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Immer weiter auf Talfahrt – deutsche Wirtschaft rutscht in den „rezessiven Bereich“

Wirtschaftsinstitute senken ihre Prognosen. Konjunktur-Fachleute erwarten eine Stagnation der deutschen Wirtschaft für das Jahr 2024. Diese bleibt hinter der Eurozone zurück, die Insolvenzen steigen unaufhörlich.

picture alliance / CHROMORANGE | Christian Ohde

Der Ifo-Geschäftsklima-Index gilt allgemein als ein Stimmungsbarometer für den Zustand der deutschen Wirtschaft. Nun ist der Index zum vierten Mal in Folge auf einen Tiefstand gesunken. Die Zahlen belegen: Das Geschäftsklima liegt bei 85,4 Punkten, die Geschäftslage bei 84,4 und die Geschäftserwartungen bei 86,3 Punkten. Zum Vergleich: Im Juni 2021 lagen alle drei Werte bei oder über 100 Punkten. Offenbar beurteilen alle Sektoren, wie das verarbeitende Gewerbe, aber auch Handel und Dienstleister, ihre Lage erneut negativ – auch was ihre Erwartungen betrifft.

Dazu kommt eine große Investitions-Zurückhaltung der Unternehmen. Vor allem die Investitionsgüter-Industrie sagt: Wir haben keine Aufträge. Wir arbeiten teilweise noch Aufträge ab, aber es kommt nichts Neues rein. „Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise fest“.

Auch der Einkaufsmanager-Index für die Industrie und Dienstleister stürzt im September ab und fällt in den „rezessiven Bereich“, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Montag in seiner monatlichen Unternehmensumfrage mitteilte. Der Index zeigte nun ebenfalls einen weiteren Rückgang, auf 47,2 Zähler. Ein Wert unter 50 Punkten signalisiert eine Rezession. „Die deutsche Privatwirtschaft ist im September noch tiefer in den rezessiven Bereich abgesackt und so stark geschrumpft wie seit sieben Monaten nicht mehr“, lautet das Fazit.

Laut dem Handelsblatt kommt die deutsche Wirtschaft nicht in Schwung; im Gegenteil. Die Institute senken ihre Prognosen. Das Bruttoinlandsprodukt wird das zweite Jahr in Folge sinken. Für 2025 kappen sie ihre Vorhersage auf 0,8 Prozent. Im März waren sie noch von einem Plus von 1,4 Prozent ausgegangen. Aus dem „grünen Wirtschaftswunder“ und dem Gesundbeten der aktuellen Lage wird also nichts werden – selbst wenn die Ursachen der Wirtschaftskrise, wie vernachlässigte Investitionen in die Infrastruktur, vielfältig sind.

„Deutsche Wirtschaft bleibt hinter Eurozone zurück“

Deutlicher wird das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, das eine Stagnation erwartet. „Deutsche Wirtschaft bleibt hinter Eurozone zurück“, heißt es dort. Die Konjunktur-Fachleute erwarten eine Stagnation der deutschen Wirtschaft für das Jahr 2024, nachdem das reale BIP im zweiten Quartal geschrumpft ist und rückläufige Investitionen als Hauptursache identifiziert wurden. Im Vergleich dazu wird für das Eurogebiet ein moderates Wachstum erwartet, wobei die deutsche Wirtschaft sowohl bei den aktuellen als auch den prognostizierten Wachstumsprognosen hinter dem Durchschnitt des Euroraums zurückbleibt. Die Wachstumserwartungen für das Jahr 2024 liegen bei einem Wert von 0,8 Prozent. Für das Jahr 2025 wird im Eurogebiet ein Wirtschaftswachstum in Höhe von 1,4 Prozent erwartet.

Insolvenzen steigen unaufhörlich

Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts im August 2024 um 10,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Mit Ausnahme des Juni 2024 (+6,3 Prozent) liegt die Zuwachsrate damit seit Juni 2023 im zweistelligen Bereich.

Darstellung der neuerlichen Insolvenzen (kein Anspruch auf Vollständigkeit)

3.800 Mitarbeiter betroffen – Autozulieferer WKW ist insolvent
Die Walter Klein GmbH & Co. KG sowie die WKW Aktiengesellschaft haben einen Insolvenzantrag gestellt. WKW produziert insbesondere Zierleisten, aber auch Funktionsbauteile, Dachrelingsysteme, Wärmetauschrohre für Pkw-Klimaanlagen sowie Aluminiumprofile für Industrieanwendungen. Speziell VW, BMW und Mercedes setzten häufig auf Produkte des Unternehmens aus Wuppertal. Das Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben 3.800 Mitarbeiter, den Großteil an den Standorten Velbert und Wuppertal. 2022 erzielte es einen Umsatz von 591 Millionen.

Deutsche Firma für Medizintechnik meldet Insolvenz an
Seit 1990 produziert die Firma Brecht GmbH Spezialteile aus Metall und Kunststoff für Kunden im Maschinenbau, in der Messtechnik und seit einigen Jahren auch in der Medizintechnik. Jetzt ist der mittelständische Betrieb im baden-württembergischen Wannweil in Schieflage geraten und hat Insolvenz angemeldet, wie der „Reutlinger Generalanzeiger“ berichtet.

Kunststoff-Branche
Die Engelskinder-Plastikwerk Gesellschaft mbH in Algertshausen bei Aichach hat die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Im Zuge dessen bestellte das Amtsgericht Augsburg am 23. September 2024 Rechtsanwalt Michael Verken von der Kanzlei Anchor zum vorläufigen Insolvenzverwalter.

Die Peter Brehm Kunststoff Spritzguß- und Formenbau GmbH aus Remshalden hat die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Im Zuge dessen bestellte das Amtsgericht Stuttgart am 11. September 2024 den Rechtsanwalt Holger Blümle vom Stuttgarter Büro der Kanzlei Schultze & Braun zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Weitere aktuelle Insolvenzbekanntmachungen aus der Kunststoff-Branche.

Autozulieferer
Fast zeitgleich mit dem von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einberufenen Autogipfel kündigte der Autozulieferer Schuler aus Baden-Württemberg die Schließung des Standorts Weingarten an. Auch die Produktion in Erfurt steht zum Verkauf, während die Produktion in Gemmingen beendet wird. Durch die Schließung des Standorts Weingarten und den Wegfall der Produktion bei anderen Standorten fallen etwa 500 Stellen weg.

Maschinenbauer
Der traditionsreiche Maschinenbauer J.G. Weisser Söhne GmbH aus Baden-Württemberg hat Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Die Produktion läuft weiter, doch die 340 Mitarbeiter fürchten um ihren Arbeitsplatz. Die Firma ist ein Anbieter von Komplettlösungen für hochpräzise Drehmaschinen sowie Automatisierungslösungen und beliefert unter anderem die Automobilindustrie.

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