Schon der Name zeigt an: die Wurzeln des BayWa-Konzerns liegen in längst vergangenen Zeiten. Denn das Kürzel steht für ‚Bayerische Warenvermittlung‘. Im Jahr 1923 als regionaler Agrarhandel gegründet, wuchs das Unternehmen auf seinem angestammten Geschäftsfeld stetig – bis das Management 2008 beschloss, aus dem Händler für Landwirtschaftsmaschinen, Schmiermittel Dünger, Obst und Gemüse einen globalen Konzern mit dem Schwerpunkt Wind- und Solarparks zu formen.
Die grüne Expansion bekam dem Unternehmen mit gut 24 000 Beschäftigten schlecht. Der Konzern erlebt die schwerste Krise seiner langen Geschichte. Ob er sie übersteht, ist noch offen. Sein Geschäft mit erneuerbaren Energien, das Vorstandschef Markus Pöllinger für besonders zukunftsträchtig hielt, könnte der Traditionsfirma möglicherweise das Genick brechen. Der Großteil der rund 6 Milliarden Euro Schulden, die auf der BayWa lasten, stammen aus Projekten der Grünenergie-Tochter Baywa r.e. Im August räumte Pöllinger eine „angespannte Finanzlage“ des Konzerns ein, kurz danach bestellte er bei der Unternehmensberatung Roland Berger ein Sanierungsgutachten. Zusätzlich kamen Sanierer des Unternehmens Alixpartners ins Haus, zu denen auch Michael Baur gehört. Er soll als Generalbevollmächtigte jetzt retten, was zu retten ist. Zunächst einmal wendeten die Hauptaktionäre – zwei Raiffeisen-Beteiligungsgesellschaften – zusammen mit den Gläubigerbanken die drohende Insolvenz durch eine Finanzspritze von 547 Millionen Euro ab. Zur dauerhaften Rettung reicht das noch lange nicht.
Die Probleme mit dem vermeintlich segensreichen grünen Wachstum entstanden nicht durch Betriebsunfälle – sie ergaben sich aus der Strategie, mit der Baywa r.e.-Chef Matthias Taft das ganz große internationale Rad drehte.
Solar- und Windparks des Unternehmens stehen heute in Spanien, Südostasien, Australien und Kanada. Das Geschäftsmodell klingt simpel: Die Baywa r.e. errichtete die Anlagen schlüsselfertig, und verkaufte viele davon weiter. Das allein hätte bei einer vernünftigen Risikovorsorge vermutlich nicht zu den aktuellen Problemen geführt. Aber statt mit den Verkaufserlösen die Schuldenaufnahme zu begrenzen, investierte das Unternehmen in immer neue Projekte – finanziert teils durch die BayWa-Mutter, teils durch Banken. Dazu kam: nicht alle Projekte liefen gut. Bei einigen Windparks stellte sich heraus, dass er Wind schwächer wehte als gedacht. Ein 106-Megawatt-Solarpark im australischen Bundesstaat Victoria musste 18 Monate auf den Netzanschluss warten: die Leitungskapazität stellte sich als ursprünglich viel zu schwach heraus, was den Planern allerdings erst sehr spät auffiel.
Tendenziell verkaufte die Baywa r.e. ihre gutlaufenden Projekte, und behielt die schlechteren im Portfolio. In der Konzernbilanz sammelte sich deshalb zweierlei: Problemfälle. Und schnell wachsende Schulden für immer neue Vorhaben. Der Werbespruch von Baywa r.e. lautete: „Our Future is Built on Solid Ground“ (unsere Zukunft steht ist auf festem Grund gebaut). Das Gegenteil ist der Fall. In Nullzins-Zeiten ergab sich aus Tafts Strategie noch kein gravierendes Problem. Jetzt bedroht die Schuldenlast den gesamten Konzern. Mehrere Milliarden der offenen Kredite stehen 2025 zur Refinanzierung an. Das heißt: die alten Kredite stammen noch aus der Tiefzinsphase, die Anschlussfinanzierung fällt trotz der leichten Zinssenkung der EZB in eine Zeit sehr viel höherer Finanzierungskosten, zumal Banken bei einem strauchelnden Unternehmen einen hohen Sicherheitszuschlag verlangen dürften. Das gleiche Problem riss schon das Immobilienimperium von René Benko in den Abgrund. Die BayWa musste vorerst 222 Millionen Euro im Zuge einer Wertberichtigung abschreiben; 171,5 Millionen davon entfallen auf die grüne Tochter Baywa r.e., an der die Mutter 51 Prozent hält. Insider glauben zwar an die Sanierungsfähigkeit des Konzerns. Allerdings um den Preis, dass er kräftig schrumpft. Allein in der Muttergesellschaft könnte das den Verlust von bis zu 8000 Jobs bedeuten.
Zwar beschwören viele Politiker eine leuchtende wirtschaftliche Zukunft für Geschäftsfelder, die durch die grüne Transformation entstehen. Nach Wirtschaftsminister Robert Habeck sollen sie sogar „den Wohlstand erneuern“. Die Realität sieht allerdings anders aus – nicht nur bei BayWa. Hinter der Siemens-Tochter Siemens Energy liegt ein Tal der Tränen, aus dem sich das Wind- und Solarunternehmen gerade wieder herausarbeitet. Auch hier entstanden die tiefroten Zahlen durch eine Expanion: die Übernahme des spanischen Windkraftunternehmens Gamesa. Nach und nach stellte sich heraus, dass die Windturbinen unter gravierenden Konstruktionsfehlern litten. Anfangs unterschätzten die neuen Eigentümer aus München das Problem gewaltig. Im Geschäftsjahr 2022723 schrieb Siemens Energy 4,59 Milliarden Euro Verlust, die ganz überwiegend auf das Gamesa-Debakel zurückgingen. Der Staat und damit der Steuerzahler musste mit einer Bürgschaft über 7,5 Milliarden Euro in die Bresche springen.
Wärmepumpen-Hersteller, die wegen Habecks Heizungsgesetz auf einen Boom hofften, erlebten stattdessen einen massiven Umsatzeinbruch: wegen des Hin und Her bei der staatlichen Förderung der Elektroheizungen hielten sich die Kunden stärker zurück als vor der neuen Regelung. Auch die Elektromobilität, von EU und Ampel-Regierung als alternativlose Zukunft des Standorts gepriesen, entwickelt sich sehr viel anders als in politisch getriebenen Plänen. Ausgerechnet der deutsche Autokonzern, der am stärksten von allen auf den Elektroantrieb setzte – VW – steckt heute am tiefsten in der Krise, die bis zu 30 000 Jobs kosten könnte.
Dass sich grüne Investments nicht unbedingt in schwarzen Zahlen niederschlagen, zeigt sich nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Die Plattform Solarinsures zählte allein 2024 weltweit gut 100 Insolvenzen in der Solarbranche, ein Höchststand seit 20 Jahren. Nach einer Untersuchung von PWC brachen die privaten Investitionen im Bereich Klimatechnologie schon 2023 um 40,5 Prozent ein. Ein Grund dafür liegt in der veränderten Zinswelt: Als sowohl in den USA als auch in Europa und Japan der Leitzins bei Null lag, und die Zentralbanken die Märkte mit Geld fluteten, schienen viele Vorhaben auch bei geringen Margen profitabel. Jetzt sieht es anders aus. Zwar gehen EZB und die amerikanische Fed mittlerweile die Zinstreppe wieder rückwärts. Aber so tief wie früher dürften die Kreditkosten in den nächsten Jahren und möglicherweise Jahrzehnten nicht wieder fallen. Dazu kommt wie bei Elektromobilität und vielen Windparks überoptimistische Annahmen zur Marktentwicklung beziehungsweise Effizienz, außerdem die ständige Kalkulation mit staatlichen Subventionen und Nothilfen. Ohne Kaufprämien für E-Autos und Wärmepumpen, ohne staatlich garantierte Einspeisevergütungen für Grünstrom und ohne staatliche Milliarden beispielsweise für „grünen Stahl“ allein in Deutschland stünde dem grünen Sektor eine noch radikalere Schrumpfkur bevor.