„In Deutschland wird schon seit vielen Jahrzehnten deutlich zu wenig in die öffentliche Infrastruktur investiert“, bringt es das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf den Punkt. „In einigen Bereichen, insbesondere beim Aus- und Umbau der Strom-, Gas- und Wasserstoffnetze und der digitalen Infrastruktur, sind große Anstrengungen notwendig, um die Herausforderungen der Energiewende und der digitalen Revolution zu meistern. Um dies zu erreichen, ist eine Erhöhung der Mittel für öffentliche Investitionen notwendig.“ Das Gutachten stammt zwar aus dem Jahr 2020, ist aber immer noch Stand der Dinge im Jahr 2021. Seit Jahren hat sich an der Zustandsbeschreibung nichts geändert.
Beispiel digitale Wettbewerbsfähigkeit
Im Digitalreport 2020 des European Center for Digital Competitiveness (ECDC) heißt es: „Während Länder wie Schweden, Singapur aber auch China und die USA Technologie und Digitalisierung auch politisch fördern, ist in Deutschland kein überzeugendes Konzept erkennbar. Und das, obwohl die Zeit drängt.“ Laut ECDC verlor die Republik im Jahr 2021 weiter an Boden. Es reicht offenbar nur für den vorletzten Platz in ganz Europa. Auf dem letzten Platz liegt nur noch Albanien. Auch innerhalb der G7 sieht es nicht besser aus: Deutschland liegt unter den G7-Staaten auf dem sechsten Platz, damit also unter den Schlusslichtern; auf Platz 1, 2 und 3 machen Canada, Italien und Frankreich das Rennen. Innerhalb der G20 liegen wir auf dem 17. Platz. Auf den ersten Plätzen liegen China, Saudi-Arabien und Brasilien.
Zwischen den Gesundheitsämtern und dem RKI werden „Corona-Zahlen“ per Fax übermittelt. Bei der Flut an Ahr und Erft wurde statt auf Warn-Apps auf Sirenen gesetzt, aber die blieben stumm.
Und wie sieht es mit der Breitbandversorgung aus? Bereits im Koalitionsvertrag 2013 hieß es: Schnelles Internet für alle! „Union und SPD [streben] deshalb eine flächendeckende Breitbandversorgung mit Geschwindigkeiten von mindestens 50 Mbit/s bis 2018 an.“ Inzwischen schreiben wir das Jahr 2021. Von einer flächendeckenden Breitbandversorgung kann keine Rede sein. Die Koalition fokussierte ab Herbst 2015 andere Prioritäten, als eine flächendeckende Breitbandversorgung voranzutreiben.
Beispiel Mobiles Internet
Noch immer hinken wir beim Ausbau des 4G-Mobilfunknetzes hinterher, während in Südkorea schon die Ära für 5G für Smartphone-Nutzer beginnt.
Beispiel Autobahnen/Brücken/Schienennetz
Für den Schwerverkehr sind wichtige Autobahnbrücken schon jetzt nicht oder nur eingeschränkt nutzbar. Bis 2030 wird der Verkehr auf Straßen und Autobahnen um 30 bis 40 Prozent zunehmen, mit Schwerpunkt LKW-Verkehr. Zwar schreibt sich das Bundesverkehrsministerium auf die Fahnen, das Volumen der Logistik über die Schiene solle sich vom Stand 2021 bis 2030 verdoppeln, doch ein Drittel der Brücken, über die die Züge brettern, sind mehr als 100 Jahre alt.
Im Sommer traf es die Salzbachtalbrücke: Die Fahrbahn der viel befahrenen Route im Rhein-Main-Gebiet nahe Wiesbaden war um dreißig Zentimeter abgesackt. Nichts mehr zu machen. Die Brücke muss gesprengt werden.
Stephan Krenz, Geschäftsführer der bundeseigenen Autobahn GmbH, sagt: „Rund 3000 Brücken weisen einen ungenügenden Zustand auf“. Nach Routinechecks heißt es oft: nichts geht mehr. Viele Brücken sind zu kaputt.
Verzögerungen von über 20 Jahren gibt es bei der TEN-Strecke: (TEN – englisch: Trans-European Networks.) Ein anschauliches Beispiel bietet der Ausbau des Schienennetzes zwischen Italien und den niederländischen Häfen. Hier hakt es seit langem auf der deutschen Seite. Vor allem in der Güterverkehrsbranche wird der mehrgleisige Ausbau dieser TEN-Strecke herbeigesehnt. Auf der Schweizer Seite ist man seit 2016 mit dem Bau des Gotthard-Tunnels bereits fertig. „Die Schweizer schütteln schon seit Jahren über uns den Kopf. Sie verstehen das überhaupt nicht, dass sie für viele Milliarden einen Tunnel durch die Alpen fristgerecht bohren, mit Milliardenaufwand. Und wir hinken oberirdisch Jahrzehnte hinterher. Das ist im Ausland nur schwer zu vermitteln“, sagt Martin Henke vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Auf der Neu- und Ausbaustrecke zwischen Karlsruhe und Basel stürzte 2017 in Rastatt ein Tunnel ein. Nach Stand der Dinge soll der Tunnel nun 2024 fertig sein. „Die Niederländer sind zwischen Rotterdam und der deutschen Grenze fertig. Dann hört es an der Grenze schlagartig auf“, so Hanke weiter.
Last, but not least:
Beispiel BER – Flughafen Berlin Brandenburg
Mitte Oktober rüstete sich der „Fluchhafen“ wegen der Berliner und Brandenburger Herbstferien für einen Ansturm. Aus Kostengründen gibt es seit Eröffnung nur einen Terminal. Wegen der Kontrolle der Corona-Zertifikate gab es entsprechend zeitaufwändige Kontrollen, und so wurden die Passagiere von der Lufthansa gebeten, vier Stunden vor dem Abflug zu erscheinen. Das wurde zwar wieder zurückgenommen, doch die Betreiber sorgten für Hohn und Spott mit ihrem Hinweis, das Gepäck könne ja auch am Vortag abgegeben werden.
Nun hat der Flughafen die Steuerzahler sechs Milliarden Euro gekostet, andere Quellen sprechen von sieben Milliarden Euro. Mit dem Bau begonnen wurde 2006, geschlagene 14 Jahre später wurde er eröffnet. (Zum Vergleich: der Flughafen in Istanbul benötigte vier Jahre Bauzeit.) Und seit dem Frühjahr 2021 ist bekannt, der Hauptstadtflughafen braucht weitere 1,9 Milliarden Euro Staatshilfe, sprich Steuergelder, um in den nächsten Jahren über die Runden zu kommen.
Erneut in die Schlagzeilen geriet der BER, als Anfang November bekannt wurde, dass das Trinkwasser mit Kolibakterien verunreinigt ist. Es war die Rede von überquellenden Mülltonnen, kaputten Bodenfliesen, verschmutzten Toiletten oder defekten Rolltreppen und Aufzügen, wie Focus Online berichtete. Der BER scheint nach gut einem Jahr Betriebszeit schon ein Sanierungsfall zu sein.