Im Gefolge der Klima-Revolte von Emmanuel Macron tauchen gerade sehr viel breitere Frontverläufe und Bündnisse auf, die bisher sorgsam hinter den Kulissen des „europäischen Grünen Deals“ verborgen geblieben waren. Eine größere Gruppe von EU-Ländern rebelliert gegen die näher rückende Einführung der neuen Euro-7-Normen für Personenwagen, Busse und LKWs, die laut Kommission „zur Verringerung der Schadstoffemissionen von Fahrzeugen und zur Verbesserung der Luftqualität“ führen sollen.
Acht Länder – darunter neben Frankreich und Italien auch Polen, Rumänien, die Tschechische Republik, Ungarn, Bulgarien und die Slowakei – haben ein Diskussionspapier unterzeichnet, in dem sie „jegliche neuen Abgasvorgaben (eingeschlossen neue Testverfahren und Grenzwerte) für Autos und Vans“ ablehnen. Durch die Verschärfung der Vorgaben würden Investitionen gebunden, die man nötiger an anderer Stelle brauche – etwa zur Erreichung der kürzlich erst beschlossenen CO2-Ziele.
Das klingt alles ein bisschen nach der Katze, die sich in den Schwanz beißt. Schon paradox: Die Gegner schärferer Abgasstandards argumentieren damit, dass man die gewünschte CO2-Reduktion nur ohne die neuen Vorgaben erreichen kann. Klimapolitisch sind auch sie also immer noch auf Green-Deal-Linie, nur zusätzliche Auflagen zum Umwelt- und Gesundheitsschutz sollen eben nicht dazukommen. Wird hier also der Umweltschutz, auch der Schutz der Gesundheit der Bürger einem obskuren „Klimaschutz“ samt den Träumen von „Null CO2“ und „Alles aus Strom“ geopfert?
Wo der Green Deal in die Phantasterei übergeht
Auch der belgische Premierminister Alexander De Croo hatte von der zentral bedeutsamen „energetischen Transition“ oder EU-Energiewende gesprochen, die durch neue Vorschriften zu Chemikalien (REACH) und ein Gesetzesprojekt für den Schutz von Naturräumen gefährdet sei. Natürlich ist es richtig, dass die meisten EU-Staaten sehr weitreichende Umweltvorgaben besitzen, die teilweise bereits übertrieben sein dürften und ein Wirtschaften in manchen Industriebereichen deutlich erschweren. Man denke nur an die Landwirtschaft.
Und genau deshalb sind es vor allem die Pläne der EU-Kommission, die Kritik verdienen. Zum Teil wirken sie wie Phantasterei. So soll durch die Schadstoffvorlage vom vergangenen November angeblich das „Null-Schadstoff-Ziel des europäischen Grünen Deals“ erreichbar werden. Auf Englisch spricht man etwas ehrlicher von einer „zero-pollution ambition“, also einer Ambition, einem ehrgeizigen Projekt, das nicht einfach so – vielleicht gar nicht – erreicht werden kann. Gar keine Schadstoffe, das geht in der Tat kaum in einer Welt mit industriellen Produkten, auch nicht durch die neuen Euro-7-Normen. Laut Modellrechnungen würden auch diese Standards, wenn sie denn eingeführt werden, nur zu einer minimalen Vermeidung von Stickstoffoxiden führen: etwa vier Prozent bei PKWs, zwei Prozent bei Kleinbussen und LKWs. Und ganz inexistent soll die Schadstoffreduktion bei Bussen sein.
Auch E-Autos belasten Luft und Straßennetz
Übrigens geht es der Kommission mit ihrem Vorschlag ebenso um den Ausstoß aus Auspuffen wie um den Abrieb von Mikroplastik an Bremsen und Reifen. So sollen am Ende auch strengere Luftqualitätsnormen erfüllt werden, die die Kommission praktischerweise kurz zuvor im Oktober 2022 beschloss.
Langsam bekommt man ein Gefühl dafür, was Macron mit seiner Rede gegen die Regulierungswut gemeint hat. Es geht darum, dass sich die natur-, umwelt- und klimaschutzpolitischen Maßnahmen an erheblich vielen Stellen gegenseitig widersprechen und zudem nicht ohne deutliche Einbußen finanzieller Art, aber wohl auch, was die Lebensqualität betrifft, zu verwirklichen sind. Irgendwo muss man der Regelwut eine Grenze setzen.
Den Brüsseler Mechanismus interessieren alle diese ‚Details‘ kaum. Für ihn ist vor allem eine Tatsache heikel: Im Rat gibt es ohne die acht protestierenden Länder keine Mehrheit. Der Kommissionsplan kann folglich nur mit ihrer Zustimmung durchgewinkt werden. Der tschechische Transportminister Martin Krupka erwartet laut der Branchenwebsite electrive.com, dass sich weitere Länder der Achtergruppe anschließen werden. Deutschland soll aber nicht darunter sein. Das dürfte – trotz eingebauter Opposition in der Regierung – kaum jemanden verwundern.