„Die Lage der Automobilbranche ist nicht rosig. Es bringt nichts, das zu beschönigen.“
Die Warnung von EU-Kommissar Thierry Breton lässt an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig. Das könnte eine gute Nachricht sein. Ist es aber nicht. Denn wie nur allzu oft im EU-Kosmos, so folgt auch hier einer im Prinzip angemessenen Zustandsbeschreibung eine krachend falsche Schlussfolgerung.
Aber der Reihe nach:
Thierry Breton ist EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen. Vor allem und zuerst ist er aber Franzose, und das ist durchaus wichtig. Denn Frankreichs Politik ist chronisch staatsgläubig, die Elite in Paris misstraut dem Markt fundamental (nicht zuletzt auch, weil wirklich freie Märkte die Bedeutung der Elite extrem schmälern).
Wie alle Franzosen in Brüssel (und wie kein einziger Deutscher), so vertritt auch Breton bei der EU die Interessen seines Landes. Paris setzt seit jeher auf eine Industriepolitik, die man als „gemäßigte Planwirtschaft“ bezeichnen kann. Mit dem Ansatz konnte sich Frankreich leicht zur dominanten Kraft in der EU aufschwingen, denn er entspricht sowohl den politischen Interessen der allermeisten Mitgliedsstaaten als auch den Machtinteressen der Brüsseler Bürokraten.
Längere Zeit hatten das in der Tradition von Ludwig Erhard halbwegs marktwirtschaftlich orientierte Deutschland und das historisch kapitalistische Großbritannien dank ihres ökonomischen Gewichts hier noch ein valides Gegengewicht bilden können. Doch mit dem Amtsantritt von Angela Merkel in Berlin und spätestens mit dem Brexit war das vorbei.
Seitdem ist Brüssel das imperiale Hauptquartier einer zentralistischen Planwirtschaft.
Die will das ökonomische Leben von etwa 500 Millionen Menschen nicht von unten nach oben organisieren (das wäre Markt), sondern von oben nach unten. Das funktioniert so, dass die Eurokraten höhere Einsichten empfangen – irgendwie und von irgendwo her, vielleicht ja telepathisch vom grün brennenden Ideologie-Busch. Diesen Offenbarungen folgend werden dann den Unternehmen Vorschriften und Vorgaben gemacht, was sie wie zu produzieren haben. Und alles wird gut.
Aber leider nicht immer. Um ehrlich zu sein: sogar eher selten.
Denn blöderweise finden diejenigen, die für die Einfälle der Brüsseler Politiker und Beamten bezahlen sollen – die Bürger nämlich – diese Einfälle ernüchternd oft nur eher suboptimal. Dann kaufen die Verbraucher einfach nicht das, wovon Brüssel will, dass es angeboten wird. Und die Unternehmen, die gezwungen wurden, das unverkäufliche Zeug zu produzieren, geraten in akute Schwierigkeiten.
Genau so geht es gerade der europäischen Automobilindustrie. Die wurde politisch geradezu genötigt, auf E-Autos zu setzen. Doch der europäische Konsument will einfach keine E-Autos. Wie Blei stehen die nun bei den Autoherstellern und ihren Händlern auf den Höfen. Und der Branche geht das Geld aus. Volkswagen will erstmals seit Jahrzehnten Fabriken dichtmachen und Mitarbeiter entlassen.
„Die Ankündigungen von Werksschließungen besorgen mich sehr“, sagt Breton mit in Falten gelegter Stirn. Was er nicht sagt: Die massiven Probleme der Branche haben er selbst und die EU-Kommission mit ihrer von Klima-Hysterie geprägten, Ideologie-orientierten und marktfernen Planwirtschafts-Politik überhaupt erst erzeugt.
Einmal auf dem falschen Gleis, bleibt Breton auch dabei. Allen Ernstes – und ganz im Stile der Brüsseler Unbelehrbaren – erklärt er Europas Auto-Krise damit, dass es „den europäischen Herstellern nicht gelingt, ihre Kunden von der Elektromobilität zu überzeugen“. Da klingt der EU-Kommissar ganz genau wie SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der ja auch meint, seine Partei werde nur deshalb nicht gewählt, weil es ihr nicht gelinge, ihre im Prinzip tolle Politik den Wählern richtig zu erklären.
Wenig verwunderlich, springt Deutschlands SPD-Chef Lars Klingbeil den EU-Planwirtschaftsfetischisten bei. „Ursula von der Leyen muss schnell eine ambitionierte Industriestrategie vorlegen, die die europäische Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich stärkt. Europa muss mithalten können bei den internationalen Entwicklungen und dafür muss Frau von der Leyen jetzt vorangehen“, sagt Klingbeil.
Kein Wort davon, es den Verbrauchern zu überlassen, was sie kaufen wollen. Kein Wort davon, es den Unternehmen zu überlassen, was sie verkaufen wollen, um genug Geld zu verdienen, damit sie ihre Mitarbeiter bezahlen können. Kein Wort vom freien, mündigen Bürger.
Mit anderen Worten: Man will weiter in die falsche Richtung fahren, nur eben schneller.