Tichys Einblick
Eine Analyse des Status Quo

Gewinner und Verlierer der Digitalisierung

Netflix bedient 100 Millionen Kunden mit 5.000 Mitarbeitern, Facebook als Werberiese hat nur 20.000 Mitarbeiter. Apple als wertvollste Firma der Welt kommt mit knapp 120.000 Mitarbeitern aus und Google mit 80.000.

© LEON NEAL/AFP/Getty Images

Digitalisierung bedeutet, dass sich Prozesse aus dem realen Leben zu einer digitalen Repräsentanz hin verschieben. Das Ganze ist durchaus kein Hexenwerk, so hat die E-Mail bereits in großem Umfang den geschriebenen Brief ersetzt und die gute alte Zeitung wird von immer mehr Menschen in Form von Nachrichten auf dem Mobiltelefon konsumiert. Wird Digitalisierung in den Medien thematisiert, so geht es konkret um schnelle Breitbandnetze, aber auch um selbstfahrenden Autos und Roboter, die Pakete austragen, Alte und Kranke pflegen und den Kühlschrank, der selbst Inhalt nachbestellt.

Ziel dieses Artikels ist es, den gegenwärtigen Stand anhand einiger bereits etablierter Technologien aufzuzeigen und zu analysieren, welche Firmen und Länder davon profitieren und wie Deutschland im Vergleich einzuordnen ist. Natürlich wagen wir am Ende des Artikels auch einen Blick in die Glaskugel der Zukunft.

Die Digitalisierung kommt als „Aschenputtel“

In Science Fiction Filmen sieht man Menschen in Flugtaxis herumfliegen, intelligente Roboter prägen das Stadtbild und allerlei auffällige Technik ist im Gebrauch der Menschen. In der Tagespresse sind immer wieder Artikel über spektakuläre Durchbrüche in der künstlichen Intelligenz zu lesen, aber ins tägliche Leben haben es weder Flugtaxis noch autonome Roboter geschafft.

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Der digitale Wandel ist aber da, extrem und gewaltig, nur bleibt er lautlos und unsichtbar. Die Digitalisierung führt dazu, dass Lieferketten kürzer werden und Bestellungen im Internet zunehmen, was aber nur indirekt sichtbar wird durch die Aufgabe von Fachgeschäften in den Innenstädten oder Einsparungen in der Buchhaltung, wodurch Arbeitsplätze verloren gehen und Kanzleien schließen. Reisebüros werden obsolet und Bücherläden bricht der Umsatz weg, bis auch diese geschlossen werden. Das Ganze ist wie im Märchen von Aschenputtel, wo die strahlende Prinzessin durch ihre unscheinbare Verkleidung verborgen blieb.

Erwartet wird dagegen meistens, dass Digitalisierung direkt Arbeiter durch Roboter ersetzt. Das passiert aber eher nicht, der Zusammenhang zwischen Digitalisierung und seinen Folgen ist grundsätzlich schwer zu erfassen, da die Konsequenzen oft nicht direkt zu sehen oder konkreten Rationalisierungsmaßnahmen zuzuordnen sind.

Breitbandnetze und das Entstehen von Streaming

Wir fangen mit den vielzitierten Breitbandnetzen an. Um 1990 ging man weltweit mittels sogenannter Modems ins Internet und hatte Bandbreiten von wenigen Kilobit. Zur Jahrtausendwende wurde das Ganze durch die DSL-Netze benutzerfreundlich, die anfänglich bis zu 3.000 Kilobit Leistung brachten und immer weiter ausgebaut wurden. Mein Netzanbieter offeriert mir heute bereits bis zu 400 MBit/s Leistung. Natürlich ergibt sich logisch die Frage, wer solche schnellen Netze überhaupt braucht und was er damit anzufangen gedenkt. Da hilft ein Blick über den großen Teich, wo die Amerikaner Statistiken führen, wofür diese Bandbreiten eigentlich genutzt werden. Mit steigender Tendenz steht die Firma Netflix an der Spitze mit 35% vor dem Videoportal Youtube (14%) und dann schon weit abgeschlagen Facebook mit 3% der genutzten Bandbreiten.

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Nehmen wir also diese Firma Netflix ins Visier. Ursprünglich war Netflix eine Online-Videothek, bei der man Filme und Serien auf DVD leihen konnte, die per Post verschickt wurden und die nach wenigen Tagen zurückgegeben werden mussten. Das war natürlich ein mühsames Geschäft und Netflix ein Zwerg in der Unterhaltungsbranche. 1997 gegründet schlug sich Netflix mehr schlecht als recht durch und da das Versenden der DVD s aufwändig und teuer war, nutzte man so ziemlich als Erster die Bandbreite des Internets, indem man seinen Kunden anbot, die Filme direkt aus dem Internet zu sehen. Allerdings ist ein Download nicht erlaubt, sondern nur Streaming (dabei sieht man live den Film, der per Internet auf das Endgerät des Benutzers übertragen wird, aber speichert diesen nicht). Wer mehr als 10 MBit pro Sekunde zur Verfügung hat, kann bereits HD-Qualität erleben, bei meiner Bandbreite von 200 MBit sind sogar UHD-Filme mittels Streaming möglich.
Wirtschaftliche Folgen von Streaming am Beispiel Netflix

Dass es der Firma Netflix inzwischen sehr gut geht, kann sich jeder vorstellen. Als erfolgreicher Pionier und Marktführer haben sich die Kundenzahlen geradezu astronomisch auf derzeit über 100 Millionen entwickelt, die weltweit den Dienst frequentieren. Netflix hat einen Börsenwert von über 75 Milliarden Euro und damit bereits Daimler–Benz eingeholt, das derzeit einen fast identischen Wert an der Börse hat. Nur macht Netflix das mit nur 5.000 Mitarbeitern.

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„Des einen Freud ist des anderen Leid“, heißt es sprichwörtlich und der Verlierer der neuen Technik ist das Privatfernsehen. Junge Leute schauen ihre Filme und Serien nun einfach gegen eine geringe Gebühr (derzeit knapp 10 Euro im Monat) bei Netflix und ignorieren das Angebot des linearen Fernsehprogramms. Den öffentlich-rechtlichen Medien mit ihren sicheren Gebühren kann das gleich sein, aber das Privatfernsehen verliert gerade seine junge Kundschaft und damit die Zielgruppe der Werbung.

Verzicht auf Werbung, riesiges Angebot, komfortable Benutzerführung, kein Receiver oder Recorder notwendig und geringer Preis haben in meiner Familie das alte TV zugunsten von Streaming abgelöst. In den USA ist die Entwicklung bereits viel weiter, 50 Millionen Haushalte haben ein Netflix–Abo und fallen damit zum großen Teil als klassische TV-Konsumenten aus. Deutschland hat keine vergleichbaren Angebote, sondern meist kostenfreie Onlineportale, die halblegal/illegal Filme zeigen und biedere Mediatheken der Fernsehsender, wo wenig ansprechend Inhalte des Programms zum Streaming angeboten werden. Deutschland hat hier vereinfacht gesagt vollkommen die Entwicklung verpasst.

Online-Shopping

Seit etwa zwanzig Jahren entwickelt sich das Online-Shopping. Im deutschen Einzelhandel werden über 10% des Umsatzes online gemacht (60 von knapp 500 Milliarden Euro). Das klingt erst einmal wenig, aber man muss berücksichtigen, dass technische Massenprodukte oder Kleidung weit überproportional betroffen sind und Lebensmittel weiterhin im Supermarkt gekauft werden. Durch das Online Einkaufen verkürzen sich Lieferketten, da der Endkunde teilweise bereits beim Hersteller direkt einkauft oder nur einen Zwischenhändler benötigt anstatt der früher oft langen, schwerfälligen und teuren Zwischenstufen.

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Die Folgen des Online-Shoppings sind, dass viele Fachgeschäfte in teuren Innenstadtlagen nicht mehr konkurrenzfähig sind, nach und nach schließen und durch Telefonläden, Billigbekleidungsgeschäfte oder zwielichtig anmutende Wettbüros für Sportwetten ersetzt werden. Deshalb finden Kunden aus der bürgerlichen Mittelschicht kaum noch Anreize, in die Innenstädte zu gehen und das Publikum wandelt sich dort stark hin zu jung, männlich und arbeitslos. All das passiert bereits bei einem Marktanteil von gut 10% des Online Handels und ist eine der schleichenden Folgen der Digitalisierung.

In den USA geht man gegen diesen Trend durch attraktive Angebote für Familien oder flexible Öffnungszeiten der Läden vor, in Deutschland dominiert dagegen die Diskussion um Verbote (Fahrverbote in der Innenstadt) oder Einschränkungen (beschränkte Ladenöffnungszeiten, exorbitante Parkgebühren), so dass viele Menschen Innenstädte meiden, da sowohl Angebot, als auch Kosten und mittlerweile auch das Publikum wenig einladend wirken.

Amazon ist in Deutschland mit einem Marktanteil von 25% Marktführer. Mit Otto und Zalando gibt es nur zwei deutsche Firmen, die signifikante online Marktanteile haben. Zum Vergleich setzte der chinesische Online-Gigant Alibaba am 11.11.2017 (sog. Single Day) mit massiv beworbenen Lockangeboten allein 25 Milliarden Euro um, also fast den halben Jahresumsatz der deutschen Branche an einem Tag!

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Marktführer wie Amazon sind sehr innovativ und bieten beständig neue Anreize für ihre Kunden, während der klassische Einzelhandel keine sichtbaren Anstalten zur Innovation macht. Das ist übrigens ein Phänomen, das sich über alle Bereiche der Digitalisierung erstreckt. Auch Netflix hätte keine Chance gehabt gegen renommierte TV-Sender, wenn diese rechtzeitig auf attraktive Streaming-Angebote umgestellt hätten.

Marktführer im online Shopping weltweit sind Amazon und Alibaba mit schier unglaublichen Wachstumsraten. Bei Amazon waren es 2010 noch knapp 30 Milliarden Euro Umsatz, derzeit steuert Amazon auf 150 Milliarden zu. Von Alibaba (dem chinesischen Amazon) gibt es kaum zuverlässige Zahlen, doch der oben erwähnte „Weltrekord“ von 25 Milliarden Euro Umsatz an einem Tag (11.11) deutet darauf hin, dass die Umsätze von Alibaba noch höher sind als die von Amazon.

Das Smartphone

Am 9. Januar 2007 saß ich wie gebannt vor der Präsentation von Apples neuem Wundergerät – dem iPhone. Steve Jobs präsentierte es in einer wirklich schillernden Keynote und prognostizierte, dass dieses Gerät die Welt verändern würde. Er hatte recht, das iPhone ist das „Schweizer Taschenmesser der Kommunikation“ und mittels dieses Gerätes verlagerte sich Privates und Geschäftliches ins Internet. Kernstück war der Touchscreen mit der kontextsensitiven virtuellen Tastatur, denn vorher hatten Smartphones über 50 winzige Tasten, während das iphone gar keine Tastatur mehr hat und zu jeder App die passende Tastatur auf dem Touchscreen erschien! Apple stieg durch das iPhone zum Unternehmen mit dem höchsten Börsenwert auf (derzeit knapp 800 Milliarden Euro) und seit 2007 hat sich ein großer Teil der Kommunikation auf das Smartphone verlagert.

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Asiatische Firmen wie Samsung oder Huawei haben technisch mit Apple gleichgezogen, während in Deutschland Siemens seine Mobilfunksparte an Benq verkaufte, die ein Jahr später in der Isolvenz landete. Der andere große europäische Hersteller Nokia verpasste die Entwicklung und nachdem Nokia von 1998 bis 2011 noch Weltmarkführer für Mobiltelefone war,  wurde die Sparte 2013 an Microsoft verkauft und spielt am Markt nur noch eine untergeordnete Rolle. Wie bei den anderen Themen der Digitalisierung ist auch beim Smartphone evident, dass Entwicklungen nicht erkannt oder verschlafen werden und selbst bei großen wachsenden Märkten kein Versuch von den Europäern unternommen wird, dort Fuß zu fassen. Ganz im Gegensatz dazu kämpfen sich große asiatische Firmen in den Markt, auch wenn das jahrelange Misserfolge und hohe Investitionen mit sich bringt.

Die Folge der Smartphonenutzung war ein wirtschaftlicher Niedergang der Printmedien, die ebenso wie Musikindustrie oder Einzelhandel erst den Wandel ignorierten, ihn dann bejammerten und schlussendlich als langsamen Abstieg erduldeten ohne Ideen, etwas besser zu machen. Dieses Verhalten ist ein ewig wiederkehrendes Muster der „alten Industrie“ – oft noch flankiert durch den Ruf nach Vater Staat zur leistungslosen Abfederung der veränderten Rahmenbedingungen.

Der digitale Wandel in der Werbung

Die Umsätze für Werbung bleiben in den westlichen Ländern in etwa konstant, die Branche ist recht stabil. Ziel der Werbung ist natürlich, möglichst viele Kunden zu erreichen und darum wird dort geworben, wo die Kunden aktiv sind. Printmedien beziehen meist mehr Einnahmen durch ihre Werbepartner als durch ihre Leser und sind vom digitalen Wandel am meisten betroffen. Denn wer z.B. heutzutage in München ein Haus oder eine Wohnung sucht, schaut kaum noch in die Süddeutsche Zeitung, sondern geht auf die führenden Portale wie Immoscout24 und sieht dort ein gigantisches Angebot. Dazu kommt, dass er dort nicht wie in der Zeitung kryptische Dreizeiler mit minimalen Angaben über die Immobilie liest, sondern jedes Objekt von den Maklern gut aufbereitet im Netz präsentiert bekommt. Gleiches gilt für die guten alten Heiratsannoncen, die durch moderne Vermittlung wie Friendscout oder Parship abgelöst wurden. Vorteil ist auch hier für den Kunden, dass er komplette Profile sieht und sich mittels Suchmasken die gewaltige Zahl der angebotenen Daten auf ein sinnvolles Maß zurechtfiltern kann.

Personalisierte Werbung im Internet

Seit einiger Zeit verblüfft mich die personalisierte Werbung im Internet immer mehr. So schaue ich z.B. bei Google nach günstigen Flügen nach Peking und wenn ich dann bei Facebook mein Profil öffne, wird mir Tage später ein Flug dorthin angeboten. Gleiches gilt für alle Arten von Produkten: wenn ich irgendwo im Internet ein Produkt suche, dann bekomme ich Werbung dafür auf anderen Internet Plattformen. Dazu kommt, dass ich sogar passende Produkte zu meinen Hobbys angeboten bekomme. Ich bin Segler und man bietet mir z. B. Neoprenanzüge an oder Segeltörns in der Karibik.

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Natürlich ruft das Datenschützer auf den Plan, die zu recht auf die stille Tätigkeit der „Datenkraken“ wie Google oder Facebook hinweisen. Aber für mich als Endkunden gestaltet sich diese Art der Werbung durchaus als angenehm. Ich werde nicht einfach zufällig mit Werbung bombardiert, sondern bekomme maßgeschneidert Produkte angeboten, die zu meinem Internet–Profil passen. Diese Werbung ist zumindest bei mir viel erfolgreicher als die traditionelle Werbung. Während ich denke, dass die Werbung in TV und den Printmedien mich mehr im Unterbewusstsein manipuliert (Kauf des bekannten Markenprodukts im Regal des Einzelhandels statt des gleichwertigen Noname-Angebots), führt online Werbung oft dazu, dass ich direkt auf die Werbelinks gehe und durchaus auch kaufe, wenn das Angebot besser ist als das, was ich selber eruiert habe.
Die Verlagerung der Werbung zu Google und Facebook

Da der Umsatz in der Werbebranche in etwa gleich bleibt, lohnt ein Blick auf die Branchenriesen Google und Facebook, um quantitativ zu belegen, ob die gefühlte Wahrheit der Verlegung auf Online Werbung auch die wirtschaftliche Realität abbildet. Google (jetzt Alphabet) hat seinen Umsatz von 30 Milliarden Euro 2010 auf 90 Milliarden bis 2016 verdreifacht und auch 2016 ein Wachstum von 22% hingelegt. Nach aktuellen Zahlen setzt sich dieses Wachstum ungebremst fort. Bei Facebook ist die Steigerung noch weitaus dramatischer: 2010 waren es 2 Milliarden Umsatz, 2016 dann bereits 28 Milliarden, in diesem Jahr beträgt das Wachstum knapp 50%! Solche unglaublichen Entwicklungen kennt die ehrwürdige deutsche Industrie nicht mehr und an der Börse haben Facebook und Google bereits zusammen 80% des Wertes aller DAX30 Unternehmen zusammengerechnet.

Während in der Vergangenheit selbst die biedere Heimatzeitung oder das örtliche „Käseblättchen“ von Werbung leben konnten, führt die Verlagerung zu den Online Riesen schlicht zum Einnahmeausfall der traditionellen Werbeträger bei Privat-TV oder Printmedien. Natürlich gehen diese mit der Zeit und sind online lesbar, doch die meisten jüngeren User konsumieren ihre Nachrichten über Facebook, indem sie dort die Medien abonnieren, die ihnen zusagen und so wandert das Geld für die Werbung auch für die Leser von Artikeln deutscher Zeitungen immer mehr in die Taschen der Online-Riesen.

Weltweit kann nur China mit den Giganten aus den USA konkurrieren. China hat Google, Facebook oder Amazon aufgrund derer intransparenten Datensammlungen gesperrt. Gleichzeitig entstanden in China ähnlich große Gebilde wie die US-Vorbilder, wobei die Konzerne Tencent und Alibaba, die derzeit mit Riesenschritten aufschließen, den Vorteil haben, weit mehr Kunden zu haben als die Amerikaner.

In Deutschland führt der Trend zur völligen Verarmung der Printmedien und damit zum Niedergang des privaten Journalismus. Üppig ausgestattet bleiben lediglich staatsfinanzierte Medien wie die ÖR Programme, die aber natürlich nur begrenzte Neutralität haben und wenig Interesse an ihren Kunden zeigen. Als Endkunde ärgert sich der Leser dann über den Verfall der Qualität von Privat-TV (ja auch das wird noch schlechter) und der Printmedien und obendrein noch die Staatspropaganda, die er zu allem Überfluss sogar noch zwangsfinanzieren muss!

Digitalisierung in weiteren Branchen

Im Grunde ist so gut wie jede Branche von der Digitalisierung betroffen und die sichtbaren Muster wiederholen sich überall. Manche Branchen machen einfach nicht mit und werden deshalb konsequent von Newcomern verdrängt bzw. marginalisiert. Die Musikbranche ist ein gutes Beispiel dafür. Die Musikindustrie bekämpfte die Tauschbörse Napster vor gut 20 Jahren und erstritt ein Verbot vor Gericht, zeigte aber keinerlei Anstalten sich selbst Gedanken über die Nachfolge der CD zu machen oder wie die Branche das Internet nutzen könne. Das übernahmen Apple mit ITunes und legale Streaming Dienste wie Spotify, die dem Endkunden Zugriff auf Millionen von Titeln gegen Gebühr gewährten. Die Musikindustrie bekommt natürlich Geld für diese legalen Dienste, aber sie selber hat keine digitalen Vertriebswege zum Kunden geschaffen und muss mit den Folgen eines drastischen Umsatzrückgangs ebenso leben wie der Einzelhandel, der sich ähnlich fatalistisch in sein Schicksal ergibt.

Generelle Aussagen und Charakteristiken der Digitalisierung

Die Vorstellung in der Öffentlichkeit, dass Digitalisierung im wesentlichen Arbeitsplätze von Menschen gleichwertig durch Roboter ersetzt, ist schlichtweg falsch. Die Digitalisierung schafft alternative Geschäftsprozesse und ersetzt den Menschen damit indirekt. Es gibt eben keinen Roboter bei dem man eine Reise bucht, sondern Portale im Internet, wo Kunden komfortabel selber buchen und damit Reisebüros obsolet machen.

Politiker haben im Wahlkampf 2017 damit geworben, dass die Digitalisierung auch Arbeitsplätze schafft, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Netflix bedient 100 Millionen Kunden mit 5.000 Mitarbeitern, Facebook als Werberiese hat nur 20.000 Mitarbeiter. Apple als wertvollste Firma der Welt kommt mit knapp 120.000 Mitarbeitern aus und Google mit 80.000. Allerdings bedienen diese Riesen die ganze Welt mit oft mit mehr als einer  Milliarde Endkunden und benötigen dazu extrem wenig Arbeitskräfte. Die klassische Industrie ist dagegen sehr abhängig von Arbeitskräften. Der Autoriese General Motors hatte zu seiner besten Zeit bis zu einer Million Angestellte (jetzt noch ein Viertel davon), VW beschäftigt heute noch 600.000 Mitarbeiter. Schauen wir uns exemplarisch die benötigten Arbeitskräfte im Einzelhandel an: Das größte Unternehmen Walmart (USA) hat 2.3 Millionen Angestellte, der moderne online Konkurrent Amazon weltweit 340.000. Ich denke, jedem ist klar, dass Walmart weiterhin stark Arbeitsplätze abbauen wird und der Online Handel nur einen Bruchteil der Verluste kompensieren kann.

Gewinner der Digitalisierung sind die neu entstandenen Großunternehmen und ihre Aktionäre. Selbst Kleinaktionäre wie ich verdienen dieses Jahr über 30% Rendite mit einem Mix quasi aller hier im Artikel genannten Firmen, wenn sie einfach von allen Firmen ein paar Hundert oder Tausend Anteile erwerben und den Durchschnitt des Marktes mitnehmen.

Digitalisierung auf Regionen/Länder bezogen

Schaut man sich die Börsenwerte der größten Firmen der Welt an, dann sind die Riesen der Digitalisierung ganz vorne mit dabei. Apple ist derzeit die Firma mit dem größten Börsenwert, aber Alphabet (Ex-Google), Amazon oder Facebook holen rasant auf. Die beiden größten Chinesen Tencent und Alibaba haben auch einen Börsenwert, der jeweils beim Doppelten der gesamten deutschen Autoindustrie samt deren Zulieferer liegt!

Die US-Unternehmen dominieren zwar den Weltmarkt, doch China sperrt diese knallhart aus. China sperrt Google und verwendet Baidu, statt des verbotenen Amazon gibt es Alibaba oder JD und Tencent macht eine Mischung davon, was Whatsapp, Twitter und Facebook (alle in China geblockt) bieten. Der chinesische Staat fördert massiv den Konkurrenzkampf auf dem nationalen Markt, unterstützt aber die großen Firmen bedingungslos im internationalen Wettbewerb, ähnlich wie es Südkorea mit Samsung macht. Lenovo hat z. B. IBM die gesamte PC Sparte abgekauft und ist Nr. 1 in der Welt bei Computern. Ein Kampf gegen die heimische Autoindustrie oder ein Zerschlagen der  Energiewirtschaft aus politischen Gründen wären in China undenkbar. Die Vorgehensweise der Chinesen ist nicht fair, aber für das eigene Land ist „China first“ vorteilhaft und wird konsequent durchgezogen. Als Donald Trump sein „America first“ propagierte, war die Reaktion in China sogar positiv, man sah ihn als realistischer an als seinen Vorgänger.

Europäische oder gar deutsche Firmen sucht man bei den globalen Riesen der Digitalisierung vergeblich. Natürlich wirken die Prozesse der Digitalisierung auch in Europa, aber sie erhöhen die Umsätze der meist amerikanischen Branchenführer, die oft obendrein die Europäer verärgern, indem sie Meister der Steuervermeidung sind. Wenn man bedenkt, wie radikal China seine Konzerne fördert und wie brachial die US-Riesen am Weltmarkt agieren, dann kann man für Europa nur prognostizieren, dass die Digitalisierung bestenfalls alte Industriezweige konkurrenzfähig erhält, aber eben kaum neue Arbeitsplätze und Konzerne schafft. Das führt obendrein noch dazu, dass gerade junge Akademiker mit MINT Hintergrund auswandern, da sie in attraktiven Firmen arbeiten wollen, die meist in Übersee beheimatet sind. In China wurde in einem vielbeachteten Artikel die EU samt Merkel verglichen mit der UdSSR unter Breschnjew, was Machterhalt, Ausbremsen jeglicher Innvoation, Politik an den Menschen vorbei und Betonierung des Status Quo ohne erkennbares Ziel bedeutet.

Die Konsequenz wird sein, dass Arbeitsplätze in Europa überproportional abgebaut werden und dass es neben der Abhängigkeit von Rohstoffen auch eine Abhängigkeit von digitalen Produkten und Lösungen gibt. Die Politik ignoriert diese simplen Fakten schlichtweg und stellt sich sogar als Förderer der Digitalisierung dar.

Dr. Jochen Heistermann hat in theoretischer Informatik promoviert. Er war dann selbstständig und lebt nun als Privatier am Bodensee.

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