Tichys Einblick
KOLLOSALER VERWALTUNGSAUFWAND

Mietendeckel und das Bürokratiemonster

Die Berliner Verwaltung ist notorisch unterbesetzt. Nichtsdestotrotz sollen die Bezirksämter ab 2020 massenhaft Mietverträge und Anträge der Bürger sichten, prüfen und entscheiden. Der Mietendeckel dürfte eine Flut von bis zu 3.000 Anträgen pro Bezirk und Monat auslösen. 

Der Berliner Mietendeckel macht bundesweit Furore – wie beispielsweise in den „Tagesthemen“. Oder beim ZDF: „Acht Euro pro Quadratmeter: Der geplante Mietendeckel in Berlin ist radikal. Und das ist erst einmal gut so.“ …
„Und radikale Forderungen sind manchmal auch symbolisch richtig. Schließlich muss sich Politik auch um Gefühle kümmern“. Gefühligkeit in der Politik ist schon die halbe Miete.

Mietwohnungen bestimmten im Jahr 2017 mit fast 85 Prozent bzw. 1.638.800 Einheiten den Markt, schreibt die Investitionsbank Berlin in ihrem Wohnungsmarktbericht 2018. Zieht man die drei Prozent der Neubauten ab 2011 ab (bis Ende 2013 erbaute sollen noch unter den Mietendeckel fallen), verbleiben, um es anschaulich zu halten, immer noch etwa 82 Prozent der vor 2014 entstandenen Wohnungen oder etwa 1,6 Millionen Wohneinheiten, deren Mieten „gedeckelt“ werden sollen. Und: Die maximale Miete von 7,97 Euro/qm würde auch für jene neuwertigen Wohnungen gelten, die „bis 2013“ gebaut wurden.

Wer beispielsweise in einem bis 1918 errichteten Altbau lebt, darf seine Miete zwischen 3,92 und 6,45 Euro/qm verringern. Die mittlere Angebotsmiete lag laut der IBB im Jahr 2017 bei 10,15 Euro/qm. Was bedeutet, dass es in solch einem Fall auf eine erhebliche Reduzierung der Angebotsmiete herausliefe. Immerhin beläuft sich der Wohnbestand der Altbauten bis 1918 auf 56 Prozent des Wohnungsbestandes. – Also: ein „Hurra“ auf die Linke.

Gelten soll der „Mietendeckel“ ab Januar 2020 für fünf Jahre. Konkret sehen Lompschers Pläne wie folgt aus:

 

Nachdem es deutliche Kritik am ersten Gesetzentwurf hagelte, wurde im Senat festgelegt, dass die Lage der Wohnung (Ost/West) keine Rolle spielen soll. Modernisierungsumlagen können bis höchstens 1,40 Euro je Quadratmeter zur Miete dazu kommen. Neu ist außerdem die Regelung für jene Mieter, die mehr als 30 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Miete ausgeben. In diesen Fällen kann eine Senkung bis zur Obergrenze „beantragt“ werden. Dem Vermieter wird eine Mietsteigerung von jährlich bis zu 1,3 Prozent erlaubt, vorausgesetzt, sie bleibt unterhalb der Obergrenzen. Betroffen sind auch Staffelmieten.

Noch stehen weitere Details aus, doch ist offenbar vorgesehen, dass frei werdende Wohnungen zu denselben Preisen wiedervermietet werden müssen, auch wenn diese weit unterhalb der neuen Mietobergrenzen lagen, wie der Tagesspiegel berichtet. „Wie die Eigentümer mit diesen Einnahmen Sanierungskosten von schnell mal 20.000 Euro nach Auszug eines langjährigen Mieters finanzieren sollen, ist völlig unklar – diese Kosten gleichen Vermieter üblicherweise aus höheren Einnahmen bei Neuvermietung aus“.

Und wie kommen die Berliner an ihre Mieterlasse? Ganz einfach: Man schickt die Mietverträge an eines der 12 Berliner Bezirksämter, die, obwohl notorisch unterbesetzt, die „Anträge“ der Mieter sichten, bewerten und entscheiden. Ein kolossaler Verwaltungsaufwand, das reinste Bürokratiemonster. Die Frage, woher das Personal kommen soll, beantwortet niemand. In Berlin wächst es ja bekanntlich an den Bäumen. Man muss es nur pflücken oder herunterschütteln.

In den Bezirksämtern fehlt Personal an allen Ecken und Enden, in den Wohngeldstellen und bei den Bürgerämtern. Allein die Standesämter leiden unter Personalmangel. Auf Geburts- und Heiratsurkunden in Berlin-Mitte müssen Bürger über 4 Wochen lang warten. Bei Sterbeurkunden dauert es bis zu 6 ½ Wochen. In der Zeit kann der Hinterbliebene weder auf das Bankkonto eines Verstorbenen verfügen, noch Witwenrente beantragen oder auf Versicherungsleistungen zugreifen. Beerdigungskosten müssen im Fall von Sterbeversicherungen demzufolge gar über einen Bankkredit aufgebracht werden – falls der überhaupt bewilligt wird.

Ab Januar 2020 soll das Lompscher-Gesetz in Kraft treten. Mag sein, dass inzwischen noch an der einen oder anderen Stellschraube gedreht wird. Doch es ist klar, was dann passieren wird. Eine Flut von Anträgen wird bei den Bürgerämtern landen, stapelweise wird Post ins Haus flattern. Denn wer zuerst malt – also beantragt – erhält den Bescheid vom Bezirksamt mit Brief und Siegeln und bezahlt danach nur noch die reduzierte Miete. Bis zu 3.000 Anträge pro Monat und pro Bezirk, eine wahre Antragslawine, wird die Bezirksämter überrollen, wie der Tagesspiegel schreibt. Wenn das mal reicht! „Der entstehende Mehraufwand müsse abgefedert werden“ kommentiert Lompscher dazu lapidar.

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