Waren es bisher vor allem VW und die angekündigten Pläne über Entlassungen und Werkstillegungen, begleitet von ungewohnten Gewinnwarnungen bei den Nobel-Herstellern BMW und Mercedes, die in der Öffentlichkeit das Heraufziehen einer Branchenkrise signalisierten, so haben die Absatzzahlen für das dritte Quartal 2024 diesen Eindruck verfestigt.
Jetzt hat es die Klassen-Ersten vollends erwischt, allen voran Mercedes, aber auch BMW, wobei die Münchner dabei ihre global führende Duopol-Stellung im Luxussegment gegenüber dem Rivalen aus Stuttgart weiter ausbauen konnten. Getreu der Volksweisheit: „Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall!“.
China wird zum Zünglein an der Wettbewerbs-Waage! An China hängt´s, nach China drängt´s, denn der chinesische Markt nahm bislang für alle deutschen Autohersteller immer noch über ein Drittel ihres Gesamtabsatzes ab, beim VW-Konzern war es mal fast die Hälfte.
Bei BMW brechen die Absätze im dritten Quartal zweistellig ein, Mercedes erlebt bei E-Autos ein Fiasko, Porsche verbucht nicht gekannten Absatzschwund im Luxussegment: Bei BMW schrumpften die Auslieferungen in China von Juli bis September gegenüber dem Vorjahreszeitraum fast um 30 Prozent auf knapp 148.000 Fahrzeuge, allerdings nur dort. Damit verkauft BMW plötzlich nur noch ein Viertel seiner Autos dort, vorher waren es über ein Drittel. Bei Mercedes fiel der China-Absatz um 13 Prozent auf rund 171.000 Fahrzeuge, alle übrigen Absatzregionen der Welt schnitten besser ab. Porsche hat im ersten Halbjahr 2024 unter anderem wegen eines schwächelnden China-Geschäfts insgesamt 6,8 Prozent weniger Sport- und Geländewagen verkauft (156.000). Der China-Absatz brach dabei um ein Drittel ein. Grund genug für Porsche, den bisherigen China-Geschäftsführer durch seinen Deutschland-Vertriebsexperten auszutauschen. Bei der Marke Volkswagen ein übliches, bislang leider erfolgloses Vorgehen.
Zum Trost: Der verbrennerlastige, staatseigene Autobauer SAIC, Chinas größter Autokonzern und Kooperationspartner von VW, verkaufte im vergangenen Monat ebenfalls rund ein Drittel weniger Autos als vor Jahresfrist.
Als Erklärung für die rückläufige Absatzentwicklung werden von Mercedes ein schwieriges Marktumfeld mit rückläufiger Nachfrage nach Luxusgütern und anhaltende Rabattschlachten mit hohen Preisnachlässen vor allem bei Elektroautos angegeben,( https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/mercedes-erlebt-e-auto-fiasko-bmw-verkäufe-brechen-zweistellig-ein).
Richtig ist, dass sich der Automarkt in China zwar seit etlichen Monaten konjunkturell abschwächt, zuletzt allerdings wieder bei New Electric Vehicles (NEV), und da vor allem bei Plug-In-Hybride (PHEV) boomt, dank staatlicher Kaufanreize.
Dafür sind der chinesischen Politik viele Mittel recht. Staatliche Kaufprämien, die 2022 abgeschafft wurden, wurden im April 2024 wieder eingeführt und zwischenzeitlich sogar verdoppelt (auf umgerechnet 2.250 Euro). Daneben bestehen andere offene oder verkappte Subventionen, wie eine weitgehende Befreiung der meisten Elektromodelle von der Mehrwertsteuer. Den wichtigsten Anreiz zum Wechsel auf NEV setzt die restriktive Zulassung von Neuwagen in Großstädten wie Peking, die mit Stau und Luftverschmutzung kämpfen. Für Autos aller Antriebsarten gelten überdies dort Obergrenzen, die für E-Autos wurden in diesem Jahr mancherorts angehoben.
Dieser NEV-Boom geht an den deutschen Herstellern weitgehend vorbei, weil bei ihnen nur bedingt geeignete Elektroautos für den chinesischen Massenmarkt bzw. chinesischen Gusto im Programm zu finden sind. Während die chinesische Konkurrenz mit niedrigeren Preisen und kleineren, erschwinglicheren Elektro-Modellen aufwarten kann:
Der weltweit führende chinesische E-Auto-Hersteller BYD etwa steigerte im September den Absatz von NEV um gut 45 Prozent auf fast 418.000 Wagen – das ist grob die Hälfte des Jahresabsatzes von BMW oder Mercedes in China. Auch Tesla konnte im September dank stattlicher Rabatte und staatlicher Kaufprämie seinen China-Absatz plötzlich mit 72.000 Autos um 66 Prozent steigern.
Absehbar ist, dass sich die deutschen Premiumhersteller dieser Rabattschlacht kaum entziehen können, vor allem bei den Verbrennern nicht. Bisher war es nur der chinesische Massenmarkt – und der chinesische Automarkt besteht zu 90 Prozent aus diesen unteren Autosegmenten – in denen sich die jungen chinesischen Autoproduzenten fast ausschließlich mit billigen, kleinen Elektroautos tummelten.
Vor allem VW büßte nun heftig Marktanteile ein, zum einen weil die chinesischen Kunden staatlich ge- und befördert zunehmend heimische Elektroautos anstelle von Verbrennern kauften, zum anderen weil Ex-Marktführer VW bei NEV wenig bis nichts anzubieten hatte; eine Kooperation mit dem Start-up Xpeng soll das ab 2026 ändern. Hochpreisige Premium-E-Autos hatten chinesische Hersteller bislang nicht im Angebot, die deutschen Hersteller verloren zwar rechnerische Marktanteile aber kein Volumen. Aber auch hier drängt die chinesische Konkurrenz auf den Markt, z.B. durch den Handyhersteller Xiaomi mit dem XiaomiSU7.
All das zeigt Wirkung. Im dritten Quartal 2024 hat es erstmals auch BMW und Mercedes im Premiumsegment getroffen, vor allem bei ihren hochpreisigen Verbrennermodellen. Die Frage ist: Hat die strategische Konzentration der Mercedes-Geschäftsführung nur noch auf das Luxus-Segment, hat die „economics of desire“, wie Ola Källenius es vor zwei Jahren auf dem Investorentag 2022 im vornehmen Ambiente an der Côte d’Azur rendite-euphorisch für die Zukunft verhieß, Schiffbruch erlitten? Vieles deutet darauf hin. Zumindest die chinesischen „desires“ haben inzwischen stärker nationale Automobile im Blickfeld.
Die Frage ist nur: Ist das jetzt für alle deutschen Premiumhersteller der Anfang vom Ende des China Traums? Den Medien lieferte der Absatzeinbruch in China in Kombination mit den Absatzproblemen bei Elektroautos in Deutschland jedenfalls satte Schlagzeilen.
Für Mercedes-Benz war das dritte Quartal mit den EQ-Modellen ein Fiasko – der Absatz brach um 31 Prozent auf 42.500 Fahrzeuge ein. Bis einschließlich September 2024 wurden knapp 136.000 BEV weltweit ausgeliefert, gut ein Fünftel weniger als im Vorjahreszeitraum. Besser läuft es bei Plug-in-Hybriden – Mercedes schaffte im Quartal zehn Prozent Wachstum, vor allem dank starker Nachfrage in den USA.
Bei Premium-Wettbewerber BMW fiel der Absatz im dritten Quartal dagegen „nur“ um 13 Prozent auf rund 541.000 Autos. Laut Hersteller hauptsächlich begründet in Problemen mit Bremsen vom Zulieferer Continental, die zu einer Auslieferungssperre an Kunden von 320.000 Auto führten. Der BMW-Verkauf ging in allen Regionen zurück, vor allem in China fiel der Rückgang mit minus 30 Prozent (148.000) besonders krass aus. Während es im restlichen Asien und in Amerika ebenfalls abwärts ging, legten die Münchner mit den Marken BMW, Mini und Rolls-Royce in Europa um 1,4 Prozent zu.
In Summe der ersten neun Monaten 2024 gingen die BMW-Verkäufe um 4,5 Prozent auf gut 1,75 Millionen Autos zurück. Das Unternehmen hat seine Jahresprognose im September gekappt und erwartet jetzt einen leichten Absatz- und einen deutlichen Gewinnrückgang.
Abgesehen von China war bei BMW im Gegensatz zu Mercedes die Elektro-Welt im dritten Quartal weitgehend in Ordnung. Die Münchner konnten mit Modellen wie dem iX1 oder dem E-Mini den Absatz im dritten Quartal um zehn Prozent und um neunzehn Prozent im bisherigen Jahresverlauf auf 294.000 E-Autos vergrößern.
In Deutschland schrumpfte der BEV-Markt bis September 2024 insgesamt um 29 Prozent. Gegen die allgemeine Markttendenz steigerte BMW seinen BEV-Absatz in dieser Zeit um 24 Prozent, während Mercedes einen Rückgang von 18 Prozent hinnehmen musste (VW – 33 Prozent; Tesla – 45 Prozent). In Summe nahm der Marktanteil deutscher Autobauer bei E-Autos von 40 Prozent auf 57 Prozent zu , während jener von China-BEVs trotz aller Markteroberungs-Bemühungen von 10 Prozent auf 8 Prozent schrumpfte.
Insgesamt bieten sich zwei Schlussfolgerungen an: Markterfolge wie bei BEV in Deutschland oder bei Verbrennern in Europa und den USA können Absatz-Verluste – sei es bei BEV oder Verbrennern – in China nicht kompensieren. Hielten die aktuellen Markttendenzen in China an, blieben den deutschen Herstellern schmerzhafte strukturelle Anpassungen in Absatz- und Ergebnisniveau und –struktur nicht erspart. Mit weitreichenden Konsequenzen für die gesamte Branche.
Gegenzölle der chinesischen Staatsregierung auf Autoimporte aus Deutschland oder Europa wegen EU-Importzöllen auf chinesische Autos sind faktisch überflüssig. Gestützt auf offene und versteckte Zulassungshemmnisse ist die heimische chinesische Autoindustrie ohnehin dabei, den nationalen Markt langsam aber sicher von unten nach oben zu übernehmen. Schutzzölle und in deren Gefolge Handelskriege machen da wenig Sinn.