Tichys Einblick
Historische Krise

Meyer-Werft: Das Aushängeschild des deutschen Schiffsbaus kämpft ums Überleben

Volle Auftragsbücher – und dennoch äußerst schwierige Lage bei der legendären Meyer-Werft in Papenburg. Bislang überlebte die Werft mit dem Bau von Kreuzfahrtschiffen, nun sollen 440 von 3300 Beschäftigten gehen. Die stolze Werft gerät in die Fänge von Politikern und Gewerkschaften.

Das Kreuzfahrtschiff der Luxusklasse «Silver Ray» verlässt das überdachte Baudock der Meyer Werft, Papenburg, 25.02.2024

picture alliance/dpa | Lars Penning

Dies wurde am Mittwoch auf einer Betriebsversammlung verkündet. Die aufsehenerregende Nachricht hat die Meyer-Werft auch offiziell bestätigt. Der Stellenabbau solle sozialverträglich gestaltet werden. Diese Zahl beruht wohl auch auf dem Rat eines Sanierungsexperten, den die Meyer-Werft vor wenigen Wochen zu Hilfe geholt hatte und der beratend tätig werden sollte. Der betonte gegenüber dem NDR, die Werft befinde sich in einer historischen Krise. Der Stellenabbau sei notwendig, um wieder positive Ergebnisse erwirtschaften zu können.

Angesichts der staatsfinanzierten Mitbewerber beim Bau von Kreuzfahrtschiffen in Italien und Frankreich sei der Wettbewerb »mehr als verzerrt«, so der Sprecher der Meyer-Werft Peter Hackmann, gegenüber der Ems-Zeitung. Genau wie viele Kunden durch die Pandemie Schulden angehäuft hätten, »ist auch unsere finanzielle Situation anspruchsvoll«.

Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) von der rot-grünen niedersächsischen Landesregierung betonte gleich seine Betroffenheit und beteuerte, sich für einen Erhalt der Arbeitsplätze einzusetzen. Die Meyer-Werft habe zentrale Bedeutung für die gesamte Region. In den Auftragsbüchern stehen immerhin noch Bestellungen für sechs weitere Kreuzfahrtschiffe sowie für vier Plattformen für Stromkonverter für Windparks auf der Nordsee sowie einem Forschungsschiff. Damit gilt die Arbeit bis 2028 gesichert.

Nun sagen volle Auftragsbücher noch nichts darüber aus, ob mit den Aufträgen auch Geld verdient wird. Der Bau von Kreuzfahrtschiffen muss weitgehend vorfinanziert werden. Dies bedeutet eine Menge Geld bei einem Objekt, das rund eine Milliarde kostet. Und vollständig bezahlt wird erst nach Ablieferung. Bis 2027 ist von einem Bedarf von acht Milliarden Euro die Rede. Doch zunächst müssen im November 550 Millionen Euro für einen Kredit bezahlt werden – normalerweise kein größeres Problem für eine Werft.

Doch die Meyer-Werft ist angeschlagen. Bei zwei Schiffen für den Disney-Konzern gab es zuletzt Verzögerungen. Die politisch verursachte Corona-Krise brachte auch die Werft in Papenburg in unruhiges Fahrwasser. Eine verantwortungslose Coronapolitik, die für viele Unternehmen das Aus bedeutete, sorgte dafür, dass die Werft noch immer mit den Folgen kämpft. Die Regierung riet sogar früh von Schiffsreisen ab – mit fürchterlichen Folgen auch für Meyer. Folge: Im Jahr 2021 wurde kein einziges Kreuzfahrtschiff mehr gebaut.

Dabei gilt die Werft in Papenburg als Aushängeschild des deutschen Schiffsbaues. Mit fast unglaublicher Präzision entstehen die größten Kreuzfahrtschiffe erstaunlich weit im Landesinneren. Die Schiffsriesen werden in beeindruckender Präzisionsfahrt durch die Ems, die für das große Schiff ein kleines Rinnsal ist, Richtung Nordsee bugsiert. Dazu wurde die Ems etwas ausgebaggert – gegen den Widerstand von »Grünen«. Sogenannte »Naturschützer« bereiten dem Unternehmen seit langem Schwierigkeiten, die bei jedem Aufstauen der Ems die größte Umweltkatastrophe beschwören. Der Fluss muss für die Fahrt aufgestaut werden, damit das Schiff genügend Wasser unter dem Kiel hat.
1795 in Papenburg am Hauptkanal gegründet, lebte die Werft lange vom Bau von Fischkuttern und Lotsenbooten, und zählt heute zu den wenigen großen Werften der Welt, die Kreuzfahrtriesen bauen können und damit auch noch Geld verdienen. In Sonntagsreden sonnen sich Politiker gern im Glanz des eindrucksvollen Werftkomplexes.

Gingen in Deutschland während der lange anhaltenden Werftenkrise viele große und traditionsreiche Schiffswerften unter, überlebte die Meyer-Werft in dem äußerst schwierigen Segment des Schiffsbaues in einem Land, in dem alles deutlich teurer als in anderen Ländern ist – von Energie angefangen über Stahlpreise bis hin zu Löhnen und Nebenkosten und natürlich Bürokratie. Sie fand dazu die Ecke im speziellen Segment des Baus von Kreuzfahrtschiffen. Das funktioniert nur mit technologischen Spitzenleistungen; in einem eigenen Technologiezentrum wird moderne Schiffsbautechnik unter anderem mit Laserschweißtechnik weiterentwickelt. Weil der Platz nicht ausreichte, entwickelten die Konstrukteure die Fertigung in einzelnen gigantischen Blöcken, die vor der Werfthalle schwimmen und schließlich passgenau aneinandergeschweißt werden.

Mit geschickten Konzepten und technologischen Spitzenleistungen hat es das Unternehmen bisher geschafft, den widrigen Standortbedingungen zu trotzen. Dazu zählt der Bau der Schiffe in einer der größten Trockendockhallen der Welt unabhängig von der Witterung, die Vorfertigung der Passagierkabinen, die fertig montiert nur noch in den Schiffsrumpf eingebaut werden müssen.

Ob es in Europa noch einen eigenen Schiffbau geben könne, fragt sich Meyer schon länger. Löhne und vor allem Abgaben, die deutlich über dem Niveau in anderen Ländern liegen, lassen sich kaum noch mit viel fertigungstechnischer Raffinesse ausgleichen. So weist Meyer schon seit langem auf die asiatische Konkurrenz im Schiffbau hin, die zu deutlich niedrigeren Kosten produzieren kann.
Denn auch hier greift China an. So stieg China mit einem Anteil von 46 Prozent auf Platz eins der größten Schiffbauländer, gefolgt von Süd-Korea mit 29 Prozent und Japan mit 17 Prozent.

Deutschland liegt nach einem UNCTAD-Ranking auf Platz acht – mit einem Anteil von 0,58 Prozent am Schiffbau. China hat zudem den Bau von Spezialschiffen wie Kreuzfahrtschiffe und Fähren zu einem der strategischen Ziele des Landes erklärt. 2025 erwartet Meyer, dass aus chinesischen Werften das erste große Kreuzfahrtschiff in See sticht.

Kein Zweifel: Die Meyer-Werft kämpft ums Überleben. Aus dem Hintergrund droht weiterhin ein seit langem mit Verve geführter Kampf um das Unternehmen. Der frühere Werftchef Bernard Meyer widerstand den heftigen Angriffen von Gewerkschaft und linksgrüner Politik in Niedersachsen, die am liebsten aus dem alten Familienbetrieb eine AG machen wollten. Das würde viele hervorragend dotierte Aufsichtsratsposten bringen, in die SPD und Gewerkschaften verdiente Genossen und Funktionäre leistungslos abstellen könnten. Neben den Kosten dafür wäre noch problematischer für das Geschäft der Werft: Die könnten bei Aufträgen mitreden und würden eine ganze Litanei grünen Sermons herunterbeten, die bei Aufträgen erfüllt werden müssten und die den Bau so teuer machen würden, dass niemand mehr ein Schiff kauft.

Sehr zum Zorn von SPD und Gewerkschaften gründete Meyer eine Holding in Luxemburg, über die er sein eigener Herr war und mit der er verhinderte, dass der linksgrüne Komplex das Unternehmen kaperte. Nur so konnte es bisher gut funktionieren.

Vor diesem Hintergrund bekommen die Worte des derzeitigen Wirtschaftsministers Lies eine weitere Note. Unterstützung des Landes würden sie weiterhin offen halten, so Lies gnädig gegenüber dem NDR. Allerdings erst nach »Prüfung«. Und fügte drohend hinzu: »Natürlich gibt es auch Restriktionen dabei, die man immer benennen muss.« Auch wolle er den Blick zurück richten: »Wie konnte es dazu kommen? Was ist auch in der Vergangenheit im Management nicht ordentlich gelaufen, was auch geändert werden muss?«

Gerade aus der versagenden und die Wirtschaft ruinierenden Politik muss sich ein im Grunde erfolgreiches Unternehmen nicht sagen lassen, was es wie zu produzieren hat. Das wissen die Spezialisten in dem Werk deutlich besser als Ideologen in Partei- und Gewerkschaftsbüros. Wenn ein Land die Energiepreise aufgrund einer törichten Energiepolitik so in exorbitante Höhen klettern lässt, wie das gerade hierzulande geschieht, dann braucht sich niemand darüber zu wundern, dass Unternehmen in Schieflage geraten und untergehen.

Noch hallt wieder, wie Olaf Lies sich über das Aus der wichtigsten Energiequellen des Landes freute wie etwa beim Kernkraftwerk Grohnde. Wie gleichgültig erhebliche Versorgungslücken ihm sind, zeigten Einwürfe von Lies, als noch niedersächsischer Umwelt- und Energieminister war. Er betonte in einem Interview des Spiegel zum Kernkraftwerk Emsland: »Der Reaktor wird zum Jahresende vom Netz gehen. Alles andere macht keinen Sinn.« Die Brennelemente seien abgebrannt, dass sie nicht mehr genügend Energie hätten, um bis zum Jahresende im Vollbetrieb zulaufen, log er. Das Kernkraftwerk werde bereits im November in den sogenannten »Stauchungsbetrieb« gehen, wie Lies sich 2021 ausdrückte.

Er lehnte damals ausdrücklich ab, neue Brennelemente zu bestellen. Dann »müssten wir diese vier bis fünf Jahre einsetzen, damit die dann so weit abgebrannt sind, dass man sie einlagern kann«. Das wäre ein Wiedereinstieg in die Kernenergie, den man nicht wolle. Der unglückselige Minister belehrte auch die Niederlande, wo man über ein neues Kernkraftwerk an der Emsmündung nachdenkt: »Die Klimaziele von Paris erreicht man nachhaltig nicht mit neuen Atomkraftwerken.«

Lies betonte noch als früherer Umweltminister: »Windkraft gehört zu unserer Kulturlandschaft!« Mit aller Gewalt sollen auch in Niedersachsen mehr Windräder durchgedrückt werden, obwohl das Land vor allem in den Küstenregionen mit Windrädern vollgepflastert wurde. Doch das reicht Lies nicht: »Unser Ziel ist es, spätestens ab 2030 genau 2,1 Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen.« Die niedersächsische Landesregierung hat bekanntlich einen Windenergieerlass beschlossen, nach dem Anlagen der Windindustrie im Raumordnungsprogramm eine Vorrangstellung bekommen sollen.

Zwischen all den vielen Windrädern im Norddeutschen mit ihrem zufälligen und extrem teuren Strom ist dann eben kein Platz mehr für ein modernes Hightech-Unternehmen wie die Meyer-Werft.

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