Robert Habeck liest gern, vor allem liest er gern eigene Texte, die er noch lieber auf einem Kindergeburtstag selbst vorträgt, man muss ihn nicht einmal darum bitten, auch wenn er immer so tut, als bäte man ihn, denn keiner kann das so schön wie Robert Habeck, glaubt Robert Habeck. Diese Texte handeln von einer schönen, grünen Welt, in der sich alle Menschen liebhaben, weil es nur noch Grüne gibt, denn nur Grüne sind in der Welt von Robert Habeck vernünftig und liebenswert.
In dieser schönen, grünen Welt löst der Strom alle Probleme, beherrscht der Mensch das Klima und erlaubt ihm einfach nicht mehr, sich zu wandeln. Und sollte das Klima sich doch regen, dann genügt es, dass Robert Habeck mit dem Finger schnipst und das Klima legt sich brav wieder hin. Er erreicht das, indem er eine neue Wirtschaft aufbaut, in der der Zement grün blüht und auch der Stahl grün fließt, nicht golden, wie Karl Grünberg 1950 in seinem Klassiker des sozialistischen Realismus noch glaubte.
Mephisto behauptete im Faust I noch, dass Blut ein ganz besonderer Saft sei, doch der Dichter Robert Habeck hat Johann Wolfgang von Goethe weit hinter sich gelassen, wenn er den Großen Gesang vom Wasserstoff anstimmt, denn der Wasserstoff wird im Rahmen der Habeck Economics die Kohle und das Uran, das Erdöl und das Erdgas ersetzen. Es werden völlig neue, schöne, grüne Industrien entstehen, zunächst die grüne Grundstoffindustrie, das heißt Stahl, Zement, chemische Industrie, beispielsweise die Produktion von Ammoniak. Die ganze grüne Transformation bezahlt der grüntotale Staat über Subventionen. Und wer bezahlt den Staat? – Über diese nebensächlichen Details möchte Robert Habeck nicht nachdenken, das ist doch schließlich nicht sein Problem, woher der Lindner das Geld holt, das Robert Habeck gern ausgibt, um die Welt zu retten.
Ist es nicht genug, dass Robert Habeck sich der Mühe unterzieht, groß und größer und noch größer zu denken? Undank ist eben der schnöden Welt Lohn. Man komme ihm da nicht mit Details. Nur manchmal – des Nachts, schweißgebadet aus Alpträumen erwacht – preist er Jürgen Trittin, Patrick Graichen, wen auch immer, jedenfalls denjenigen, der ihm ausgeredet hat, Finanzminister zu werden, was er zunächst wirklich wollte. Übel wird ihm, wenn er sich vorstellt, Lindner wäre Wirtschaftsminister und Robert Habeck müsste das Geld für Annalena Baerbock, für Svenja Schulze oder Lisa Paus besorgen.
Und weil das nicht so ganz funktioniert, mit den zwar nicht besten, aber teuersten Grundstoffen der Welt, dem teuersten Stahl, dem teuersten Zement, will Habeck nicht nur auf der Angebots-, sondern auch auf der Nachfrageseite des Marktes eingreifen. Ist doch praktisch, wenn man anweist, zu einem Preis zu produzieren, den keiner bezahlen will oder kann, gleichzeitig der öffentlichen Hand zu befehlen, die grünen Produkte zu kaufen, die Robert Habeck durchgesetzt hat, herzustellen. Das ist dann zwar keine freie und schon gar keine Soziale Marktwirtschaft mehr, weil weniger Schulen und Krankenhäuser, weniger Schwimmbäder und weniger Sozialwohnungen gebaut, der Ausbau der Bahn reduziert und die Werterhaltung von Brücken, Bahnanlagen und Straßen eingeschränkt wird, doch Lohn winkt in ferner Zukunft, dann wird alles, alles gut … und wenn sie nicht ausgewandert sind, dann warten die Deutschen noch heute auf den Siegeszug der Habeck Economics.
Mariana Mazzucato hatte Robert Habeck eingebimst: „Die Märkte werden freilich nicht von sich aus in eine grüne Richtung finden. Dem Staat fällt eine fundamentale Rolle dabei zu, für stabile, konsistente Investitionen zu sorgen, die sicherstellen, dass Regulierung und Innovation einen grünen Weg einschlagen, der das Problem des Klimawandels angeht.“ Robert Habeck übersetzt kreativ Mazzucatos Idee so in die deutsche Realität: „Die Schaffung von Leitmärkten für klimafreundliche Grundstoffe wie Stahl und Zement ist ein marktwirtschaftliches Instrument zur Transformation der Industrie und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte international. Das Instrument zielt auf die Schaffung, bzw. Stärkung der Nachfrage nach klimafreundlichen Grundstoffen („pull“-Prinzip) und unterstützt dadurch zusätzlich kurzfristig das Angebot an Vorreiterleistungen bis sie langfristig die Norm werden.“
Robert Habeck ist der Kneipier, an dessen Kneipentür steht: „Morgen Freibier“. Ganz gleich, wann man kommt, einen Tag später und wieder einen Tag später, und noch einen Tag später in der Hoffnung auf Freibier, immer steht an der Tür nur: „Morgen Freibier.“ Langfristig wird eben alles, alles gut, heile, heile Gänschen: „Diese Transformation zur Klimaneutralität und die damit verbundene Erneuerung unseres Wohlstandes bieten mittel- und langfristige Chancen, fordern aber gleichzeitig im Übergang viel von der Industrie, von der Politik und der Gesellschaft.“
Dabei ist Robert Habecks Weltverständnis, das er Jewgeni Samjatin, Aldous Huxley und George Orwell verdankt, durchaus originell, wie er es in artifiziellster Wirrnis, in einem Akt angewandten Dadaismus beim Bürgerdialog am Samstagnachmittag zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes zum Besten gab.
Habeck, der gern plagiiert, so in der Vergangenheit Marianna Mazzucato, jetzt auch Ernst-Wolfgang Böckenförde, behauptet, dass das Grundgesetz von Voraussetzungen lebt, die es selbst nicht garantieren kann. Das ist natürlich Unfug, das Grundgesetz lebt nicht von Voraussetzungen, es schafft Voraussetzungen, mehr noch, es garantiert die Voraussetzungen für die gesamte Gesetzgebung.
Robert Habeck umreißt sein Demokratie- und Staatsverständnis an diesem Nachmittag sehr dankenswert deutlich. Er fordert, dass „möglichst viele Menschen verstehen, was der Gedanke hinter Klimaschutz ist: Freiheit“. Wobei wir bei Orwell angelangt sind, der die Leitsätze von Habecks idealer Gesellschaft, von Habecks Klimaschutzdiktatur so zusammenfasste: „Freiheit ist Sklaverei“ und natürlich: „Unwissenheit ist Stärke“ und wenn man besonders an Habecks Parteifreunde Baerbock und Hofreiter denkt: „Krieg bedeutet Frieden“.
Übrigens, den Postmodernismus der Grünen findet man schon bei Orwell: „Wir merzen jeden Tag Worte aus – massenhaft, zu Hunderten! … Siehst du denn nicht, dass die Neusprache kein anderes Ziel hat, als die Reichweite des Gedankens zu verkürzen? Zum Schluss werden wir Gedankenverbrechen unmöglich gemacht haben, da es keine Worte mehr gibt, in denen man sie ausdrücken könnte. Jeder Begriff, der jemals benötigt werden könnte, wird in einem einzigen Wort ausdrückbar sein, wobei seine Bedeutung streng festgelegt ist und all seine Nebenbedeutungen ausgetilgt und vergessen sein werden … Die Revolution ist vollzogen, wenn die Sprache geschaffen ist.“
Diese Revolution will Robert Habeck vollziehen, wenn er in seinem Vorwort zur Neuübersetzung von „1984“ schreibt: „Freiheit – auch die der Sprache und der Rede – und Verantwortung gehören zusammen.“ Denn die bösen Feinde, die beispielsweise Böckenfördes Diktum ganz kennen, in richtiger Fassung und in ganzer Tiefe verstanden haben, sieht Habeck in Orwellschem Doppeldenk „als Feinde der Freiheit“, denn schließlich ist ja Freiheit Sklaverei, was im Umkehrschluss bedeutet, Sklaverei ist Freiheit, die bösen Feinde jedenfalls „zielen darauf, die Freiheit der Rede und der Gesellschaft durch gezielte Verantwortungslosigkeit zu zerstören“.
Die Freiheit der Rede ist nicht an Bedingungen, nicht einmal an eine wie auch immer definierte Verantwortung gebunden, denn dann wäre sie ja nicht frei, sondern gebunden, weil sich die Frage stellt, wer bestimmt, was verantwortlich ist und was nicht? Robert Habeck? Bestimmt Robert Habeck, was geäußert werden darf und was nicht? Schon der römische Dichter Juvenal fragte in der 6. Satire: „sed quis custodiet ipsos ciustodes: Wer aber soll die Wächter selbst bewachen“ – oder in Kurzform: Wer bewacht die Wächter?
Wie blind sind wir doch alle und wie taub, obwohl wir doch alle an der Debatte teilgenommen und sie beobachtet haben, dass wir im Gegensatz zum Propheten im Bundeswirtschaftsministerium meinten, die massiven wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen in diesem Land, jede Fehlleistung der Ampel sei mit dem Argument des Klimaschutzes durchgepeitscht worden. Das Gebäudeenergiegesetz, der Verbrennerausstieg, die unverschämte Ausplünderung durch die Anhebung der CO2-Bepreisung, das Klimaschutzgesetz – alles Verhinderungen des grünen Klimaschutzes?
Doch Robert Habeck hat uns allen am Samstagnachmittag beim Bürgergespräch, in dem seine Leute – andere waren nicht da – ihn ausbuhten, vorgeführt, dass in seiner Welt keine Argumente zählen, keine Realität, sondern nur Fiktion, nur Glaubenssätze, nur Ideologien. Deutlich hat er formuliert, was er unter Demokratie versteht und was er von den Bürgern hält: „Beim Gebäudeenergiegesetz – das werden viele von Ihnen noch in Erinnerung haben, sind wir, das würde ich auch von mir sagen, soweit gegangen, wie man gehen konnte, ohne einen Komplettabsturz des Klimaschutzes zu riskieren.“ Das die falsche melodramatische Effekthascherei nicht einmal in einem Kindermusical angebracht ist, bleibt dahingestellt, entblößt aber nur die Stilunsicherheit des früheren Autors. Doch dann kommt es im Klartext:
„Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, also wie wir in Zukunft heizen, war ja auch ein TEST, wie weit die Gesellschaft bereit ist, Klimaschutz, wenn er konkret wird, zu tragen. Da hat man ja gesehen, dass der Gegendruck sofort da war.“
Der Bürger ist für Robert Habeck nur der Pawlowsche Hund, der durch Zwang, durch Tests, durch Täuschen und Tricksen und Tarnen und Propaganda, unter Ausschaltung jeder Kritik, unter Verbot der unverantwortlichen Rede konditioniert werden muss. Robert Habecks Welt ist Orwells Welt. Mit ihm als Big Brother. Nicht mehr und nicht weniger hat er am Samstagnachmittag uns allen mitgeteilt.