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FUSSBALL-BUNDESLIGA

Investor Windhorst will Hertha BSC Berlin zum Spitzenclub machen

Weitere 150 Millionen Euro, insgesamt nun 374 Millionen hat Lars Windhorst auf verwirrenden Wegen in den Hauptstadtclub Hertha BSC Berlin gesteckt. Der soll nun zu den ganz Großen aufschließen, macht sich aber zugleich auch abhängig vom Willen eines Einzigen.

imago images / Matthias Koch

In den kommenden Jahren soll Hertha BSC Berlin zu den wichtigsten Fußballclubs in Europa gehören. Das ist das große Ziel des Unternehmers Lars Windhorst, der mit seiner Tennor Group jetzt nochmals in den Hauptstadtverein investiert hat. Bisher hat der 43-jährige mehr als 374 Millionen Euro bereitgestellt, um den Verein als “Big City Club” zu etablieren.

Im vergangenen Jahr sorgte Hertha BSC Berlin endlich mal für Aufregung. Der Bundesligist aus der deutschen Hauptstadt wurde als neues Projekt von Lars Windhorst auserkoren. Mit 224 Millionen Euro hatte sich der 43-jährige Unternehmer einen 49,9%-Anteil an der Hertha BSC GmbH & Co KGaA gekauft und ließ verlauten, dass dieses Engagement keineswegs kurzfristig gedacht sei, sondern für einen Zeitraum von mehreren Dutzend Jahren. Mit der Tennor Group, bei der Windhorst als “ultimate beneficial owner” gelistet ist, haben die Berliner finanziell neue Dimensionen erreicht, sich aber auch abhängig von einer Person gemacht. Im Fußball-Sprech nennt man das “vertrauensvolle Zusammenarbeit” oder “gemeinsame Zukunft” entwickeln. Dass Windhorst zum Traditionsclub steht, beweist die Tatsache, dass er nun weitere 150 Millionen Euro bereitgestellt hat. 50 Millionen werden sofort für Transfers bereitgestellt, weitere 100 Millionen sollen dann im Herbst erfolgen. 

Ziele von Lars Windhorst sind unklar

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Doch wie ernst meint es Lars Windhorst mit der Investition? Sicherlich ist die Marke Hertha BSC Berlin ein Versprechen für die Zukunft, wenn man den Standort und die Zuschauerzahlen anschaut, doch außerhalb von Berlin-Charlottenburg und dem Westen Brandenburgs gibt es kaum Fans der alten Dame aus dem Olympiastadion. Welche Ziele verfolgt die Tennor Group und welche Rechte und Pflichten werden damit aufgerufen? Diese Fragen wollen weder die Hertha, noch der Investor beantworten. Transparenz geht anders. Bei anderen Clubs aus der Bundesliga sind die Rollen klar verteilt. Volkswagen unterstützt mit geschätzten 30 bis 40 Millionen Euro pro Saison den VfL Wolfsburg, Bayer überweist jährlich geschätzte 25 Millionen an den Völler-Club Leverkusen und Red Bull übernimmt gleich den kompletten Fußballclub in Leipzig.

Lars Windhorst betont seit Bekanntgabe der Liason, dass er keinerlei Einfluß auf das sportliche Geschehen haben werde, doch hat er im Hintergrund unmittelbar dafür gesorgt, dass die sportliche Leitung Probleme bekam. Er setzte Jürgen Klinsmann zuerst in den Aufsichtsrat und staunte dann ohnmächtig, dass der ehemalige Bundestrainer als Chefcoach kein Fettnäpfchen ausließ, um aus der Hertha eine Lachfigur zu machen. Der Schwabe zeigte der Welt schnell, dass er den “Big City Club” als Türöffner für bessere Engagements in Europa missbrauchte und verschwand via Facebook über die Hintertür wieder in die Wahlheimat Kalifornien.

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Lars Windhorst moderierte den etwas anderen Abgang professionell und ließ verlauten, dass seine Pläne in Berlin nicht abhängig von einer schillernden Figur wie Klinsmann seien. Er präsentierte ein paar Wochen später den weniger egozentrischen Jens Lehmann als neuen Repräsentanten der Tennor Group im Aufsichtsrat der Hertha. Es ist genau Lehmann, der sich im Sommer 2008 als neuer Keeper des VfB Stuttgart einen Namen machte, weil er sich fast täglich mit einem Helikopter vom Starnberger See an die Cannstatter Wasen zum Training kutschieren ließ und in den vergangenen Wochen und Monaten des öfteren in verbale Fettnäpfchen getreten ist. Doch Lars Windhorst wird es egal sein. Er will Big City in Berlin und kümmert sich weiter um den Ausbau seines Firmen-Wirrwarrs, das in der ganzen Welt zuhause ist. Der Tennor Holding gehören unter anderem der Dessous-Produzent La Perla, die Flensburger Schiffswerft FSG und Teile der Wild Bunch AG. Außerdem gehören ein paar Unternehmen mit Firmensitz am Amsterdamer Flughafen Schiphol dazu und noch weitere Unternehmen auf den Kanalinseln – bekannt als Steueroasen mit mehr Briefkästen als Einwohnern. Windhorsts Reich wird auch in Luxemburg und der Schweiz erweitert. 

Wer das alles für dubios hält, mag sich das Transparenzregister der Bundesrepublik Deutschland anschauen. Demnach hält die Peil P.V. 49,9% der Aktien von Hertha BSC Berlin. Dieser Trust gehört zur Allto Trust mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey. Dessen Kapitalgeber ist die Serene Holdings Ltd. mit Firmensitz auf der Nachbarinsel Guernsey und 100% der Anteile an diesem Unternehmen gehören Lars Windhorst.

Wo das neue Geld für die Hertha herkommt, interessiert rund um das Berliner Olympiastadion anscheinend nicht. Doch schrillen bei vielen Fußballfans die Alarmglocken. Übernahmen von Konsortien, Unternehmen aus den USA, den Emiraten, Russland oder China sind beispielsweise in England oder Italien an der Tagesordnung, doch haben sie erheblichen Imageschaden angerichtet. Nicht zuletzt mit der Coronakrise und dem weltweiten Wirtschaftscrash werden Millioneninvestitionen noch mehr hinterfragt, der Sinn und Nutzen gesucht.

Momentan lenken noch die Probleme mit dem Olympiastadion und der schlechte Tabellenplatz in der Bundesliga von den verschlungenen Millionen Windhorsts ab, aber sie werden zum Thema werden, wenn weitere Gelder aus Steueroasen der Welt in die Hertha-Schatulle fließen. Spätestens dann, wenn das Konstrukt der Tennor Group in Schieflage kommen sollte. 

Die schlechten Erfahrungen von Tennis Borussia Berlin 

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Schon vor mehr als 25 Jahren versuchte ein anderer Hauptstadtclub ganz groß rauszukommen. Jack White, damals ein angesagter Musikproduzent, hatte als Präsident und Mäzen Tennis Borussia Berlin krachend an die Wand gefahren und acht Millionen D-Mark Schulden hinterlassen. Der niedersächsische Finanzdienstleister “Göttinger Gruppe” übernahm und wollte TeBe von der Regionalliga in den Europapokal führen. Damals ein tollkühner Plan: Alle Inves­ti­tionen dienten einzig allein dem Zweck, den Verein inter­na­tio­nal zu etablieren, um dann die ent­spre­chenden Gewinne aus europäischen Wettbewerben abzu­schöpfen. Kurzerhand wurde der Clubvorstand durch führende Mitarbeiter der “Göttinger Gruppe” ersetzt. In Fußball-Deutschland sahen die Fans so etwas wie einen Vorläufer des Red Bull-Imperiums aufkommen. TeBe war darum unbeliebt und warf das Geld aus dem Fenster hinaus. Der sportliche Erfolg kam zwar bald:1998 gelang der Aufstieg in die 2. Bundesliga, aber nicht der in die erste Liga. Doch die Göttinger Finanzjongleure wollte mehr. Sie gliederten die Lizenzmannschaft aus dem Verein aus und in eine KGaA ein. Heute normal, 1999 war es ein Tabubruch.

Der Zweitliga-Kader von TeBe war nun gespickt mit Bundesliga-Helden wie Sergej Kiriakov (KSC), Uwe Rösler (Dynamo Dresden, Kaiserslautern oder Manchester City), Bruno Akrapovic (Mainz 05) oder Francisco Copado (HSV). Doch die hochbezahlten Stars unter Star-Trainer Winnie Schäfer floppten allesamt und befanden sich mit ihren sechsstelligen Monatsbezügen im Abstiegskampf wieder. Und dann kam es auch noch zum großen Knall bei der Göttinger Gruppe. Der Vorwurf: Anlagebetrug in mehreren Fällen. Der DFB forderte daraufhin eine Bürgschaft in Millionenhöhe, um den Lila-Weißen die Lizenz für eine weitere Profisaison erteilen zu können. Es fand sich auch eine Bank, die bürgen wollte. Leider war es eine, die der Göttinger Gruppe selbst gehörte und dieses Spiel machte der DFB nicht mit. Das Projekt “Big City Club 1.0” war somit gescheitert und die Starkicker verabschiedeten sich aus dem maroden Mommsenstadion unterhalb des Messeturms und unweit des Berliner Olympiastadions. TeBe versank wieder in der Regionalliga Nordost und später sogar in die Berlin-Liga. 

Heute träumt der Traditionsclub wieder von der großen Fußball-Bühne. Meister der Oberliga Nordost-Nord und nun der Aufstieg in die Regionalliga Nordost. Für TeBe ist es nach 10 Jahren Ober- und Berlin-Liga das Nonplusultra. Im Gegensatz zur Hertha will man bei TeBe keinen Einstieg eines Investors mehr, keine Leiden und keine Abhängigkeit. Die zahlreichen Fußballfans in der deutschen Hauptstadt werden hoffen, dass Hertha BSC Berlin die Geschichte der Tennis Borussia kennt und daraus Lehren gezogen hat.

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