Tichys Einblick
Nur der Anfang?

Milliardenurteil in Sachen Glyphosat

Die Prozesse werfen auch ein Licht auf das Thema »Rechtssicherheit« in den USA. Es kommt weniger auf belegbare Fakten an, sondern eher darum, eine Laienjury zu beeindrucken. Sogar die EPA, die Umweltbehörde der USA, erteilte Glyphosat die Absolution. Das ist jene Behörde, die auch gegen VW ins Feld zog.

Scott Olson/Getty Images

Das ist selbst für das in Sachen Schadensersatzhöhen verwöhnte Amerika eine neue Hausnummer. 1,82 Milliarden Euro, Milliarden, nicht Millionen, soll Bayer als Strafe und Schadensersatz bezahlen. Rekordverdächtig klingt die Summe. Damit hat der deutsche Chemiekonzern Bayer den dritten Prozess um den Unkrautvernichter Glyphosat verloren. Die Bayer-Aktie brach um 4,4 Prozent ein.

Alva und Alberta Pilliod hatten geklagt. Das Rentnerehepaar aus Kalifornien war an Non-Hodgkin-Lymphome erkrankt, an Lymphknotenkrebs. Die Anwälte der Pilliods machten dafür die jahrzehntelange Verwendung des Unkrautvernichters Roundup verantwortlich. Bayer dagegen argumentiert mit vielen Vorerkrankungen der beiden, die vermutlich den Krebs ausgelöst haben. Die beiden über 70 Jährigen rauchten zudem jahrzehntelang. Sie haben laut eigener Aussage seit den 1970er Jahren Roundup von Monsanto zu Hause und auf ihren anderen Grundstücken benutzt. Sie dachten, es sei so harmlos »wie Zuckerwasser«.

Das neuerliche Urteil war vom Grundsatz her zu erwarten, laut Bayer »übertrieben und ungerechtfertigt«. Dieser neue Prozeß wirft gleichzeitig einen Blick auf das Rechtssystem der USA. Anwälte suchen sich Themen für Prozesse, wählen dazu eine »passende« Kundschaft und verdienen nur im Erfolgsfall, dann aber richtig. Vor Geschworenengerichten spielen Fakten eher eine geringe Rolle, es kommt auf Dramatik und Theatralik an.

Der Anwalt der Pilliods, Brent Wisner, zeigte der Jury Einsicht firmeninterne Dokumente, aus denen angeblich hervorgeht, dass Bayer-Tochter Monsanto »niemals irgendein Interesse daran hatte, herauszufinden, ob Roundup sicher ist«. Doch laut Bayer sei nur teilweise zitiert worden, diese Teile seien zudem nicht belastbar.

Wissenschaftliche Beweise für eine Gefahr gibt es nicht. Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat wird weltweit seit 40 Jahren angewendet, ist in den USA das am meisten verwendete Herbizid und gilt als eine der am besten untersuchten Substanzen. Die staatliche kanadische Gesundheitsbehörde hatte nach der aufkommenden Prozesslawine in den USA eine neuerliche umfassende Untersuchung eingeleitet und Anfang dieses Jahres erklärt, dass Glyphosat sicher ist und es keinerlei Anhaltspunkte für eine Gefährdung gebe.

Das Mittel benötigen Landwirte, um vor der Aussaat Unkräuter zu bekämpfen und ihren Nutzpflanzen gezielt einen zeitlichen Vorteil zu verschaffen. Früher wurde das mit dem Pflug erledigt. Doch kostet diese Arbeit erheblich Energie und bringt die Bodenstrukturen durcheinander. Ein anderes Mittel gibt es bisher nicht.

Die Prozesse werfen auch ein Licht auf das Thema »Rechtssicherheit« in den USA. Es kommt weniger auf belegbare Fakten an, sondern eher darum, eine Laienjury zu beeindrucken. Sogar die EPA, die Umweltbehörde der USA, erteilte Glyphosat die Absolution. Das ist jene Behörde, die auch gegen VW ins Feld zog.

Für Bayer entscheidend ist jetzt, was in der nächsten Instanz herauskommt. Dort sitzen dann Berufsrichter und keine Laienjury. Offen ist, wem die eher Glauben schenken: Der Wissenschaft, die bisher keinen Beweis für eine Gefahr von Glyphosat für den Menschen gefunden hat oder dem Kampf von NGOs mit windigen Argumentationen.

Der nächste Prozess vor einem Geschworenengericht findet voraussichtlich im August in St. Louis und damit zum ersten Mal ausserhalb des »grün« geprägten Kaliforniens. In diesem Bezirk befand sich zudem die ehemalige Zentrale von Monsanto.


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