Tichys Einblick
Mobility-Guide-Studie

Abgesang auf die Elektromobilität – an den Rahmenbedigungen liegt es nicht

Deutschland ist „reif“ für E-Mobilität. Das zeigt eine Studie. Damit bricht das Kartenhaus der von Politik, Branche und Medien vorgebrachten Argumente über Kaufhemmnisse zusammen. Der Flop bei E-Autos liegt nicht an den Rahmenbedingungen, er liegt an fehlender Kundschaft.

Ladestationen für Elektroautos an einer Autobahn-Raststätte; laut Studie schneidet Deutschland im internationalen Vergleich vor allem bei der Ladeinfrastruktur gut ab

picture alliance/dpa | Robert Michael

Dass alle Autohersteller rund um den Globus bei ihrem Engagement in die Elektromobilität hohe Verluste einfahren – Faustformel: je stärker, desto höher –, haben die vorgelegten Quartalszahlen überall bewiesen. Das ist nicht neu. Und dass E-Autos bei deutschen Kunden zunehmend weniger Wohlgefallen finden, ist auch nicht neu.

Neu ist hingegen, dass Brancheninsider eine einschlägige Untersuchung mit Ergebnissen vorlegen, die für die Autoindustrie quasi einer Grablegung ihrer hochtrabenden Wachstumspläne gleichkommt. So hat der aus ALD Automotive und LeasePlan gebildete Flottenleasing-Marktführer Ayvens eine Studie vorgelegt (Mobility Guide), die zu dem – verblüffenden – Ergebnis kommt, dass der deutsche Elektroauto-Markt hoch entwickelt ist und gute Rahmenbedingungen für die Elektromobilität bietet.

Und trotzdem ist der Markt auf Talfahrt.

Über Inhalt und Struktur der Ayvens-Studie hat die Automobilwoche berichtet, und kommt zu dem Ergebnis. „Elektroautos: Deutschland hat reifen Markt mit Kostenproblem.“ Schlimmer noch: „Deutschlands Markt für Elektroautos ist hoch entwickelt. Das liegt auch an der vergleichsweise guten Ausstattung mit Schnellladeinfrastruktur.“

Damit bricht das ganze Kartenhaus an bislang von Politik, Branche und einschlägigen Medien Tantra-mäßig vorgebrachten entschuldigenden Argumenten über Kaufhemmnisse bei E-Autos zusammen. Der Flop bei E-Autos liegt nicht an den Rahmenbedingungen, er liegt am Markt. Um ein geflügeltes Wort von Prof. Karl Schiller (Wirtschaftsminister in den 1960er-Jahren) zu übernehmen: Die Pferde stehen mitten im Wasser, aber sie saufen nicht!

Die wesentlichen Punkte der Studie sind nachfolgend wiedergegeben (Deutscher E-Auto-Markt hoch entwickelt, aber mit Kostenproblem | Automobilwoche.de). In der Studie werden 47 Länder weltweit darauf untersucht, wie „reif“ der Markt für Elektromobilität (BEV + PHEV) ist. Bewertet wurde die Reife eines Marktes nach sechs Kriterien:

Mit 63 von 100 möglichen Punkten und auf Platz neun aller untersuchten Länder liegt Deutschland dabei in der Spitzengruppe. Alle Länder davor sind im Vergleich zu Deutschland „Mini“-Automärkte ohne eigene Autoindustrie und verfügen zudem fast alle über Strom aus Kern- oder Wasserkraft wie Norwegen, Finnland oder Schweiz. Selbst Luxemburg oder Dänemark rangieren mit den Plätzen 5 und 6 vor Deutschland.

Ganz vorne liegen Norwegen (82 Punkte), die Niederlande (80) sowie Finnland (74). Insgesamt identifiziert Ayvens 13 ausschließlich europäische Länder als „ausgebaute“ E-Mobilitätsmärkte. Elf weitere Länder seien im Übergang, etwa Spanien oder Thailand mit 45 beziehungsweise 43 Punkten. Im Rest der Welt sei der Markt noch im Entstehen, darunter auch in den USA, die auf lediglich 34 Punkte kommen.

Allen Unkenrufen zum Trotz: Deutschland schneidet im internationalen Vergleich vor allem bei der Ladeinfrastruktur mit insgesamt 14 Punkten gut ab. Den höchsten Wert erzielten die Niederlande mit 17. Die Schwankungsbreite hier ist enorm. Polen oder Irland beispielsweise kamen auf lediglich fünf Punkte. Der Besuch dieser Länder mit E-Autos ist also weniger empfehlenswert.

Problematisch ist, dass in Deutschland E-Autos gegenüber Verbrennern kaum Kostenvorteile besitzen, meist ist das Gegenteil der Fall. Vor allem der hohe Anteil an fossilem Strom im Energienetz sowie die erheblichen Nachteile der hohen Anschaffungskosten der E-Autos gegenüber Verbrennern sind Kaufhemmnisse. Laut Ayvens-Studie kostet ein E-Auto-Kilometer durchschnittlich 39 Cent pro Kilometer in Deutschland. Verbrenner kommen auf durchschnittlich 40 Cent. Damit fehlt ein starker wirtschaftlicher Anreiz zum Wechsel.

Deutschland befindet sich mit diesem Kostennachteil in guter Gesellschaft. In Frankreich, Schweden und Spanien haben Verbrenner sogar deutliche Kostenvorteile gegenüber E-Autos. Spürbare Kostenvorteile gibt es laut Studie nur in wenigen Ländern wie der Schweiz (8 Cent/km), Norwegen (7 Cent/km), Niederlanden (6 Cent/km) und Finnland (5 Cent/km). Insgesamt sind nur in 13 europäischen Ländern Elektrofahrzeuge nach den gewählten Kriterien wettbewerbsfähig, sprich zumindest kostengleich.

Alles in allem bestätigt die Ayvens-Studie empirisch die mentalen Vorurteile erfahrener Automobilmarkt-Experten, dass wettbewerbsfähige, „grüne“ Rahmenbedingungen zwar notwendige Bedingung für die Transformation der Verbrenner-Automärkte hin zur Elektromobilität sind, hinreichend sind sie nicht.

Solange das nicht der Fall ist, helfen auch empirische Nachweise guter „Reifegrade“ des jeweiligen Marktes der Autoindustrie nichts. Die Kunden müssen Elektroautos als das für sie bessere Angebot zur Erfüllung ihrer Mobilitätsbedürfnisse bewerten, dann steigen sie freiwillig aus ihrem Verbrennerautos aus und in ein Elektroauto ein.

Selbst wenn, nur als fiktives Beispiel, der Vatikanstaat mit päpstlichem Segen, einer E-Zapfstelle, grünem Strom und zwei Elektroautos den höchsten Reifegrad für E-Mobilität hätte, würde das die Autohersteller nicht vor Verlusten schützen. Salopp formuliert: Es nützt nichts, dass ein Markt reif ist, solange die Kundschaft „unreif“ ist.

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