Musik begleitet Manuel Lipstein seit frühester Kindheit: Erster Cello-Unterricht mit sechs, erster Soloauftritt mit acht, mit elf beginnt er ein Studium an der Musikhochschule Köln. Der heute 16-Jährige ist das, was man einen hochbegabten Nachwuchskünstler nennt, bereits ausgezeichnet mit renommierten Preisen wie dem WDR-3-Klassikpreis der Stadt Münster, dem belgischen Concours de Violoncelle Prix Edmond Baert oder dem französi- schen Prix Fondation. Lipstein tritt in Konzertsälen auf der ganzen Welt auf. Sein ständiger Begleiter: ein Cello des italienischen Geigenbauers Giacomo Zanoli aus dem Jahr 1737, eines der begehrtesten Celli des 18. Jahrhunderts.
Für den Kauf eines Spitzeninstruments in dieser Liga reichen Lipsteins Gagen allerdings noch nicht. Dass der Teenager, der auch selbst komponiert, es trotzdem spielen darf, haben Jost Thöne und Christian Reister möglich gemacht. Sie gründeten 2014 in Bedburg im Rhein-Erft-Kreis Violin Assets. Das Unternehmen vermittelt Investoren hochwertige Streichinstrumente als Wertanlage.
„Ich wünsche mir so sehr, dass Sie einen Käufer für das Instrument finden“, sagte Lipstein den beiden Unternehmensgründern, als er das wertvolle Cello im Ausstellungsraum von Violin Assets auf Schloss Bedburg, einer idyllischen Wasserburg aus dem 12. Jahrhundert, entdeckte. „Ich war sofort begeistert. Der Klang des Instruments war hinreißend.“
Lipsteins Wunsch erfüllte sich. Eine deutsche Stiftung kaufte das Zanoli-Cello für einen sechsstelligen Eurobetrag. Seit April stellt sie es dem jungen Künstler zur Verfügung, als Leihgabe auf unbestimmte Zeit. „Unsere Investoren kaufen die Instrumente zwar zur Kapitalanlage, schließen sie aber nicht ein in irgendeinem Safe, sondern überlassen sie talentierten Künstlern“, sagt Reister. Der Kontakt zwischen Musikern und Violin Assets kommt meist auf Empfehlung durch Professoren an Musikhochschulen zustande.
Elf Millionen Euro für eine Geige
Neben Stiftungen und Banken gehören Family Offices und vermögende Privatpersonen zum Kundenkreis von Violin Assets. Sie alle suchen nach Anlage- alternativen in Zeiten, in denen sich der risikolose Zins in ein zinsloses Risiko verwandelt hat, die Schwankungen an den Aktienmärkten hoch sind und sich die Halbwertzeit von Währungen offenbar verkürzt.
Zwischen 100.000 und 300.000 Euro müssen Anleger allerdings mitbringen, wenn sie sich einen Klassiker von italienischen Geigenbauern wie Michele Deconet oder Carlo Antonio Testore zulegen möchten. Bei Instrumenten aus dem zeitgenössischen Geigenbau liegen die Einstiegssummen etwas niedriger: Ab etwa 30.000 Euro geht es in diesem Segment los.
Das teuerste Instrument, das bisher den Besitzer wechselte, war die 1721 von Stradivari gefertigte Violine „Lady Blunt“. In einer Onlineversteigerung des Auktionshauses Tarisio im Sommer 2011 fie der virtuelle Hammer erst bei einem Gebot von 9,8 Millionen Pfund Sterling, damals umgerechnet gut elf Millionen Euro.
Doch nicht alle Instrumente steigen automatisch im Wert und eignen sich als Investment. Es zählt Klasse, nicht Masse. Der Bestand an erstklassigen Instrumenten ist knapp, weltweit fertigen Geigenbauer in diesem Segment nur vier bis sechs Geigen im Jahr.
Auch bei Violin Assets auf Schloss Bedburg steht potenziellen Investoren nur ein limitiertes Angebot zur Verfügung. „Wir haben zwar nicht Hunderte Kunden, aber die richtigen“, sagt Reister. Dennoch übersteige deren Nachfrage das Angebot.
Experte für Stradivari
Die laufenden Kosten für ein Streichinstrument sind vergleichsweise gering. Die Versicherung der Instrumente schlägt pro Jahr mit 0,3 bis 0,5 Prozent ihres Werts zu Buche. So fallen für eine 100 000 Euro teure Geige maximal 500 Euro Versicherungsgebühr an. Wird das Instrument einem Künstler überlassen, kann auch dieser die Versicherungsgebühr übernehmen. Hinzu kommen 200 Euro pro Inspektion, die alle sechs bis zwölf Monate ansteht. Das größte Risiko für Investoren in Streichinstrumente seien Fälschungen, sagt Thöne. Damit sie diesen nicht aufsit-zen, hat Violin Assets einen strengen Prüfungs- und Zertifizierungsprozess festgelegt. Es werden überhaupt nur Instrumente mit international anerkannten Expertisen in die engere Auswahl genommen. Seinen Kunden garantiert Violin Assets dafür Echtheit über ein Zertifikat.
Thöne handelt seit drei Jahrzehnten mit Streichinstrumenten in Deutschland und Italien. Der Spross einer Komponistenfamilie, selbst ausgebildeter Bratschist, veröffentlichte acht Bände über die Instrumente des italienischen Geigenbaumeisters Antonio Stradivari. Dafür hat er weltweit 300 Geigen, Celli und Bratschen aufgespürt und beschrieben. Erstmals über den Weg liefen sich die Thöne und Reister vor vier Jahren in Köln. Reister, der damals noch die Vermögen reicher Kunden beim Bankhaus Metzler in Frankfurt verwaltete, tauchte mit seiner Ehefrau im Geigengeschäft von Thöne auf. Während Reisters Gattin, eine erfolgreiche Geigensolistin, nach einem Instrument suchte, kamen Thöne und Reister ins Gespräch. Daraus entwickelte sich die Geschäftsidee, Investoren hochwertige Streichinstrumente als Wertanlage anzubieten. Die Partner ergänzen sich perfekt: Reister verfügt über ein dichtes Netzwerk in gut betuchten Kreisen, während Thöne zu den renommiertesten Kennern hochwertiger Streichinstrumente zählt.
Neben dem nötigen Kleingeld müssen Geigeninvestoren aber vor allem eines mitbringen: Geduld. Ein Anlagehorizont von fünf bis zehn Jahren ist gefragt, wenn die Rendite stimmen soll. Allein die Suche nach einem Käufer kann sich über Monate hinziehen. Im Schnitt dauert dieser Prozess ein Jahr. Die meisten Investoren von Violin Assets aber verschwenden ohnehin keinen Gedanken daran, ihr Instrument überhaupt jemals wieder zu verkaufen.
Von Nadja Abdallah.