Tichys Einblick
Größter Verlierer Deutschland

IWF senkt Wachstumsprognosen – Ifo-Institut sieht Deutschland an der Schwelle zur Rezession

Die Stimmung der deutschen Wirtschaft bricht ein, der IWF sieht eine deutliche Wachstumsschwäche und senkt die Prognose für Deutschland deutlich ab. Rezession und gleichzeitig Inflation wären eine brisante Mischung.

IMAGO / Chris Emil Janßen

Das Ifo-Institut sieht Deutschland „an der Schwelle zur Rezession“. Grund sind die hohen Energiepreise und eine bedrohliche Gasknappheit. Eine Reihe von Frühindikatoren deuten auf eine wirtschaftliche Regression hin. Die miese Stimmung macht sich auch in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft bemerkbar; der ifo-Index fiel auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren; er rutschte von 92,2 Punkten im Vormonat auf 88,6 Punkte ab. Das Münchner Institut ermittelte den Wert zu seiner Umfrage unter etwa 9.000 Managern. Es ist der niedrigste Wert seit Juni 2020.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
„Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest die Lage. Die Rezessionswahrscheinlichkeit liegt der Umfrage zufolge bei 96 Prozent. Die Inflationsrate in Deutschland ist inzwischen wegen der Gaskrise und der anhaltenden Probleme in den Lieferketten auf 7,6 Prozent gestiegen. In der Industrie sei der Zukunftspessimismus so groß wie seit April 2020 nicht mehr, so Fuest in Tagesschau Online. „Das zieht sich nahezu durch alle Industriebranchen.“

Bei einem Gasstopp wäre die Rezession „unvermeidlich“. Bankvolkswirte kommentierten die ifo-Umfrage wenig hoffnungsvoll. Die Entwicklung sei wenig verwunderlich, meinte VP Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel. Auch wenn gegenwärtig Gas aus dem von Präsident Wladimir Putin regierten Russland in begrenztem Umfang fließe, hänge das Damoklesschwert „kompletter Gasstopp“ über dem Konjunkturausblick.

In den ersten drei Monaten des Jahres hatte das Bruttoinlandsprodukt nur noch um 0,2 Prozent im Vergleich zum Quartal davor zugelegt. Am Freitag gibt es neue Zahlen für das zweite Quartal. Doch wenn laut Ifo-Institut die Prognosen bei 96 Prozent für eine Rezession liegen, dürfte sich, selbst wenn das BIP um ein paar Basispunkte im Plus läge, die bitteren Aussichten für eine Rezession allenfalls nur in die Länge ziehen.

Habecks Spielzeugeisenbahn
Keine Solidarität in der EU in Sachen Gas mit Deutschland
Notenbanken wie die US-Zentralbank Federal Reserve sowie die Bank of England haben ihre Zinssätze bereits mehrfach angehoben. Auch am Mittwochabend steht eine erneute Zinserhöhung der Fed an. Nur die EZB plagt sich mit mageren Zinsschritten. Die europäische Notenbank hatte lange gezögert und erst in der vergangene Woche erstmals seit elf Jahren ihre Leitzinsen angehoben. Gründe für die verschleppte Entscheidung sind die hoch verschuldeten Staaten wie etwa Italien; das Land würde mit einer erneuten Zinserhöhung noch stärker unter Druck geraten, und es würde bei steigenden Zinsen wesentlich teurer, sich am Anleihemarkt neues Geld zu beschaffen.

Doch damit sind die Messen in den hochverschuldeten Euro-Staaten noch nicht gelesen. „Die EZB legt ein neues Instrument zur Krisenbewältigung auf, das in unbegrenztem Umfang Staatspapiere aufkaufen kann. Auch ein Ankauf von Wertpapieren des privaten Sektors ist nicht ausgeschlossen. Wieder steht der Vorwurf im Raum, die EZB betreibe durch TPI in Wahrheit direkte Staatsfinanzierung.“

Sendung 07. Juli 2022
Tichys Ausblick Talk: „Heißer Sommer, eisiger Herbst: Wie treffen uns Rezession, Inflation, Energiemangel?“
Für die deutsche Wirtschaft sind es mehrere Faktoren, die sich negativ auf die Unternehmensentwicklungen auswirken. Da ist zum einen die Möglichkeit einer Erdgaskrise, die sich bis zu einem Lieferstopp von Erdgas aus Russland ausweiten könnte, dazu kommen eine drohende Rezession und steigende Kapitalmarktzinsen.

Auch der IWF sieht die globale Wirtschaft kurz vor einer Rezession. Für 2022 und auch 2023 hatte der Währungsfonds reihenweise die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert. „Der Ausblick hat sich seit April erheblich verdüstert“, sagte IWF-Ökonom Pierre-Olivier Gourinchas.

„Der größte Verlierer unter den großen Wirtschaftsnationen ist Deutschland. Bereits in der Vorwoche wurde bekannt, dass die IWF-Ökonomen Deutschland im kommenden Jahr lediglich noch ein Wachstum von 0,8 Prozent zutrauen statt 2,7 Prozent, wie sie es in ihrem April-Ausblick der deutschen Wirtschaft noch zutrauten“, kommentiert die Welt. „Jetzt zeigt sich: Keine andere der großen Wirtschaftsnationen trifft die jüngste Entwicklung der Krise härter als Deutschland.“

Anzeige
Die mobile Version verlassen