengeschäft des DAX-Konzerns weiterhin solide wächst, kämpft die Automobilsparte mit erheblichen Herausforderungen.
Die Unterschiede zwischen den Geschäftsbereichen zeigen sich eindrucksvoll in den aktuellen Quartalszahlen: Während die Reifensparte im dritten Quartal einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro erzielte und damit ein moderates Plus von 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnete, kämpfte der Automotive-Bereich mit einem Umsatzrückgang von 4,7 Prozent.
Auch in der angepassten Jahresprognose lässt sich das Ausmaß der Krise feststellen. Continental rechnet aktuell mit einem Konzernumsatz zwischen 39,5 und 42,0 Milliarden Euro – eine Abwärtskorrektur im Vergleich zur ursprünglichen Schätzung von 40,0 bis 42,5 Milliarden Euro.
Ähnlich wie ZF, treibt auch Continental ein rigoroses Sparprogramm voran. Der Konzern plant den Abbau von rund 7.150 Arbeitsplätzen, insbesondere in Verwaltung und Entwicklung, um jährliche Einsparungen von etwa 400 Millionen Euro zu erzielen. „Wir drehen jeden Euro um“, betonte der Finanzvorstand Olaf Schick zuletzt.
Außerdem steht eine grundlegende Neuausrichtung des Konzerns in Planung. Eine mögliche Lösung sieht bereits seit geraumer Zeit die Abspaltung der Automobilsparte vor, die bis Ende nächsten Jahres als eigenständiges Unternehmen an die Börse gehen könnte. Dieser Schritt würde die Reifensparte und ContiTech, den Bereich für Spezialkautschukprodukte, weiter stärken und deren Wachstumspotenziale besser ausschöpfen.
Auch der Aktienkurs des Unternehmens verdeutlicht die aktuelle Krise und zeigt, dass Veränderungen eintreten müssen: Seit 2021 befindet sich der Vermögenswert in einem anhaltenden Abwärtstrend, pendelt aber in den letzten Monaten stabil zwischen 55 und 60 Euro – Zeichen einer Konsolidierung. Sollte die geplante Abspaltung der Automobilsparte gelingen und die Wachstumsperspektiven in der Reifensparte sowie bei ContiTech weiter vorangetrieben werden, könnte dies den Beginn einer nachhaltigen Erholung für die Conti-Aktionäre markieren.
Mangelnde Ressourcen und Bürokratieüberhang belastet kleine Zulieferer
Die Automobilkrise trifft jedoch nicht nur die großen Zulieferer, sondern vor allem auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Für sie sind die gewaltigen Herausforderungen oft noch schwerer zu bewältigen.
Während Konzerne wie ZF oder Continental über eine breitere, teils auch internationale Kundenbasis und eine Vielzahl an Ressourcen verfügen, sind kleine Zulieferer oft noch stärker von wenigen großen Automobilherstellern abhängig. Diese Abhängigkeit setzt sie einem Risiko aus, besonders in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit.
Der wachsende Wettbewerbsdruck aus Asien und Osteuropa verschärft die Lage zusätzlich weiter. Diese Regionen bieten kostengünstigere Produktionsmöglichkeiten, was den Konkurrenzkampf intensiviert.
Hinzu kommen zahlreiche Vorgaben und Regulierungen, denen sich die Zulieferer gezwungen sehen, nachzukommen. – Die überwältigende Bürokratie am Standort Deutschland belastet die Unternehmen enorm. Vorschriften wie das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) stellen für kleinere Zulieferer eine besondere Hürde dar. Obwohl das Gesetz offiziell nur größere Unternehmen betrifft, übertragen viele Konzerne die strengen Anforderungen an ihre kleineren Partner. Diese müssen dann ebenfalls umfangreiche Nachweise und Dokumentationen erbringen, die ihre Kapazitäten oft übersteigen. Häufig bleibt den kleinen Unternehmen keine andere Wahl, als zusätzliches Personal einzustellen oder externe Dienstleister zu engagieren, um die komplexen Anforderungen zu erfüllen.
Auch die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Unternehmen dazu verpflichtet, detaillierte Informationen über ihre Nachhaltigkeitspraktiken offenzulegen, stellt für kleine Unternehmen eine erhebliche Schwierigkeit dar. Sie umfasst bis zu 2.000 Fragen und ist dadurch besonders schwer umzusetzen.
Neben der überbordenden Bürokratie und den hohen Energiekosten sind vor allem die hohe Steuerbelastung ein Problem für kleinere Zulieferer. Eine Umfrage des Deutschen Mittelstand-Bunds zeigt das Ausmaß dieser Belastungen deutlich: 51 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) betrachten die steuerliche Belastung als ihre größte Herausforderung. Die Bürokratieflut (44 Prozent) folgt dicht dahinter.
Die Auswertung zeigt außerdem, dass nach zwei Jahren Ampel-Koalition die Unzufriedenheit im Mittelstand alarmierend angestiegen ist. 82 Prozent der Befragten bewerten die Regierungsarbeit kritisch, über die Hälfte (51,8 Prozent) davon sogar sind „sehr unzufrieden“.
Johann Vitz GmbH & die Allgaier-Gruppe – Traditionsunternehmen in der Insolvenz
Ein mittelständisches Unternehmen, das der Krise zum Opfer gefallen ist, ist die Johann Vitz GmbH. Seit ihrer Gründung im Jahr 1908 hatte sich das Unternehmen als Spezialist für Federn sowie für Stanz-, Biege- und Flachmaterialteile etabliert. Besonders in der Automobilindustrie, die einen Großteil des Geschäfts ausmachte, fanden die Produkte des Unternehmens Anwendung.
Doch in den letzten Jahren führte der dramatische Rückgang der Nachfrage, insbesondere vonseiten der Automobilkunden, zu einer immer größer werdenden wirtschaftlichen Belastung – und letztlich zur Pleite. Am 18. November bestätigte das Amtsgericht Wuppertal die Insolvenz der Johann Vitz GmbH.
Ähnlich prekär präsentiert sich die Lage bei der Allgaier-Gruppe. Das international tätige Unternehmen, das sich auf Verfahrenstechnik spezialisiert hat, bleibt von den Herausforderungen der Automobilindustrie ebenfalls nicht unberührt.
Während der Corona-Krise stand das Unternehmen bereits vor immensen Herausforderungen. In der Folge wurde die Mehrheit der Allgaier-Gruppe von der chinesischen Westron Group übernommen, mit der Hoffnung, frisches Kapital zu gewinnen. Doch die angestrebten Verbesserungen blieben aus. Im Jahr 2023 traten erneut schwerwiegende Probleme auf, die schließlich zur Insolvenz führten. Ein potenzieller Investor, der namentlich nicht bekannt ist und zuletzt in das Unternehmen investieren wollte, sprang jedoch kurz darauf wieder ab. 700 Mitarbeiter müssen aktuell weiter um ihren Arbeitsplatz bangen. Ob sich ein neuer Investor für Allgaier findet, steht in den Sternen.
Gesamte Branche ächzt unter den Herausforderungen des Standorts
Die herausfordernden Situationen bei großen Branchengiganten wie ZF oder Continental, aber auch die Insolvenzen von Johann Vitz und Allgaier sind nur einige alarmierende Beispiele für die bedrückenden Entwicklungen innerhalb der Branche. Die Liste der betroffenen Zulieferunternehmen ist lang: Von Schaeffler und WKW über Recaro, Flabeg und Eissmann bis hin zu Reichardt.
Aber auch auf die gesamte Wirtschaft Deutschlands bezogen, haben die Unternehmenskrisen, vor allem die Insolvenzen stark angezogen: Laut dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erreicht die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland mittlerweile ein Rekordhoch. Im dritten Quartal 2023 war die Zahl der Insolvenzen so hoch wie seit 2010 nicht mehr, wobei ein erheblicher Anteil dieser Insolvenzen auf Unternehmen entfällt, die direkt oder indirekt mit der Automobilindustrie verbunden sind.
Update 14:40 Uhr: Der Autozulieferer Bosch will seine Sparanstrengungen verschärfen. Zu den bereits im Frühjahr angekündigten 7000 Stellen sollen nun weitere 5500 gestrichen werden, davon 3.800 in Deutschland.