Martin Wansleben ist Rheinländer. Ein fröhlicher Mensch. Gerne baut er in seine Vorträge einen Scherz oder eine launige Anekdote ein. Doch bei der Vorstellung der Konjunkturumfrage fürs Frühjahr bleibt der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer weitgehend ernst: „Die Krise ist da.“ Und es sei keine der üblichen Konjunktur-Krisen, bei denen die Macher im Ab auch schon immer die Anzeichen für das nächste Auf sähen. Es sei eine strukturelle Krise. Die Preise stiegen, obwohl die Nachfrage niedrig sei.
Die Bundesregierung selbst hat jüngst ihre Wachstumsprognose gesenkt. Sie geht jetzt nur noch von einem Wachstum von 0,2 Prozent für das laufende Jahr aus. Die Kammer ist da ehrlicher: Sie rechnet angesichts der Konjunkturumfrage mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung von 0,5 Prozent. Das wäre der zweite Rückgang der Wirtschaftsleistung in Folge. Das hat es laut Handelskammer 2002 und 2003 zum letzten Mal gegeben – als auch ein sozialdemokratischer Bundeskanzler mit den Grünen regierte.
Die Probleme sind hausgemacht. Das zeigt sich auch darin, dass die Unternehmen die Lage besser sehen, die auf dem internationalen Markt tätig sind. Wer nur in Deutschland verkaufen könne, der sei pessimistischer. Wansleben erklärt das so: „Auch das Kellerkind hat eine Chance, wenn es woanders aktiv ist.“ Diese Unternehmen profitierten von der guten Laune, die auf anderen Märkten herrsche. Etwa in den USA. Die deutschen Probleme seien hausgemacht.
Das zeigt sich auch in der Umfrage, welche Bereiche die Unternehmer als „Geschäftsrisiko“ einschätzten. Da sehen die Unternehmer die hohen Energiepreise und den Fachkräftemangel immer noch kritisch, aber nicht so schlimm wie vor einem Jahr. Die „Wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ bewerten aber immer mehr als Problem, mittlerweile genauso stark wie die anderen Punkte. 57 Prozent der 27.000 befragten Unternehmer bewerten die deutsche Wirtschaftspolitik als „Geschäftsrisiko“. Das sei „so viel wie noch nie“.
Wansleben fordert den Abbau der Bürokratie. Doch bevor der beginne, müsse erst einmal eine Verschlimmerung abgewendet werden: Das Lieferkettengesetz der EU und seine Umsetzung in Deutschland. Kommt das so, wie es SPD und Grüne wollen, dann müsste der Folienhersteller nachweisen, dass sein Klebemittelhersteller ein fairer Arbeitgeber ist. Der Dachdecker müsste nachweisen, dass der Folienhersteller und der Klebemittelhersteller faire Arbeitgeber seien. Das Unternehmen, das einen Dachdecker verpflichtet, müsste nachweisen, dass der Dachdecker, der Folienhersteller, der Klebemittelhersteller – und so weiter. Ein bürokratisches Ungetüm droht der deutschen Wirtschaft. Vorerst hat die FDP das Lieferkettengesetz auf Eis gesetzt. Doch es droht weiter.
Die Politik rede und rede von Bürokratie-Abbau, aber sie tue nichts oder das Gegenteil, sagt Wansleben: „Es wächst der Frust.“ Der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer sieht sogar die gemeinsame Basis in Frage gestellt: „Es gibt keine Schnittstelle mehr zwischen der Welt der Wirtschaft und der Welt der Politik.“ Die müsse ein kluges Maßnahmenpaket entwickeln, um die Wirtschaft wieder flott zu bekommen.
Noch bezeichnen nur 22 Prozent der befragten Unternehmer ihre Lage als schlecht und 29 Prozent als gut. Doch 35 Prozent der Befragten geht von einer Verschlechterung aus und nur 14 Prozent von einer Verbesserung. Das sei eine minimale Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr. Doch die Politik müsse umkehren. Sie verspreche ein Wachstumschancengesetz mit einer Entlastung der Wirtschaft um 7 Milliarden Euro. Dann kommt aber zeitgleich eine Erhöhung der LKW-Maut um 8,5 Milliarden Euro – und die Entlastung durch das Wachstumschancengesetz bleibt wegen politischen Streits aus.