„Zum 1. April 2021 zahlten Gewerbekunden in Deutschland laut mengengewichtetem Mittelwert bei einem Jahresverbrauch von 50 Megawattstunden 23,23 Cent pro Kilowattstunde Strom. Industriekunden mit einem Jahresverbrauch von 24 Gigawattstunden zahlten hierzulande am genannten Stichtag 16,94 Cent pro Kilowattstunde Strom“, so eine Umfrage für Industrie und Gewerbe. Etwa zehn Monate später betrug der Industriestrompreis inklusive der Stromsteuer in Deutschland 26,64 Cent pro Kilowattstunde.
Zum Vergleich: Für den Normalverbraucher, kostet 1 kWh Strom in Deutschland aktuell durchschnittlich 34,6 Cent. Was zum einen mit der CO₂-Steuer zusammenhängt, zum anderen mit der EEG-Umlage. Zum 1. Januar 2022 trat die nächste Stufe der CO₂-Bepreisung in Kraft und erhöht sich von 25 Euro im Jahr 2021 auf 30 Euro pro Tonne CO₂. Dazu kommt ein weiterer Fakt: Die Nachfrage nach fossiler Energie zieht an – denn wir sind ja nach Willen der neuen Regierung erst 2030 „Carbon-frei“ – was bei steigenden Preisen für CO₂-Zertifikate wiederum die Strompreise für 2022 nach oben treibt. Die EEG-Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien macht beim Endverbraucher derzeit immerhin rund ein Fünftel des Strompreises aus. Und insgesamt betrachtet machen über die Hälfte der Strompreise staatliche Kostenbestandteile aus. Die Strompreise für Privathaushalte liegen bereits um 43 Prozent über dem europäischen Durchschnitt.
Die Preisrallys alarmieren Industrie und die mittelständischen Betriebe. Sie fordern, der Staat möge ihr beispringen. Zwar sind vor allem für die energieintensive Wirtschaft unter bestimmten Voraussetzungen die Tarife ermäßigt, etwa bei den Netzentgelten, bei der Stromsteuer oder bei der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), doch der Strombedarf schnellt in die Höhe. Die Energiekosten laufen aus dem Ruder.
„Für viele Unternehmen, vor allem Mittelständler, ist das ein Schock“, sagt Wolfgang Hahn, Geschäftsführer der ECG Energie Consulting GmbH, die Unternehmen Energieverträge vermittelt, wie das Handelsblatt berichtete. „Die Strompreise werden für viele Unternehmen zunehmend zur Belastung.“ Im Jahr 2022 betrug allein die Stromsteuer für einen mittelspannungsseitig versorgten Industriebetrieb in Deutschland 1,54 Cent pro Kilowattstunde.
Stromverträge schließen die Unternehmen zwar immer im Voraus ab. Deshalb sind viele Unternehmen derzeit noch abgesichert. Doch bei der nächsten Verhandlung über einen neuen Stromvertrag müssen sie sich auf Preissteigerungen einstellen.
Die Firma Coatinc, ein Oberflächenveredler von Stahl und Metall mit Sitz in Siegen, ein Unternehmen mit hohem Energieverbrauch, musste vor geraumer Zeit einen neuen Stromvertrag abschließen, da der alte Vertrag auslief. Die Folge: eine Verdopplung der Stromkosten von 480.000 auf 840.000 Euro, so das Handelsblatt.
„Die aktuellen Verteuerungen treffen die deutschen Betriebe stärker als ihre internationalen Wettbewerber: Beim Strom zahlen sie in fast allen Abnahmegruppen schon bisher die höchsten Preise in Europa. Deutsche Mittelständler kostet ihr Strom fast doppelt so viel wie die Konkurrenz in Frankreich“, monierte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag.
Und die Preisrally wird weitergehen. Bis 2025 soll die CO₂-Steuer auf 55 Euro steigen. Darüber hinaus: Die Preise im Stromgroßhandel werden einer Studie des Beratungsunternehmens Prognos zufolge bis 2030 um rund 50 Prozent steigen, und zwar ohne Steuern und Abgaben. Die Studie wurde von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) in Auftrag gegeben.
Die VBW fordert nun Entlastung durch eine schnelle Abschaffung der EEG-Umlage. „Der Energiepreisindex der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. stieg im Dezember 2021 auf ein Allzeithoch. Das Vorjahresniveau wurde um 92,7 Prozent überschritten. Der Energiepreisindex fällt im Jahresdurchschnitt um 52,5 Prozent höher als 2020 aus. … Vor allem der Sekundärenergie-Preisindex steigt ungebremst weiter. Von November auf Dezember 2021 stieg der Wert um 11,1 Prozent, damit ist das Vorjahresniveau um 66,5 Prozent überschritten.“
Markus Jerger, Geschäftsführer beim “Bundesverband mittelständische Wirtschaft”, fordert einen Energiegipfel bei Olaf Scholz. Denn die steigenden Energiepreise werden zum massiven Problem für den Mittelstand. „Die hohen Strompreise stellten für die deutsche Volkswirtschaft eine enorme Belastung dar. ‚Sie hemmen die wirtschaftliche Erholung, wie das zuletzt schwache Wachstum belegt, und beschneiden den finanziellen Rahmen der dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen für die ökologische, digitale und soziale Transformation‘, so Jerger. Viele mittelständische Unternehmen seien inzwischen an die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit gekommen.“
Im Podcast mit ThePioneer sagt Markus Jerger: „Der Mittelstand, aber auch die Beschäftigten brauchen dringend eine Antwort auf die steigenden Energiepreise. Viele der Mitgliedsunternehmen bluten jetzt finanziell aus. Sie verbrauchen jetzt die letzten Reserven, die sie noch haben. … Die Politik könnte etwas tun, denn sie ist der größte Nutznießer durch die Steuern, durch die Mehrwertsteuer, die auf den Strompreis obendrauf kommen, was alles zusätzlich verteuert. … Wenn Sie pro kWh bei 34, 35 Cent liegen, was ja der Durchschnittspreis ist, manche zahlen ja auch 45 Cent bei Neuverträgen, und die Mehrwertsteuer gut 5 Cent ausmacht, die Stromsteuer noch mal 2 Cent, die EEG-Umlage fast 4 Cent, die sonstigen Abgaben ohne die Stromerzeugung selbst, dann ist der Staat mit allen Gebühren und Umlagen mit mehr als der Hälfte an diesem Preis beteiligt. Und das ist etwas, was in der heutigen Zeit, nach Corona, nicht sein darf.“
Auch die brandenburgischen Industrie- und Handelskammern schlagen Alarm und wenden sich an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit der Aufforderung, schnellstmöglich geeignete Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen angesichts der hohen Energiepreise zu ergreifen. Die umgehende Herauslösung der EEG-Umlage aus dem Strompreis würde vor allem kleinen und mittleren Betrieben sehr helfen. Neben der Senkung von Steuern und Abgaben müsse dringend eine vorübergehende Aussetzung der CO2-Bepreisung in Betracht gezogen werden. Diese hätte unmittelbare Effekte auf den Strom- und Gasmarkt, so der IHK-Präsident.