Tichys Einblick
Markus Söder will "Autowende"

Und noch ein Automobilgipfel …

Die Politik scheint endlich begriffen zu haben, welche Bedeutung die deutsche Autoindustrie als Wachstums- und Wohlstandsgenerator hat. Nun schiebt sie sich quasi als Retter auf diversen Gipfeln plakativ in den Vordergrund, um die Schäden, die sie selbst angerichtet hat, publikumswirksam „zu bekämpfen“.

Automobilgipfel in München, 02.12.2024

picture alliance/dpa | Sven Hoppe

„Über allen Gipfeln ist Ruh’…“ – von wegen! Anders als im von Goethe in der Jagdhaus-Idylle auf dem Gickelhahn verfassten Gedicht (1780) jagt die Politik unter dem Eindruck der um sich greifenden Krise in der Automobilindustrie seit Herbst 2024 von einem Gipfel zum nächsten: zu Automobil-Gipfeln. Jetzt auch die Bayerische Staatsregierung unter Markus Söder.

Anlass für Autogipfel gibt es genug, auch in Bayern. Seitdem VW im September den Anfang gemacht hat, vergeht kaum ein Tag ohne neue Schreckensmeldungen in und um die Autoindustrie herum. Ob VW, Ford, Bosch, Continental, Schaeffler, ZF aus der „automobilen Bundesliga“, oder ob aus der zweiten Liga die Zulieferer wie Brose, Hella, Hirschvogel, Mahle, oder indirekt Betroffene wie Thyssenkrupp oder BASF, überall das Gleiche: Umsatz- und Gewinneinbrüche, teils massiver Stellenabbau, Werksschließungen oder Verlagerung der Produktion nach Osten oder in die USA, zunehmende Insolvenzen.

Doch die Branchenkrise hat auch positive Seiten. Die Politik scheint endlich begriffen zu haben, was sie an „ihrer“ Automobilindustrie als Wachstums- und Wohlstandsgenerator gehabt hat. Und schiebt sich jetzt quasi als Retter auf diversen Autogipfeln plakativ in den Vordergrund, um die Schäden, die sie selber zum überwiegenden Teil in der Vergangenheit mit der Diskriminierung der Verbrenner-Antriebstechnik – Domäne und Geschäftsmodell der deutschen Automobilindustrie seit vielen Generationen – und einer „grünen“, im Ergebnis immer auch für Verbraucher schädlichen Energie- und Ordnungspolitik in der Branche angerichtet hat, publikumswirksam „zu bekämpfen“.

Hinzu kommt der Wahlkampf als Impulsgeber für medienwirksame Aktionen. Vor diesem Hintergrund versucht die Politik mit einem Wirtschafts- und Autogipfel nach dem anderen, die Schuld von ihren eigenen Fehlentscheidungen in Bezug auf die Transformationsfähigkeit und vor allem -willigkeit und Bereitschaft der Gesellschaft zu selbiger auf die Bürger abzuwälzen und die betroffene Industrie mit in die Galeere zu nehmen und zum schnelleren Rudern zu animieren. Mit dem jeweiligen Polit-Akteur als Taktgeber.

Ohne Zweifel ist auch die bayerische Autoindustrie mit ihrem hohen Besatz an Autoherstellern wie Zuliefererunternehmen jeglicher Couleur in eine Krise geraten, trotz des Premium-Fels in der Brandung BMW. Betroffen sind sie alle, hier vor allem aber Audi und die zahlreichen kleinen und mittleren Zulieferer im Umkreis der Hersteller-Agglomerate München, Dingolfing, Regensburg und Ingolstadt. Hauptursache: Die grüne Politik will Elektroautos, die Bürger nicht. Und die Autobranche ist voll auf diesen Zug gesprungen und steht jetzt bedröppelt vor leeren Auftragsbüchern und Fabriken und übervollen Lägern bis hin zum letzten Händler.

Angesichts dieser Ausgangslage kann natürlich die bayerische Landesregierung und Ministerpräsident Markus Söder mit einem eigenen Gipfel nicht fehlen. Denn schließlich ist Bayern „Autoland“ (Söder), über 400.000 Beschäftigte sind in und um diese Branche in Bayern tätig.
Angesichts des hohen Stellenwertes der Autoindustrie war die Teilnehmerliste am bayerischen Autogipfel von Ministerpräsident Markus Söder in München am 2 Dezember lang. Dabei waren die Chefs von BMW und Audi, aller großen Zulieferer und des Kfz-Gewerbes ebenso wie die Präsidentin des Verbands der Deutschen Automobilindustrie, Hildegard Müller, sowie Bayerns IG Metall-Chef Horst Ott.

Söder weist mit drastischen Worten auf die schlechte Lage der Autobranche hin: „Ohne Industrie hat Deutschland keine Zukunft, ohne Industrie wackelt der Wohlstand und wackelt der Wohlstand, wackelt irgendwann auch die Demokratie.“ Bayerns Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Huber Aiwanger assistiert und berichtet von einer schwierigen Lage: „Kaum ein Tag, bei dem nicht im Wirtschaftsministerium eine SOS-Meldung eines Automobilzulieferers oder eines Betriebs eingeht, nach dem Motto: ‚Ich komm in Schwierigkeiten. Mir geht’s nass rein. Wir brauchen schnell Hilfe.'“ Er versuche dann zu retten, was zu retten sei, sagt Aiwanger, die Lage sei aber immer die gleiche: „Die Kosten laufen davon, die Absätze sind nicht so wie geplant und die Umsätze so schlecht, dass am Ende kein Geld übrig bleibt.“ (Söders Autogipfel: Mehr als Symbolpolitik? | BR24)

Für Ministerpräsident Söder soll der zweistündige „bayerische Autogipfel“ mehr sein als ein
„Symbolgipfel“. Er legt die Messlatte für die Bedeutung seines bayerischen Autogipfels
hoch. Laut Unterlagen möchte er der Krise im bayerischen Automobilbau den Kampf
ansagen. Es gehe um eine „Autostrategie“ mit Lösungen für Bayern, Deutschland und (sogar)
für Europa. Es brauche eine „Autowende“. Die von vielen Teilnehmern erhoffte Rolle
rückwärts vom Verbrenner-Aus blieb indessen aus. Das wäre die Autowende gewesen!

Das Ergebnis des Gipfels ist für Ministerpräsident Söder „sozusagen der Fundus einer
Strategie“ (Sueddeutsche Zeitung, N. 279, Söders Zehn-Punkte-Plan, 03.12.2024). Als Höhepunkt des Autogipfels präsentiert der Gastgeber als Ergebnis einen „Zehn-Punkte Maßnahmenkatalog“, der die Branche aus der Krise bringen soll. Sechs der zehn Punkte unterliegen dem Karl Valentinschen Verdikt: „Es ist zwar schon alles gesagt worden, aber noch nicht von Jedem.“ Es sind mutige Forderungen, müssten aber leider von Anderen in Berlin oder Brüssel umgesetzt werden. Bei vier Punkten will sich die Staatsregierung selber in die Pflicht nehmen.

Die wesentlichen sind: Bayern will 100 Millionen Euro in einen neuen Transformationsfonds für die Autoindustrie zur Technologieförderung sowie für einen zügigeren Ausbau der Ladeinfrastruktur investieren. Konkret will der bayerische Ministerpräsident das Netz an Ladesäulen ausbauen und dafür auch mehr und schnellere Stromanschlüsse ermöglichen. Das Ziel: bis 2030 insgesamt 100.000 Ladepunkte in Bayern. Damit die Transformation gelinge, müsse Bayern beste Voraussetzungen für Innovation bieten. Hierfür sollen Wissenschaft und Automobilbranche vernetzt werden. Söder schlägt vor, fünf bis zehn Lehrstühle aus dem Bereich Künstlicher Intelligenz für den Automobilbereich bereitzustellen.

Das Gros der Forderungen aus dem Zehn-Punkte-Katalog richtet sich allerdings an Bereiche des Bundes und der EU, ist also von Bayern nicht direkt zu adressieren. Was die Sache erheblich vereinfacht. Unter anderem fordert die Staatsregierung in Auswahl:

Auch für die Stadt München hat Söder Vorschläge parat: E-Autos sollten bis zu drei Stunden kostenlos parken. Und von Fahrverboten sollte die Stadt grundsätzlich absehen.

Von unterschiedlichen Seiten wurden auch Forderungen nach dem Aus für das Verbrenner-Aus erhoben, die überregionalen Medien fanden das aber nicht berichtenswert. Söder selber strich besonders die Rolle von alternativen Kraftstoffen und Wasserstoff heraus. Eine echte „Autowende“ sieht anders aus!

Die Opposition kritisierte den Autogipfel harsch und wirft der Staatsregierung ein „wildes Hü und Hott“ gegenüber der Automobilbranche vor: „Der eine ruft Verbrenner, der andere Wasserstoff“ (Grünen Fraktions-Chefin Katharina Schulze). Andere nennen den Autogipfel eine „große Inszenierung“. Herausgekommen sei „nichts Greifbares, außer leerer Worte“ (AfD-Wirtschaftspolitiker Gerd Mannes). (Söders Autogipfel: Mehr als Symbolpolitik? | BR24)

Diese Kritik verkennt indessen, dass jedwede deutsche Politik nur die internen, innerdeutschen Fehlentscheidungen und Versäumnisse korrigieren könnte. Diese zu erkennen, dazu hat der Gipfel sehr wohl beigetragen, wenngleich er den harten Kern der Branchenmalaise, dass die Kunden in der Mehrheit keine Elektroautos wollen, völlig negiert hat. Dies öffentlich zu thematisieren hätte das Eingeständnis für die Politik bedeutet, gegen die Marktkräfte machtlos zu sein. Auch die politische Korrektur des Verbrenner-Aus blieb aus – nur nicht anecken im Wahlkampf.

Die in Aussicht gestellten Ausgaben für Wissenschaft und E-Ladenetz sind sicherlich nicht falsch angelegt. Sie erhöhen zumindest die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung. Auch auf Protektionismus und Abschottung im Welthandel – Gift für die bayerische Auto-Exportwirtschaft – haben weder ein bayerischer Autogipfel noch die bayerische Staatsregierung Einfluss. Auch dies kam öffentlich nicht zur Sprache, geschweige denn wurden Auswege aus der Exportfalle gesucht.

Vielleicht beim nächsten Mal. Am Ende des Autogipfels versprach Söder den Teilnehmern, in Zukunft weitere ähnliche Gesprächsrunden abzuhalten. Termine ließ er wohlweislich offen.

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