Tichys Einblick
Sanierungszwang bei Immobilien

Habecks Heizungsgesetz: Ohne Kontakt zur Wirklichkeit

Das geplante Gebäudeenergiegesetz ist einer der massivsten je in Deutschland unternommenen Eingriffe in den Immobilienmarkt. Je nach Sanierungsfähigkeit wird es zu gewaltigen Preisverschiebungen kommen, und die Neubautätigkeit wird ganz erlahmen. Von Gerhart Flothow

IMAGO / photothek

Anspruch und Wirklichkeit haben keinen Kontakt, stellen derzeit immer mehr Verantwortliche in der Wohnungswirtschaft fest. Die Vorgabe der Politik, den deutschen Wohnungsbestand „klimaneutral“ zu heizen, verkennt die Substanz der Gebäude und die Leistungsfähigkeit der Bürger und Unternehmen.

Denken wir einmal in Extremen und ziehen die vom Gesundheitsamt verfügten Maßnahmen beim Auftreten von Legionellen als Blaupause heran. Zur Erinnerung: Legionellen sind Bakterien, die beim Menschen unterschiedliche Krankheitsbilder verursachen, von grippeartigen Beschwerden bis hin zu schweren Lungenentzündungen. Sie werden nicht von Mensch zu Mensch übertragen, sondern vermehren sich besonders in künstlichen Wassersystemen. Mögliche Ansteckungsquellen sind beispielsweise Duschen, Whirlpools, Luftbefeuchter oder Wasserhähne. Bei Befall eines Wohngebäudes wird bis zur vollständigen Dekontamination zum Beispiel ein Duschverbot verhängt.

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Im Fall des Energieverbrauchs in Gebäuden würde die Behörde also bei der Überschreitung bestimmter Grenzwerte nicht nur ein Duschverbot verfügen und den Besitzer der Immobilie zwingen, einen Sanierungsplan vorzulegen und zu sanieren, sondern Heizungen, die den Anforderungen nicht entsprechen, würden durch behördliche Verfügung außer Betrieb genommen. Damit wären diese Wohnungen und Häuser nicht mehr bewohnbar. Im schlimmsten Fall würde das selbst dann gelten, wenn kein Handwerker verfügbar oder das Material nicht lieferbar wäre.

Der Immobilienmarkt würde für diese außer Betrieb genommenen Immobilien sofort fallende Preise verzeichnen und gleichzeitig stark steigende Preise für bewohnbare Häuser; in diesen werden die Mieten explodieren, weil sich die Mieter um das deutlich reduzierte Wohnungsangebot balgen werden.

Der deutsche Wohnungsbestand stammt mehrheitlich
aus der Zeit bis 1980. Die Eigentümer sind schon
mit den normalen Sanierungen überfordert

Auch die Banken hätten ein ernstes Problem. Viele der stillzulegenden Immobilien, ob nun Häuser oder Wohnungen, sind in den vergangenen zehn Jahren zu vergleichsweise hohen Preisen erworben worden. Wenn sie zum Beispiel mit 70 Prozent belastet wurden, hätten die Banken plötzlich keine angemessenen Sicherheiten mehr für die von ihnen ausgereichten Hypotheken. Eine Nachbesicherung, also das Stellen zusätzlicher Sicherheiten, dürfte für den größten Teil der Eigentümer unmöglich sein. Die Banken hätten einen erheblichen Wertberichtigungsbedarf auf ihrem Kreditbuch. Da nützte ihnen auch ein Sonderkündigungsrecht nichts. Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren, weiß der Volksmund.

Eigentumsquote wird sinken

Die Verwerfungen am Immobilienmarkt hätten auch erhebliche sozialpolitische Folgen. Erstens würde die Eigentumsquote, die in Deutschland im europäischen Vergleich ohnehin schon niedrig ist, weiter deutlich zurückgehen. Zweitens stellt sich die Frage, wie angesichts der zusätzlichen Lasten das Ziel der Bundesregierung – ein Neubau von 400.000 Wohnungen im Jahr – jemals erreicht werden soll.

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Der deutsche Wohnungsbestand stammt mehrheitlich aus der Zeit bis 1980, davon ein Drittel von vor 1948. Diese Bestände haben in aller Regel keine günstigen Voraussetzungen für die heutigen Anforderungen an Klimaschutz. Die Eigentümer sind oft mit den auch bisher schon anstehenden Sanierungen gefordert oder überfordert.

Nehmen wir zum Vergleich mit dem Instandhaltungsstau einen Menschen mit 50 Kilogramm Übergewicht: Kein seriöser Trainer würde empfehlen, innerhalb weniger Monate 50 Kilo abzuspecken. In wenigen Monaten lassen sich die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte nicht korrigieren, geschweige denn beseitigen. Das gilt analog genauso für den Wohnungsmarkt wie auch für Investitionen in den Klimaschutz.

Immobilien sind eine langfristige Investition und müssen langfristig planbar sein – sonst finden gesellschaftlich nicht genug Investitionen statt. Wie dramatisch die Situation angesichts der starken Zuwanderung ist, zeigen Zahlen des Deutschen Mieterbundes. Er geht davon aus, das allein in diesem Jahr 700.000 Wohnungen fehlen.

Seit zumindest dem Jahr 2000 wird der Neubaubedarf durch die tatsächliche Bautätigkeit nicht mehr erreicht. Auch die Zahl der im Koalitionsvertrag verabredeten Neubauten wurde im vergangenen Jahr deutlich verfehlt. Schaut man auf die Baugenehmigungen, wird sich dieser Zustand in diesem Jahr eher verschlechtern als verbessern.

Wenn das jahrzehntelange Sparen
auf die eigenen vier Wände
am Ende nicht mehr belohnt wird,
kommen zusätzliche Lasten auf den Staat zu

Der nun initiierte Modernisierungszwang wird das Problem verschlimmern. Wenn das jahrzehntelange Sparen auf die eigenen vier Wände am Ende nicht mehr belohnt wird, kommen zusätzliche Lasten auf den Staat zu. Gefährlich würde die Entwicklung, wenn es zu einer Überforderung der Bürger käme und damit der Glaube an das Wohneigentum als Altersvorsorgeinstrument schwände.

Politik ist die Kunst der Abwägung einander widersprechender Interessen. Der soziale Frieden muss deshalb genauso beachtet werden wie Anforderungen des Klimaschutzes. In der aktuellen Situation die Menschen durch ein Gebäudeenergiegesetz zu verunsichern ist jedenfalls kontraproduktiv.

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