Auf der seit 31. Oktober stattfindenden 26. UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021, international bekannt als COP 26, wurde von den fast dreitausend Delegierten aus über 140 Ländern viel gesprochen, debattiert und gestritten, von dem ein Abdruck in Schriftform nicht lohnt. Nur ein Satz von dort hat es bis in die Schlagzeilen gebracht, der sich lohnt, zitiert zu werden: „Es ist Zeit zu handeln. Jetzt.“ Und das Wichtigste sei nun gemeinsam „einen klaren, verbindlichen Pfad mit klaren Zielen zu wählen und auch zu verfolgen“.
Mit dieser Glasgower Erklärung für emissionsfreie Fahrzeuge wurde im Klartext das Ende des Verbrennungsmotors eingeleitet.
Und jetzt kommt der Gag: Diese Erklärung haben – neben 24 Staaten und 38 Regionen und Städten – von den Autoherstellern von Rang und Namen nur Daimler, Volvo, BYD, Jaguar Land Rover sowie die US-Autobauer Ford und General Motors unterschrieben. Der Volkswagen-Konzern und BMW haben die Vereinbarung nicht unterschrieben!
Das Umweltministerium, vertreten durch Staatssekretär Flasbarth, sah seine Umwelt-Felle als fanatischer Befürworter des E-Auto davon schwimmen. Doch durchgesetzt hat sich dann endgültig unter anderem der noch amtierende Bundesverkehrsminister Scheuer. Kurz nach Veröffentlichung der Erklärung in Glasgow bekräftigte Scheuer die Einigkeit der Bundesregierung in der Verbrennungsmotor-Frage und hielt auf Twitter fest: „Wir wollen saubere & klimaneutrale Mobilität, aber eben technologieoffen. Der FOSSILE Verbrenner muss 2035 auslaufen! Was in der Glasgow-Erklärung fehlt? – eFuels aus erneuerbaren Energien in Verbrennungsmotoren zu nutzen.“ So Scheuer wörtlich. Flasbarth resignierte. „Ich bin hier ja nicht auf einem Egotrip“, fasste er die Zwickmühle des Bundesumweltministeriums zusammen, das für sich nach eigenen Angaben gerne die Erklärung unterschrieben hätte.
Aber genau das war die bisherige Linie des Umweltministeriums und seiner Verantwortlichen, die voll für den Elektrotrip der Bundesregierung inclusive der Fördermilliarden für Infrastruktur und Anschaffung von E-Autos verantwortlich waren. Stets bemängelten sie, dass für die Herstellung von E-Fuels auf Basis von grünem Wasserstoff eine Menge Ökostrom nötig ist. Und übersahen dabei völlig, dass auch für die angestrebte Flotte von mindestens 10 Millionen Elektrofahrzeugen auf deutschen Straßen erhebliche Mengen an grünem Strom erforderlich sind, sollen E-Autos wirklich klimafreundlicher fahren als Verbrennerautos. Noch wird geglaubt, dass diese Menge in den kommenden Jahren mit einem Kraftakt zu erreichen wäre.
Das ist ein Irrtum! Faktum ist: Diese Zusatzmenge – die Betonung liegt auf Zusatz – an grünem Strom ist in Deutschland in keinem Fall bei der jetzigen Energiepolitik – raus aus der Kernkraft, raus aus der Kohle – zu erreichen. Ökostrom fehlt in Deutschland heute, und wird morgen in noch größerem Ausmaß fehlen. Weder für den Betrieb von E-Autos noch für die Produktion von E-Fuel steht in Deutschland ausreichend „grüner“ Strom zur Verfügung. Experten bezeifeln sogar, dass überhaupt genügend Strom in Zukunft im Netz wäre. Strom-Rationierung und Blackouts werden bereits vorgerechnet.
Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass E-Fuels für Deutschland im Ausland produziert werden müssen, da wo die Sonne ständig scheint und/oder Wind stetig weht. Nicht nur Verkehrsminister Scheuer ist davon überzeugt, dass dies keine unüberwindbare Hürde darstellt. Auch die Ampel-Verhandler setzen auf E-Fuels und hatten dies auch schon ausdrücklich in ihrem Sondierungspapier verankert – zum großen Frust der grünen Elektro-Hardliner. Dazu gibt es noch ein interessantes Detail: Der Siemens-Konzern baut derzeit zusammen mit dem Autohersteller Porsche und dem Saudi-Ölkonzern Aramco in Chile eine Fabrik für E-Fuels.
Für BMW ist „Technologieoffenheit“ das Zauberwort. Zwar sollen auch bei BMW im Jahr 2030 die Hälfte der BMW-Autos nur mit Strom fahren. Aber es solle weiterhin Verbrennerfahrzeuge geben, die mit synthetischen Kraftstoffen und Wasserstoff betrieben werden können. Synthetische Kraftstoffe sollten auch für Pkw hergestellt und genutzt werden.
Damit gehört Oliver Zipse zu den wenigen Industrieverantwortlichen aus der Autobranche, die über den Tellerrand hinausdenken und das Weltklima als Ganzes im Auge haben und nicht nur in einzelnen Ländern oder Modellreihen ihres Konzerns. Selbst wenn global jährlich 30 Millionen neue Elektroautos auf den Markt kämen – unterstellt, sie seien grün betrieben und produziert – bedeutet das angesichts des Altbestands an 1,6 Milliarden Verbrennerautos nur einen Klimatropfen auf den heißen Stein. Wirksamer Klimaschutz kann nur betrieben werden, wenn dieser Altbestand CO2-neutral gestellt wird, also im Fahrbetrieb zwar CO2 emittiert, aber kein zusätzliches CO2 entsteht. In E-Fuels wird bereits vorhandenes CO2 recycelt, es entsteht also kein neues. Das ist der Trick!
Bei Daimler dagegen wird anders gedacht. Als einziger deutscher Autohersteller hat Daimler-Chef Ola Källenius auf der Klimakonferenz in Glasgow mit anderen Herstellern ein konkretes Datum für ein Verbrenner-Aus vereinbart. Auf dem jüngsten Automobilwoche-Kongress hat der Daimlerchef die Festlegung auf ein Enddatum für den Verbrennermotor vehement verteidigt. „Ich habe unterschrieben, weil wir davon ausgehen, dass die Kunden im Premium-Segment schneller einen Zugang zu Ladeinfrastruktur haben“, so Källenius. So werden die allermeisten Mercedes in einer Garage geparkt, die sich im Zweifel mit einer Wallbox ausstatten lässt.
Zudem ist für Källenius klar, dass das Kapital des Unternehmens spätestens ab 2025 zum Großteil nur noch in die Elektromobilität fließen soll und der Umstieg beschleunigt wird. „Wenn man einmal losgeschwommen und in der Mitte eines Flusses ist, dann will man auch an das andere Ufer“, so Källenius. Zudem wachse der Druck von Investoren, auf CO2-Neutralität umzusteigen. Källenius rechnet damit, dass im Jahre „2030 + X“ Schluss ist mit dem Verbrenner
Dagegen spricht sich auch EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean wie der VDA und BMW, und völlig anders als ihr Vorgänger Timmermanns, für Technologieoffenheit aus. Noch könne man nicht sagen, welche Technik die erfolgreichste sein werde. Und: „Ich halte ein Verbrenner-Verbot schlichtweg für falsch“.
Elektromobilität ist die Zukunft, heißt es an vielen EU-Stellen. EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean sieht das nicht so einseitig. Im Rahmen des „Handelsblatt Auto-Gipfels“ zeigte sie sich als Befürworterin alternativer Kraftstoffe. „Flüssige Kraftstoffe für die Straße zu haben wäre absolut großartig“, sagte die Rumänin. „Die Infrastruktur ist schon da“, fügte sie mit Blick auf Tankstellen und Raffinerien an.
Für Vălean sind Übertragungsnetze wichtiger als Ladenetze. Für die Produktion von E-Fuels braucht es große Mengen an grünem Strom, der nicht verfügbar ist. Erste Anlagen in industriellem Maßstab entstehen aktuell in Chile, wo sie Windenergie nutzen sollen. Vălean sprach sich angesichts der Antriebswende für höhere Investitionen in Übertragungsnetze aus. Es werde immer mehr Strom gebraucht, so die Kommissarin.
Denn der Verkehrskommissarin ist bewusst, dass auch andere Transportzweige ihre Emissionen senken müssen und deshalb Interesse an E-Fuels haben könnten. Beispielsweise die Luftfahrt, deren Vehikel sich kaum elektrifizieren lassen. Wer wie viel synthetische Treibstoffe brauche und bekomme, solle der Markt regeln, erklärte Vălean. Die Politik müsse den Markttrends folgen.
Zu wenig Geschwindigkeit beim Ausbau öffentlicher Ladenetze für E-Autos sei dagegen nicht das größte Problem. Viele Staaten würden schon jetzt die Ausbauziele aus Brüssel erfüllen, obwohl diese noch nicht einmal verbindlich in Kraft getreten seien, so Adina Vălean. Und: „E-Fuels „wären absolut großartig“.
Zum Abschluss sei Fritz Indra zitiert, Motorenpapst aus Wien: “Habe eben auf ZDF gehört, dass Deutschland dem Verbrenner mit syn. Kraftstoffen eine Chance gibt und deshalb diesen Unsinn zum Ausstieg aus den Verbrennern nicht unterschrieben hat … Ist das nicht ein riesiger Erfolg?“