Die Stimmung der deutschen Verbraucher erreichte schon im Juli einen historischen Tiefpunkt. Für August prognostiziert die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) trotzdem eine abermalige Verschlechterung des Konsumklimas – auf minus 30,6 Punkte, also noch einmal 2,9 Punkte unter dem Wert für Juli. Seit Beginn der Verbraucherstimmungs-Erhebung im Jahr 1991 hatte die GfK keinen tieferen Wert gemessen.
Auch die Einkommenserwartung der Deutschen stürzten auf den pessimistischsten Stand seit 1991. Der Index verlor laut GfK allein im Juli 12,2 Zähler und fiel auf einen Stand von minus 45,7 Punkten. Die Inflation von etwa 8 Prozent, die beginnende Rezession und vor allem der Blick auf die unkalkulierbar steigenden Gas- und Strompreise führt offenbar bei sehr vielen Verbrauchern quer durch die Einkommensschichten dazu, dass sie für die nahe Zukunft mit einem deutlich geringeren finanziellen Spielraum rechnen, und deshalb jetzt schon viele Anschaffungen verschieben – oder ganz verzichten.
Laut GfK-Erhebung erwarten die meisten Verbraucher für die kommenden Monate keine Verbesserung der allgemeinen Wirtschaftslage. Ihre Konjunkturerwartungen gingen im Juli gegenüber dem Vormonat noch einmal um 6,5 Punkte zurück – auf einen Gesamtwert von minus 18,2 Punkte. Das markiert den tiefsten Stand seit April 2020, als in Deutschland der erste Corona-Lockdown begann.
Die Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung die schlechte Stimmung bekämpfen will, konnten also bisher wenig an der Einschätzung der meisten Bürger zur eigenen Situation und der Wirtschaftslage ändern – auch nicht die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Koalition werde niemand mit den Belastungen durch die Energiekrise allein lassen („You never walk alone“). Nach Schätzungen von Experten muss eine vierköpfige Familie allein für 2022 mit Mehrkosten für Wärme und Strom von 3000 Euro und mehr rechnen. Realistischerweise nehmen die meisten Deutschen an, dass der Staat diese Belastungen nicht kompensieren kann.
Am deutlichsten zeigt sich der rasante Abschwung der Anschaffungslaune beim Neubau von Wohnungen. Angesichts von stark steigenden Kosten und deutlich höheren Bauzinsen, aber auch wegen der wachsenden wirtschaftlichen Unsicherheit geben viele ihr Bauvorhaben auf – von einzelnen Häuslebauern bis zu Unternehmen. Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) sieht im Juli 2022 eine massive Abwärtsbewegung. “Der Wohnungsneubau bricht massiv ein. Die Mehrzahl der Unternehmen stellt ihre geplanten Projekte zurück oder hat sie bereits ganz aufgegeben. Das ist keine Delle beim Neubau, das ist die Vollbremsung einer ganzen Branche“, so BFW-Präsident Dirk Salewski.
Siebzig Prozent der befragten Unternehmen, so der Branchenverband, hätten angegeben, sie würden die Hälfte ihrer geplanten Projekte unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht mehr realisieren. Deutschlandweit bedeute das einen Rückgang zwischen 50.000 und 75.000 Wohnungen beim Neubau.
Für diejenigen, die ohnehin skeptisch in die nähere Zukunft blicken, dürfte die aktuelle Steuerdiskussion innerhalb der Koalition die Stimmung noch zusätzlich drücken. Die Grünen stellen den für 2023 in Aussicht gestellten Abbau der sogenannten kalten Progression in Frage, der Bezieher mittlerer Einkommen immerhin um wenige hundert Euro im Jahr entlasten würde. Das Argument von führenden Grünen, etwa von Vize-Fraktionschef Andreas Audretsch: Das würde Spitzenverdiener zu sehr begünstigen – und wäre deshalb ungerecht.