Tichys Einblick
BIP schrumpft

Heizungschaos, Inflation, überforderte Politiker: Deutschland in der Rezession

Im zweiten Quartal hintereinander geht die deutsche Wirtschaftsleistung zurück. Was bei der Opposition für Empörung sorgt, prallt beim Bundeskanzler ab. Degrowth-Befürworter wie Ulrike Herrmann dürften sich dagegen bestätigt fühlen. Denn Experten befürchten, dass die Rezession noch weiter andauert. Von Samuel Faber

Schuhgeschäft in Bonn, 25.05.2023

IMAGO / NurPhoto

Entgegen den Erwartungen vieler Medien ist die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal 2023 geschrumpft. So revidierte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden seine ursprüngliche Schätzung vom April. Damals ist die Behörde noch von 0,0 Prozent ausgegangen, also einer glatten Stagnation. Nun ist ein Rückgang von 0,3 Prozent zu verzeichnen. „Nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bereits zum Jahresende 2022 ins Minus gerutscht war, verzeichnete die deutsche Wirtschaft damit zwei negative Quartale in Folge“, sagte Ruth Brand, Chefin des Statistischen Bundesamtes.

Damit ist Deutschland in der Rezession angekommen. Davon spricht man, wenn das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen zurückgeht. Im Vorquartal ist die Konjunktur bereits um 0,5 Prozent zurückgegangen. Das hat auch Folgen für die Bevölkerung.

Neues Heizungsgesetz verunsichert die Bürger

Schon seit einiger Zeit beobachten Experten eine Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten. Teurere Anschaffungen werden zurückgestellt, oder erst gar nicht realisiert. Andere warten immer noch auf hohe Nachzahlungen, die sie für Strom und Gas entrichten müssen. Für große Verunsicherung sorgt sicher die Klimaschutzpolitik der Ampelkoalition. Dazu kommt die immer noch zu hohe Inflation von mehr als sieben Prozent. Dies motiviert weder zum Einkaufen noch zum Investieren.

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Insgesamt sank der private Konsum um 1,2 Prozent. „Unter der Last der immensen Inflation ist der deutsche Konsument in die Knie gegangen und hat die gesamte Volkswirtschaft mit sich gerissen“, machte Andreas Scheuerle von der Deka-Bank gegenüber Tagesschau.de klar. Neben dem privaten Konsum gab es auch bei den staatlichen Konsumausgaben einen harten Dämpfer: Diese nahmen um fast fünf Prozent im Vergleich zum Vorquartal ab. Dies ist ein Indiz, dass auch die Politik die Zeichen der Krise erkannt hat. 

Währenddessen sendet das Wirtschaftsministerium vor allem eines: Signale der Unsicherheit. Minister Habeck, der wegen der grünen Filzaffäre in Berlin als angezählt gilt, wirkt zunehmend überfordert. Das geplante neue Heizungsgesetz aus seinem Haus, das offiziell Gebäudeenergiegesetz heißt, tut sein Übriges dazu. Es würde bedeuten, dass ab 2024 nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Doch weder steht die Finanzierung für diesen Eingriff noch ist klar, wie genau das Vorhaben realisiert werden soll. 

Wachstumskritiker sehen sich bestätigt

Dass sich die Wirtschaft in den nächsten Quartalen bessern wird, ist nicht in Sicht: „Der Schrumpfkurs der deutschen Wirtschaft wird sich im zweiten Halbjahr vermutlich fortsetzen“, prognostiziert der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel, gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ein Indikator ist der Ifo-Geschäftsklimaindex. Dieser bildet anhand einer monatlichen Umfrage bei rund 9000 Unternehmen aus den verschiedensten Branchen die Stimmung in den Firmen ab. Das erste Mal seit sechs Monaten verzeichnete der Index einen Rückgang. Von 93,4 Punkten im April rutschte er auf 91,7 Punkte ab. 

Für die Befürworter der Degrowth-Bewegung, die Wachstum abschaffen wollen, dürfte die Rezession ein Segen sein. Eine dieser Aktivisten ist die taz-Journalistin Ulrike Herrmann. So fordert die 59-Jährige ein Schrumpfen Deutschlands bis auf das Niveau im Jahr 1978. Ihr Rezept ist das der britischen Kriegswirtschaft ab 1939. Innerhalb von Wochen mussten sie eine Friedenswirtschaft schrumpfen, um Waffen zu produzieren. Durch den kontrollierten Verzicht durch zahlreiche Verbote soll das Klima gerettet werden. Ulrike Herrmann gilt als bekanntestes Sprachrohr der wachstumskritischen Bewegung. Ihr Buch ‚Das Ende des Kapitalismus“ avancierte zum Bestseller. 

Olaf Scholz blickt optimistisch in die Zukunft

Unionsfraktionschef Friedrich Merz greift Olaf Scholz an. „Das muss den Bundeskanzler wachrütteln“, sagte Merz der Nachrichtenagentur AFP. „So wie seine Ampel arbeitet, zweifeln viele Unternehmen an der Zukunft des Standorts Deutschland.“ Hohe Energiepreise und keine klare Linie in der Wirtschaftspolitik würden Unternehmer und Arbeitnehmer verunsichern, so Merz. 

Auch Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, kritisierte die Bundesregierung. „Diese Rezession ist politisch gemacht. Wer die Bürger über hohe Inflation und künstlich verteuerte Energiepreise enteignet und ihnen mitten in der Krise ohne Not weitere schwere Belastungen wie eine konfiskatorische Reform von Grund- und Erbschaftsteuer und das drohende Heizungsverbot aufbürdet, braucht sich über sinkenden Konsum nicht zu wundern.” 

Der Bundeskanzler selbst sieht in den Zahlen aus Wiesbaden dagegen kein größeres Problem. „Die Aussichten der deutschen Wirtschaft sind sehr gut“, sagte Scholz. So sei die Bundesregierung gerade dabei, mit Hilfe massiven Ausbaus des Ökostroms „die Kräfte der Wirtschaft zu entfesseln“. Die Investitionen sowohl in Batterie- oder Chipfabriken nehmen erheblich zu, zudem würden viele Milliarden Euro in den Ausbau des Stromnetzes und der Stromproduktion investiert. „Deshalb kann man sehr zuversichtlich sein“, betonte der SPD-Politiker.

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