Ein Gespenst geht um in Europa, und das Gespenst heißt Abrissbirne. Konkret: Abrissbirne in der Autoindustrie. Geschwungen wird sie bereits im britischen Honda-Werk in Swindon, das im Frühjahr 2021 stillgelegt wurde, und seither auf einen neuen Betreiber wartete. Aber niemand kam. Von europäischen Herstellern war das nach dem Brexit und der seit langem erkennbaren strukturellen Wachstumsermüdung am Automobilmarkt in Europa ohnehin nicht zu erwarten. Die US-Hersteller ziehen sich langsam aber sicher aus Europa zurück, die Koreaner haben sich in der Slowakei und Slowenien festgesetzt, und die Japaner legen still. Bleiben nur die Chinesen als potenzielle Investoren übrig.
Chinesen waren bislang nur auf den 25-Millionen-Heimatmarkt fixiert, erst seit 2020 beginnen sie auf Geheiß der Regierung auszuschwärmen. Das aber heftig, allerdings zunächst nur über den Auto-Export: Mit gut 4 Millionen Pkw wurden 2023 rund 10,6 vH der China-Automobil-Produktion exportiert, der bisherige Exportweltmeister Japan wurde damit von der Welt-Spitze verdrängt, Deutschland auf Platz drei verwiesen. Die jahrzehntelange Dominanz europäischer, amerikanischer, südkoreanischer und japanischer Autokonzerne ging damit zu Ende.
Potentielle Investoren aus China – letzte Hoffnungsträger für stillgelegte europäische Automobilfabriken – machten immer einen großen Bogen um das Vereinigte Königreich und um Swindon. Daran dürfte sich auch nichts ändern.
Kein Markt für gebrauchte Autofabriken mehr
Swindon ist kein Einzelfall. Folgt man dem „Flurfunk“ der renommierten Fachzeitschrift Automobilwoche (Nr. 7 vom 18. März 2024), so versuchen zurzeit Politiker und Betriebsräte in Europa geradezu verzweifelt, überflüssige Automobilwerke an chinesische Hersteller zu verscherbeln. „Unser leitender Excutive in Spanien konnte es nicht fassen, was ihm dort von Politik und Medien vorgeschlagen wurde“, berichtete demnach der Vertreter eines chinesischen Herstellers, dem das einstige Nissan-Werk in Barcelona angeboten wurde. – Noch ein Kandidat für die Abrissbirne. Ebenso dem Vernehmen nach das alte Fiat-Werk Mirafiori in Turin, heute zum Stellantis-Konzern gehörend.
Bei Ford in Saarlouis (Ende 2026) dürfte es nicht anders gewesen sein, als BYD angefragt wurde. Doch vergeblich: BYD ließ das „Brown-Field“ in Saarlouis links liegen und entschied sich für eine vermutlich erheblich höher subventionierte „Green-Field“-Investition in Szeged (Ungarn) – sicherlich auch sehr zur Freude von Viktor Orbán. Unter fertigungsprozess-technischen Aspekten aber rational verständlich angesichts eines Automatisierungsgrads von über 90 Prozent, mit denen Chinesen heute ihre Automobilwerke betreiben (Automobilwoche).
„Opas Fabrikstrukturen für die Produktion von Verbrennern passen nicht mehr zur E-Mobilität“, sagen Experten. Sichtbar gerade auch in Deutschland bei BMW, wo im Stammwerk München mit hohem Aufwand die Abrissbirne schon seit längerem schwingt und bei weiteren ehrwürdigen Fertigungsgebäuden tätig sein wird, um das Traditions-Werk – früher auf freiem Oberwiesenfeld, heute von der Stadt umzingelt – auf die Produktion ausschließlich von E-Autos jeglicher Art umzurüsten. So hat es der Vorstand entschieden. Allerdings muss festgehalten werden: In München werden nur alte Kapazitäten trotz hoher Kosten durch neue ersetzt, es erfolgt keine Kapazitätserweiterung vor Ort, die europäischen Überkapazitäten wachsen dadurch nicht.
Fazit: Für ausgediente Verbrennerfabriken in Europa gibt es keinen Markt. Chinesische Autohersteller wollen nicht, russische dürfen nicht, nordkoreanische können nicht. Damit ist der Markt für gebrauchte Autofabriken am Ende.
Neues Leben treibt aus den Markt-Ruinen
Aber statt Recycling wie bei BMW schreitet auch der Neubau von Fabriken für Elektroautos munter voran. An der Spitze der chinesische Weltmarktführer von Elektroautos jedweder Couleur (BEV + PHEV + HEV) ist der automobile Senkrechtstarter BYD (Slogan: Build Your Dreams). BYD Auto zieht in Szeged (Ungarn) ein neues Werk mit einer Endkapazität – Planungsstand heute – von circa 350.000 E-Autos p.a. hoch. BMW baut bereits seit längerem in Ungarn, die Münchner nehmen 2025 ein komplett neues Werk für die neue Klasse in Debrec mit einer Kapazität von zunächst 150.000 E-Autos in Betrieb.
Zuvor will BYD mit einer eigenen Flotte von 8 Giga-Autotransportschiffen mit jeweils einer Kapazität von 7000 Fahrzeugen testweise den europäischen Markt mit Export-Elektroautos fluten. Geschätztes Jahresvolumen im Endstadium rein rechnerisch knapp 350.000 E-Autos (BEV + PHEV) – quasi eine schwimmende Fabrik. BYD peilt für die Zukunft einen Marktanteil in Europa von 10 vH ein, das sind mehr als eine Million Elektroautos. Andere chinesische Elektroautos-Hersteller wie Geely, Polestar, MG, Nio usw. stehen Gewehr bei Fuß und wollen als ersten Schritt ebenfalls den Export nach Europa erheblich steigern. Händlernetze sind im Aufbau, Geely hingegen, Kapitaleigner und Partner von Daimler in China hat Fabrik-Baupläne zunächst zurückgezogen, die anderen chinesischen Marken/Hersteller beschränken sich auf den Export.
Auch Tesla-CEO Elon Musk plant für Europa erhebliche Marktanteilsgewinne am künftigen E-Auto-Markt. Tesla will laut Musk künftig in Europa bei Elektroautos einen Marktanteil von 10 vH. Das muss so sein, denn Musk hat die Absicht, im Jahr 2030 20 Millionen Teslas am Weltmarkt abzusetzen, davon einen Gutteil in Europa. Dazu möchte Musk bauen und plant eine erhebliche Erweiterung seiner Gigafactory 4 im brandenburgischen Grünheide. Neben dem aktuellen 300 Hektar großen Grundstück sollen auf einem zusätzlichen 170 Hektar großen Gelände ein neues Fabrikgebäude, ein eigener Güterbahnhof, Lagerhallen, eine Wasseraufbereitung und eine Kita für die Kinder der Mitarbeiter entstehen. Früheren Verlautbarungen nach sollen die Kapazitäten des Werkes von 500.000 Einheiten auf eine Million verdoppelt werden.
Musk verkündete bei seinem jüngsten Besuch in Grünheide der jubelnden Belegschaft, dass künftig in Grünheide auch ein Model 2 und der Semi-Truck gebaut werden sollen. Termine mussten offenbleiben, vom Model 2 als preiswertes Einstiegsmodell bei Elektroautos existieren bislang nur Ankündigungen, für den Semi-Truck fehlen nach Aussagen von Lkw-Experten die geographischen Voraussetzungen, sprich die endlosen Weiten der Prärie, das norddeutsche Flachland alleine genügt nicht.
Verschärfter Wettbewerb auf europäischem Automarkt
Bauanträge für Werk 4 sind gestellt, für die Werks-Erweiterung sollen weitere mehr als 100 Hektar Wald gerodet werden. Notwendige Abholzaktionen zur Werkserweiterung wurden durch Umweltproteste vorerst gestoppt, errichtete Baumhäuser dürfen auf Gerichtsbeschluss hin bleiben. Für Musk sind die Strommasten-Sprenger und Baumhausbewohner die „dümmsten Ökoterroristen der Welt“.
Aus all dem lassen sich zwei konträre Sachverhalte herausdestillieren:
- Aus Makro-Sicht steht die europäische Automobilindustrie vor einer extrem divergierenden Herausforderung: Auf der einen Seite reißt die Abrissbirne alte Autofabriken ab, die keiner mehr will. Auf der anderen Seite drehen sich unzählige Baukräne zum Neubau von neuen Werken für Elektroautos, die auch keiner so richtig will, folgt man dem Markt und allen Umfragen.
- Aus Mikro-Sicht stehen sich am wachstumsschwachen Markt für Elektroautos mit BYD und Tesla zwei Giganten der Elektromobilität im scharfen Wettbewerb gegenüber. BYD liegt in Führung und hat zu Jahresbeginn 2024 Tesla von dessen Position als bisherige Nummer 1 bei Batterie-Elektroautos (BEV) von der Weltspitze verdrängt.
Zu Punkt 1: Der westeuropäische Automobilmarkt wächst nicht mehr, gilt als gesättigt. Seit dem Zulassungshöhepunkt im Jahre 2017 mit 14,2 Millionen Neuzulassungen ist der Markt kontinuierlich auf inzwischen 11,4 Millionen Neuzulassungen im Jahr 2023 geschrumpft, dem Niveau von 2012. Zwar soll ab 2024 eine leichte Markterholung stattfinden, aber echtes Wachstum ist das nicht. Als Folge nimmt der Verdrängungswettbewerb zwischen den europäischen Anbietern dramatisch zu. Angeheizt wird dieser jetzt durch den drohenden Zutritt von chinesischen Herstellern mit kostengünstigen kleineren Elektroautos bei hoher Qualität. Der Wettbewerb wird dadurch nochmals zuungunsten der europäischen Hersteller im Massensegment verschärft.
Nicht ohne Grund hat der polyglotte Renault CEO Lucca De Meo (er spricht Italienisch, Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch) vor kurzem einen Aufsehen erregenden „Brief an Europa“ gerichtet. De Meo wendet sich in einem zwanzigseitigen Dokument an alle Akteure des europäischen politischen Lebens, in dem er indirekt vor allem auch auf die Probleme der europäischen Automobilindustrie hinweist und einen kollektiven Handel analog der Airbus-Industrie fordert. „Indem wir die Kooperationsinitiativen verstärken, werden wir unsere Industrie auf den Weg der Wiederbelebung bringen.“ Denn: „Die Amerikaner stimulieren, die Chinesen planen, die Europäer regulieren.“ Im Klartext: De Meo plädiert für eine engere überregionale Kooperation der europäischen Automobilhersteller. Getreu dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“!
Eindringlich warnt De Meo vor der chinesischen Exportoffensive, die bei Autos der C-Klasse (etwa Golf-Klasse) einen Kostenvorteil von 25 Prozent des Verkaufspreises ausmachten. Mit für die Wettbewerbsnachteile der europäischen Autoindustrie verantwortlich seien unterschiedliche „Regulierungsmodelle“ im Ausland,
- so 110 bis 160 Milliarden Euro chinesische Subventionen für das Verarbeitende Gewerbe für den Zeitraum bis 2022,
- 40 Milliarden Dollar für Steuergutschriften für umweltfreundliche Produktion in den USA aus dem «Inflation Reduction Act».
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat diese Botschaft sofort aufgegriffen: „Der Preis der Autos wird durch Staatssubventionen gedrückt – das verzerrt unseren Markt“. Und lässt Strafzölle auf chinesische Autos prüfen.
„Es kann nur einen geben“ – Tesla oder BYD?
Sicher ist, dass in einem aufkommenden Verdrängungswettbewerb mit den chinesischen Herstellern die europäischen Massenhersteller VW, Renault und Stellantis Marktanteile verlieren werden. In Abwägung aller Aspekte dürfte auf der Makroebene der Schluss dennoch nicht ganz falsch sein, dass vom möglichen Verdrängungsvolumen her „die chinesischen Bäume auf dem europäischen Markt zwar weiter, aber nicht in den Himmel wachsen werden“. Die europäischen Hersteller werden bei Elektroautos Marktanteile abgeben müssen, solange aber Verbrenner noch zulässig sind, nicht von vorneherein existenziell gefährdet sein. Vor allem der heutige Weltmarktzweite Volkswagen dürfte stärker unter „die Elektroräder kommen“.
Bei Punkt 2, auf der Mikroebene, sieht es anders aus. Hier stehen in Zukunft Tesla und BYD mit ihren Kapazitätsausbauplänen – Elon Musk mit der Erweiterung in Grünheide, BYD-CEO Wang Chuanfu mit der Erweiterung in Szeged und der „schwimmenden Fabrik“ (sprich: Transporterflotte auf hoher See) – auf dem Elektromarkt unmittelbar in Konkurrenz gegenüber. Angesichts der prognostizierten nur begrenzten Wachstumschancen am europäischen Markt für Elektroautos (BEV) – Experten rechnen mit 20 bis 25 Prozent Marktanteil für BEV – rückt damit das Highlander-Prinzip näher: „Es kann nur einen geben.“ Und dabei hat Tesla die schlechteren Karten:
- Die schlechten Nachrichten bei Tesla häufen sich. Das Jahrzehnt hoher Wachstumsraten ist vorbei, wichtige Märkte wie China und auch Deutschland haben sich zuletzt sogar konjunkturell abgeschwächt.
- Rund um das Giga-Giga-Tesla-Stammwerk in Austin (Texas) kursieren Gerüchte, dass Entlassungslisten vorbereitet werden. Musk spricht besänftigend von „zwei Wachstumswellen“, in deren Tal man sich offenbar befinde. Weltweit beschäftigt Tesla inzwischen über 120.000 Mitarbeiter, allein in Grünheide waren es Ende 2023 rund 14.500. Tesla ist damit in Brandenburg der größte Arbeitgeber. – Zur Produktion von knapp 2 Millionen Autos ist das ein großer „Kosten-Rucksack“. Langwierige und scharfe Rabattschlachten zur Absatzankurbelung passen da nicht ins Bild.
- Als Hersteller von Elektroautos hat Tesla einen wesentlichen Nachteil gegenüber allen herkömmlichen Autobauern einschließlich BYD: Tesla ist einseitig nur auf Batterie-Elektroautos (BEV) fixiert und hat kein Verbrenner-Know-how. Alle Hybridantriebe, sei es als Voll-Hybrid (HEV) oder als Plug-In-Hybrid (PHEV), haben einen Verbrennungsmotor als Hauptantriebsquelle, Elektromotoren dienen nur als Unterstützung. Über diese Technologie verfügt Tesla nicht, auch nicht beim PHEV, Tesla hat keine PHEV im Angebot.
- BYD beherrscht beide Technologien meisterhaft. Die Position 10 im Ranking der größten Automobilhersteller erreichte BYD 2023 mit 1,7 Millionen BEV und 1,4 Millionen PHEV. Damit fehlt Tesla zunehmend Skalierungsvolumen zur Waffenparität mit BYD im Kostenwettbewerb.
- Die Kosten-Marktmacht geht damit zunehmend auf BYD über. Während Tesla seine Pionier-Monopolstellung zunehmend verliert, gewinnt BYD zunehmend Potenzial bei Rabatt- und Preisschlachten.
- Tesla verfügt selbst bei BEV nur über eine äußerst schmale Modellpalette, und das auch nur im Hochpreissegment. BYD hingegen ist breit aufgestellt und dringt mit dem SUV Yangwang zuletzt auch in das Luxussegment vor.
Mysterium Tesla-Ausbau
Neben den Unternehmensspezifika gibt es ein grundsätzliches Problem, das ausschließlich Tesla trifft, keinen anderen Autohersteller der Welt, vor allem auch nicht die deutschen Hersteller, die technologisch dual aufgestellt sind. Der Strukturwandel des Welt-Elektroauto-Marktes verschiebt sich zunehmend zugunsten von PHEV und zulasten von BEV. Und damit automatisch zulasten von Tesla. Automobilökonomen haben das bereits lange vorausgesehen, jetzt wird es manifest.
- Der Absatz von PHEV ist weltweit im Vormarsch zulasten der Batterie-Elektroautos, vor allem in Europa. In der EU wurden 2023 insgesamt 10.547.716 Pkw neu zugelassen (+13,9 Prozent). Stiefkind ist und bleibt jedoch das Batterie-Elektroauto (BEV).
- In der EU legte deren Absatz in 2023 zwar um 37 Prozent auf 1.538.621 Autos zu, der Marktanteil dümpelt damit im Gesamtjahr bei 14,6 vH. Stärker zeigen dagegen die Hybridmodelle mit 2.716.963 Einheiten (+ 29,5 Prozent). Der Marktanteil der PHEV ist mit 25,8 vH fast doppelt so hoch wie bei BEV. Und die Schere tut sich weiter auf, je näher das Verbrennerverbot von 2035 rückt und je größer die Verunsicherung der Kunden darob wird. Gerade auch die deutschen Premium-Hersteller sind bei BEV und PHEV klammheimlich bestens unterwegs.
Fasst man alle Aspekte zusammen, so sind Teslas Ausbaupläne in Grünheide ein Mysterium, stellen langjährige Kenner der Automobilmarktentwicklung vor ein Rätsel. Tesla-CEO Elon Musk ist zwar für ebenso visionäre wie spektakuläre und sprunghafte Entscheidungen bekannt, Irrationalität gehört bisher nicht zu seinem Verhaltensmuster.
Natürlich, alles ist möglich. So hätte kein ernsthafter Analyst vor 10 Jahren geglaubt, dass Tesla mit nur 1 Million Elektroautos einen Firmenwert erreichen wird, der zeitweilig höher war als bei allen deutschen Autobauern zusammengenommen. Und dass Musk damit zeitweise zum reichsten Mann der Welt würde – seinen Aktionären sei dank. Aber inzwischen haben sich die Marktverhältnisse durch das Vordringen der chinesischen Elektrobauer gewaltig zugunsten des Reiches der Mitte verschoben. Und auch die deutschen Hersteller sind auf Aufhol- und teilweise sogar auf Überholkurs.
Die Börse hat reagiert: Ende 2023 kostete eine Aktie des US-Elektroautobauers an der Techbörse NASDAQ noch 248,48 US-Dollar. Die 3.176.000.000 ausstehenden Tesla-Aktien kamen damit auf eine Marktkapitalisierung von rund 789,17 Milliarden US-Dollar. Mitte März 2024 war eine Tesla-Aktie noch 163,57 US-Dollar wert, was bei gleichem Volumen an Anteilsscheinen nur noch einer Marktkapitalisierung von 519,5 Milliarden US-Dollar entsprach (Stand: 15.03.2024).
Das bedeutet, Tesla hat in etwa zweieinhalb Monaten 269,67 Milliarden US-Dollar an Marktkapitalisierung verloren. Das ist mehr als ein Drittel des Börsenwertes des Unternehmens.
Dass die Entwicklung des Börsenkurses kein dauerhaft zuverlässiger Indikator ist, ist bekannt. Aber es gibt auch eine Reihe negativer Meldungen zu Tesla, die nicht ohne Wirkung geblieben sein dürften, als da sind: Der Tesla-Absatz stockt oder wächst zumindest nicht mehr so wie gedacht. Die kleine Modellpalette wird zunehmend zur Belastung für den Autobauer. Der neue Cybertruck dürfte keine große Erleichterung bringen, wenn er überhaupt für Deutschland zugelassen wird.
Auf dem weltgrößten Automarkt China kämpft Tesla mit Problemen, Elon Musk dämpft erstmals die Erwartungen. Im Februar lag der Absatz mit 60.365 Einheiten um 19 Prozent niedriger als vor einem Jahr. Zum Teil geht das Absatzminus auf das chinesische Neujahrsfest zurück, das in diesem Jahr in den Februar gefallen ist. Aber eben nicht nur. Zugleich kämpft Tesla in einer erbitterten Preisschlacht mit der immer stärker werdenden Konkurrenz, vor allem mit BYD, und einer sinkenden Nachfrage. Mit seiner kleinen, hauptsächlich aus Model 3 und Model Y bestehenden Modellpalette tut sich Tesla gegenüber den chinesischen Konkurrenten schwer und hat im vergangenen Jahr mehrmals die Preise gesenkt, um die Nachfrage anzukurbeln.
Zwar musste der wichtigste Konkurrent BYD im Vergleich zum Vorjahr wegen Modellwechsel sogar einen Absatzrückgang um 37 Prozent hinnehmen, verkauft damit aber immer noch gut doppelt so viele Autos wie Tesla, allerdings nicht nur Elektroautos. Experten gehen davon aus, dass BYD bereits um die Jahreswende 2023/24 Tesla als weltgrößten Hersteller von Elektroautos abgelöst hat.
Über die Zukunft von Tesla gibt es widersprüchliche Informationen (Automobilwoche, 5. März 2024). Einerseits gibt es Gerüchte um einen geplanten Stellenabbau, andererseits soll ein neues Einstiegsmodell den Absatz deutlich steigern. Elon Musk, der sonst immer überaus optimistische Chef, gab bei der Vorlage der Jahreszahlen für 2023 Ende Januar zu, dass der Absatz in diesem Jahr langsamer wachsen wird. Eine Zahl nannte er nicht, doch das vor Jahren ausgegebene Ziel von 50 Prozent Wachstum pro Jahr wird Tesla 2024 wohl kaum erreichen. Neben China hat der Hersteller auch in Europa und auf seinem Heimatmarkt USA Probleme mit wachsender Konkurrenz und sinkender Nachfrage. Giga-Fabrikneubauten oder Kapazitätserweiterung wie in Grünheide passen da nicht ins Bild.