Tichys Einblick
Abschiedstournee der Gemeinschaftswährung

James Dean am Euro-Steilufer des Tiber

Italien spielt ein Chicken-Game mit der EU. Und diese kann nur verlieren, weil sie von Hasenfüßen bestimmt wird.

© Vittorio Zunino Celotto/Getty Images

Kennen sie das Chicken-Game, im Deutschen auch bekannt als Hasenfußrennen? Nicht? Dann haben sie wohl noch nicht den James Dean Klassiker „Denn sie wissen nicht was sie tun“ gesehen. Das Spiel wurde in den 50er Jahren von Jugendlichen in Amerika erfunden. Die Deutschen konnten es nicht gewesen sein, denn da konnte Papa schon froh sein, wenn er einen Kabinenroller bezahlen konnte, geschweige denn ein Auto. Das Spiel gab es in mehreren Varianten. Die im Film ging so: Zwei Autos rasen auf eine Klippe zu, wer zuerst aus dem fahrenden Wagen springt und sich so rettet, ist das Chicken, das Hühnchen, der Feigling. Tock Tooooock!

Eigentlich wollte ich erst den Vergleich mit der Lage zwischen Rom und Brüssel „unwiderstehliche Kraft trifft auf unbewegliches Objekt“ wählen, aber dann wurde mir sehr schnell klar: So ist es garantiert nicht! Es gibt eine Kraft, die auf ein höchst bewegliches Objekt trifft.

Tschüss Maastricht, tschüss Stabilitätspakt. Wo ist eigentlich Schäuble? Italien hat einen Haushaltsplan vorgelegt, bei dem 2,4% Defizit geplant sind, womit klar ist, dass der Schuldenstand des Landes trotz künstlicher Nullzinsen weiter ansteigen wird. Ausgegeben werden soll es vor allem für soziale Wohltaten wie ein allgemeines Bürgereinkommen, das sich die Nordeuropäer schon lange nicht mehr leisten können dank der gigantischen Transfers in den Süden, die Herr Draghi über die Enteignung der Sparer organisiert.

Schwung in Italien
Die ersten 100 Tage des italienischen „Schreckgespenstes“
Dieses Chicken-Game also macht Italien gerade mit der Eurozone, wobei jetzt schon klar ist, dass der Hühnerstall in Brüssel, wahlweise in Frankfurt steht. Die neue Regierung ist fest entschlossen, den früher mal mit der EU und EZB vereinbarten Pfad der Austerität zu kippen, der das Land auf seinen 325 Jahre dauernden Pfad zurück in die Einhaltung der Maastricht Kriterien führen sollte. Der Herr Schäuble, der uns diese Neuerung vor ein paar Jahren als „Stabilitätspakt“ verkauft hat (das Ding klang schon damals nach Stahlpakt und war auch ungefähr genauso haltbar wie dieses rostige alte Ding) bekommt jetzt beim Italiener um die Ecke eben keine getrüffelten Tagliatelle mehr, sondern Arrabiata mit Reißzwecken. Extra scharf. Aber ich vergaß: Der gute ehemalige Finanzminister ist für die Sache ja nicht mehr zuständig, der kümmert sich jetzt lieber um den Erhalt des Rechtsstaats in Sachen Einwanderung.

Brüssel kann mit Dantes „Göttlicher Komödie“ nicht mithalten.

Trotzdem dürfen wir uns das alle amüsiert und frohen Mutes anschauen! Denn was da passiert, führt den Bürgern in ganz Europa mal wieder vor Augen, dass der Kampf um einen stabilen Euro verloren ist. Alles, was die politische Bühne dazu noch zu bieten hat, ist Schmierentheater. Es ist die Abschiedstournee des Euro.

Wir bekommen es serviert wie den 39. Aufguss von Bauer sucht Frau: Jeder ratlose Brüsseler Bürokrat murmelt vor den Kameras was in die Mikrofone auf eine Weise, wo man sofort sieht: „Die Botschaft ist eh egal. Wir wissen alle, wie das ausgeht. Schön, dass ich mal wieder vor den Kameras stehen darf. Ich bin der tollste. Und ach, liebe Italiener, übertreibts bitte nicht, ja? Tschüss.“

Salvini führt
Die Richtungsänderung in Italien ist weiter erfolgreich
Schauen wir uns unseren für die Sache zuständigen Währungskommissar Pierre Moscovici an, dem lebenden Beweis dafür, dass es auch ein Mafiaboss zum Polizeipräsidenten bringen kann. Hat er noch als französischer Finanzminister den Schuldenstand von 88 auf 96% des Bruttosozialproduktes hochgetrieben, sollte er dann als frisch ernannter „Währungskommissar“ genau denjenigen auf die Finger klopfen, die es ihm gleichtun wollen. Man hat den Bock zum Gärtner gemacht, mit Gehaltserhöhung und allem Brimborium, was die Brüsseler Spesenwirtschaft „zum fröhlichen Juncker“ so hergibt. Sein Kommentar war der Tagesschau unseres grandiosen öffentlich-rechtlichen Rundfunks immerhin den Satz wert: „Pierre Moscovici, EU Wirtschafts- und Währungskommissar, mahnte Italien zur Etatdisziplin.“ Kann man sich nicht ausdenken.

Wundert es da irgendjemanden, dass die zwei italienischen Vize-Premierminister Di Maio und Salvini das Wiener Liedgut pflegen? „Dra di net um, der Kommissar geht um, wenn er dich anschaut und du waast warum, sag ja, dein Leben bringt di um!“
Aus Paris, Berlin, Frankfurt: Donnerndes Schweigen.

Wer hat sich sonst noch schlau geäußert? Niemand in den europäischen Hauptstädten, wie es aussieht!

Paris: Dröhnendes Schweigen, weil man ja weiß, dass man im Glashaus sitzt, denn das Land lebt in bester Moscovici-Tradition beim Auftürmen weiterer neuer Schulden – und das in einer Phase, die uns die EZB seit 18 Monaten als gigantischen Aufschwung in Europa verkaufen will und es eigentlich leicht sein sollte, die Schulden zurückzufahren, noch dazu wenn man keine Zinsen zahlen muss.

Berlin: Komplette Leisetreterei von der Kanzlerin abwärts. Die Damen und Herren wissen, dass alles, was sie jetzt sagen, irgendwann gegen sie verwendet wird, nun, da sich herausstellt, dass alle Zusagen und Versprechungen als Gegenleistung für die gigantische Enteignung der nördlichen Euroländer durch die heimlich installierte Transferunion nur Schall und Rauch sind.

Frankfurt: Die EZB, soviel haben wir in den letzten Jahren gelernt, äußert sich nicht zu „hypothetischen Szenarien“. Geht schon deshalb nicht, weil die vollkommen ausgelastet sind damit, die Zinsen auf null zu halten.

Der Umbau des Euro ist fast abgeschlossen.

Und da sage noch mal einer, die Italiener könnten kein Chicken Game und wären Feiglinge. Die Brüsseler Budget-Wau-Waus werden also pflichtschuldigst ein bisschen meckern (Bock? Gärtner?), dann wird es als Sieg gefeiert, dass die Kollegen in Rom versprechen, dass das Defizit auf keinen Fall über 8% steigt und wir gehen zur Tagesordnung über. Die EZB darf dann ein paar Anleihen mehr aufkaufen, damit das alles auch ohne Akzeptanz der Märkte finanzierbar bleiben wird.

Die Stunde der Wahrheit für den Euro?
Italien als Achillesferse der Eurozone
Wenn dieser Testlauf absolviert ist, werden sich unsere kreativen Partner im Süden den nächsten Schritt ausdenken. Denn eines ist klar: Italien kann im Euro nur überleben, wenn er komplett nach dem Vorbild der Lira umgeformt wird. Und da gilt: Steter Tropfen höhlt den Stein. Und warum sind Salvini und Co. so viel besser in diesem Spiel? Weil sie bereit sind, das Auto über die Klippe zu schicken. Mit anderen Worten: Notfalls geht der Euro baden, weil die italienische Regierung entschieden hat, dass er entweder zum Instrument der Staatsfinanzierung gemacht wird, oder dass man ihn verlässt.

Wir sollten ihnen Option zwei zugestehen. Das wäre besser für alle Beteiligten, für Italien, für Deutschland und mit Sicherheit auch für Frankreich. Soweit wird es aber erst sein, wenn sichtbar wird, dass die Rettung der italienischen Banken im Euro nicht finanzierbar ist. Aber darüber reden wir später.

Ziemlich vernünftig, diese Italiener.


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