Jetzt rollen bei Boeing Köpfe. Der Chef des amerikanischen Flugzeugherstellers, Dennis Muilenburg, ist von seinem Amt mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Der Vorstand beschloss, dass »ein Führungswechsel notwendig sei, um das Vertrauen in das Unternehmen wieder herzustellen.«
Der Chef des Verwaltungsrats, David Calhoun, soll sein Nachfolger werden. Damit zieht Boeing personelle Konsequenzen aus dem größten Desaster der über 100-jährigen Geschichte des Unternehmens. Zwei Flugzeuge des Typs 737 Max stürzten 2018 und 2019 fast vollbesetzt ab und forderten insgesamt 346 Todesopfer. Die Flugsicherheitsbehörde FAA »groundete« nach diesen beiden Abstürzen die komplette Serie vom Typ 737 Max.
Die 737 Max sollte Nachfolger von Boeings Cashcow 737 werden. Boeing verzichtete aus Zeitgründen auf eine komplette Neuentwicklung, sondern modifizierte die alte 737, damit sie leistungsfähiger und sparsamer wurde. Doch sie wies erhebliche Mängel auf, die auch bei der Zulassung ignoriert wurden.
Ab Januar ruht die Produktion. Entlassungen soll es nicht geben, betont Boeing, die betroffenen Mitarbeiter werden teilweise woanders eingesetzt. Sie kümmern sich auch um die rund 400 bereits fertig gestellten 737 Max, die auf allen zur Verfügung stehenden Flächen geparkt wurden und halten sie bei Laune. Denn die sind nicht dafür gebaut, um irgendwo herumzustehen. Die Technik, vor allem Hydraulikleitungen und Schläuche leiden unter Stillstand.
Das ist für Boeing der wirtschaftliche GAU. Fertige Flugzeuge im Wert von 48 Milliarden Dollar Listenpreis stehen herum und können nicht verkauft werden.
Das 737 Max Desaster ist nicht nur ein GAU für Boeing, sondern auch für viele Luftfahrtgesellschaften. Airlines wie Ryanair betreiben eine Monokultur mit Flugzeugen des Typs 737. Sie sparen dadurch Geld, die Piloten sind auf allen Maschinen der Airline einsetzbar, die Wartung ist weniger aufwendig und gegenüber dem Flugzeughersteller lassen sich bei großen Abnahmemengen mehr Rabatte durchsetzen. Doch jetzt gerät Ryanair in Nöte, sie bekommen dringend benötigte neue Flugzeuge nicht und musste schon Flüge streichen.
Sollte eines Tages tatsächlich die Freigabe für die 737 Max erteilt werden, dürfte infrage stehen, wer in ein solches Flugzeug einsteigt. Zu groß ist der Reputationsverlust. US-Präsident Trump riet bekanntlich dem ungeliebten Boeing Ex-CEO, das Flugzeug müsse vollkommen neu aufgestellt werden, vor allem einen neuen Namen bekommen.
In der Kritik steht auch die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA. Sie soll mit Boeing gekungelt und das Flugverbot zu spät ausgesprochen haben. Eine Untersuchungskommission wirft der Behörde zudem vor, dass nicht alle Mitarbeiter genügend Erfahrung und Fachkenntnisse für ihre Arbeit aufwiesen.
Noch hat die FAA nicht durchblicken lassen, ob und wann sie eine Betriebserlaubnis erteilen werde. Die FAA dürfte jetzt in einer Gegenreaktion doppelt und dreifach genau hinsehen.
Eine interessante Frage wirft Miranda Devine auf. In der konservativen New Yorker Boulevardzeitung New York Post fragte die australische Kolumnistin vor kurzem, ob nicht der Öko-Wahnsinn mit ein Grund für katastrophalen Sicherheitsprobleme bei der Boeing 737 MAX gewesen sei. Der Flugverkehr, der für zwei Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich ist, sei bekanntlich zum großen Buhmann der Klima-Alarmisten geworden, führt sie an und verweist auf die Reaktion der Fluggesellschaften.
Die müssen nach außen hin immer »grüner« erscheinen, mehr Bäume pflanzen und weniger Treibstoff verbrauchen. Devine: »Niemand hat es bisher explizit gesagt, aber dieser unerbittliche Druck, die Emissionen zu reduzieren, scheint ein wesentlicher Faktor für die katastrophalen Sicherheitsmängel der Boeing 737 MAX gewesen zu sein.«
Immerhin wurde die 737 MAX als »Boeing’s game changer« angepriesen, mit der die Luftfahrt endgültig umweltfreundlich werde und so viel weniger an CO2 ausblase, dass die Welt fast gerettet erscheine.
Die Lösung der Motorenbauer: noch mehr die Druckverhältnisse und Verbrennungstemperaturen in der Brennkammer der Turbine und damit auch die Effizienz erhöhen. Äußeres Zeichen: jene überdimensionalen Fanschaufeln an der Eingangsseite der Turbinen, die möglichst viel Luft verdichten und in das Triebwerk pressen sollen. Die Luft strömt mit einer Temperatur von rund 600 Grad in die Brennkammer. Bei der Verbrennung steigen die Temperaturen auf über 2.200 Grad. So dehnt sich das Gas extrem aus und sorgt für einen wirkungsvollen Vortrieb.
Doch selbst Superlegierungen aus Nickel-Chrom-Molybdän würden diesen Temperaturen nicht mehr standhalten. Die Turbinenblätter vor allem der ersten Turbinenstufe hinter der Brennkammer, auf die die extrem heißen Gase direkt auftreffen, sind zusätzlich mit Keramikmaterialien beschichtet und werden aktiv gekühlt. Aus hauchfeinen Düsen in den Schaufeln tritt ein kühlender Luftstrom aus, der einen dünnen Luftfilm über die Blätter legt, so dass die heißen Gase die Turbinenblätter nicht berühren. Ohne diese Kühlung würden die Blätter schmelzen.
»Doch um das grüne Ziel zu erreichen, musste Boeing viel größere Triebwerke einsetzen, die nicht in die übliche Position unter die Flügel der umgestalteten, 53 Jahre alten 737-Konstruktion passten. Die Triebwerke mussten nach vorne verlegt und höher gehoben werden.
Dadurch änderte sich die Aerodynamik und die Flugzeuge neigten beim Start zum Nicken und zum möglichen Strömungsabriss. Die Lösung von Boeing für diesen Hardware-Defekt war eine unvollkommene Software, die das Nicken automatisch korrigieren sollte.«
»Um das Fiasko der 737 MAX zu verstehen«, beschreibt Devine die Hintergründe der Entscheidung Boeings, »muss man bis ins Jahr 2011 zurückgehen, als Boeing durch den emissionsarmen Airbus A320neo, der unter den strengen neuen europäischen Luftfahrt-Klimavorschriften entwickelt worden war, vor einer existenziellen Herausforderung stand.«
American Airlines, ein exklusiver Kunde von Boeing, drohte mit dem Überlaufen zur Konkurrenz A320neo, wie die New York Times berichtete. Drei Monate später kündigte Boeing die 737 MAX an.
Der Öko-Imperativ für Boeing war mehr als nur eine Haltungsfrage. Die Kunden, die Fluggesellschaften, forderten aufgrund von Vorschriften und zunehmenden Bedrohungen durch klimabewusste institutionelle Investoren eine bessere Umweltleistung. Biokraftstoffe und Elektroflugzeuge sind noch nicht realisierbar, so dass Treibstoffeffizienz die einzige Option war.
Gefährlicher Ökodruck auf die Hersteller
Während sich der Flugverkehr der Aufnahme in das Pariser Klimaabkommen von 2015 entzog, verpflichtete die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation der Vereinten Nationen im darauf folgenden Jahr 191 Mitgliedsstaaten, den CO2-Ausstoß bis 2050 um kolossale 50 Prozent zu reduzieren oder zwei Prozent der Einnahmen durch den Kauf von Kompensationen zu erzielen.
Mit anderen Worten: Die Fluggesellschaften müssen für das Pflanzen von Bäumen zahlen, um die Emissionsminderungsziele zu erfüllen. Damit kaufen sie Deckungsschutz, um die Branche auszubauen.
Die Notwendigkeit der Dekarbonisierung war für Boeing klar. Fluggesellschaften wie United, die geschworen haben, „die umweltbewussteste Fluggesellschaft der Welt” zu werden, haben sich beeilt, die 737 MAX zu kaufen. So auch American Airlines, deren CEO sich rühmte: „Wir sind im Moment viel umweltfreundlicher als United Airlines, weil wir in treibstoffeffizientere Flugzeuge investiert haben”.
Devine beschreibt den Ökodruck weiter, der auf den Herstellern lastet: »Der Bericht Build Something Cleaner aus dem Jahr 2018 zeigte die 737 MAX auf dem Cover und prahlte damit, dass das Flugzeug 305.040 Tonnen CO2 weniger ausstoßen und mehr als 215 Millionen Pfund Treibstoff pro Jahr einsparen wird, was einer Kostenersparnis von mehr als 112 Millionen Dollar entspricht.«
Auch Investoren fordern zunehmend eine verbesserte „Carbon Performance”. Im März wurde die Luftfahrtindustrie in einer Studie, die von den Investoren der Fluggesellschaften mit 13 Billionen Dollar verwaltetem Vermögen finanziert wurde, dafür angeprangert, dass sie nicht genug für den Kampf gegen den Klimawandel tut.
„Als Investoren brauchen wir Klarheit darüber, ob der Sektor seinen Beitrag zu den Zielen des Pariser Abkommens leisten soll”, war ein typischer Kommentar der Investmentbank BNP Paribas.
Devine schließt mit ihrem Resümee: »Der Druck auf Boeing war unerbittlich, um Klimaergebnisse zu erzielen. Ein fehlerhaftes Nachrüstungsdesign war der Preis, als Boeing entschied, nicht noch ein Jahrzehnt warten zu können, um ein neues Flugzeug zu entwerfen. Wenn man glaubt, dass die Welt in 11 Jahren untergehen wird, ist der Tod einiger armer Flugreisender ein kleiner Preis für die Besänftigung der Klimagötter.«