Tichys Einblick
Deutsche-Bahn-Chaos

Gerangel im Bahn-Vorstand: Ein Sündenbock und eine geplatzte Gehaltssteigerung

Ein Drittel mehr Gehalt für Vorstände, während die Ergebnisse schlecht sind? Beim Staatskonzern DB schien das möglich. Erst politischer Einspruch verhinderte es. Jetzt soll ausgerechnet die Chefin der berüchtigten Berliner Verkehrsbetriebe alles besser machen.

imago images / Ralph Peters

Das Führungschaos bei der Deutschen Bahn erreicht mal wieder einen neuen Höhepunkt. Finanzvorstand Alexander Doll, offenbar als Sündenbock vorgesehen, darf nun doch vorerst bleiben. Es habe keine Mehrheit im Aufsichtsrat für seine Entlassung gegeben, meldet unter anderen die FAZ. In zwei Wochen wird auf einer Sondersitzung endgültig darüber entschieden.

In der langjährigen Missmanagement-Geschichte des hoch verschuldeten Staatsbetriebs in privatrechtlichem Firmenmantel hat es ja schon viele Tiefpunkte gegeben und jetzt aber rächt sich einmal mehr die Verquickung von Führungsschwächen, politischem Einfluss, Intrigen im Vorstand – und schlichter Überforderung eines schwachen Managements. Entsprechend düster sind die finanziellen Auswirkungen. Laut Presseberichten soll das operative Ergebnis in diesem Jahr vorraussichtlich auf minus 300 Millionen Euro fallen – nach minus 190 Millionen im Vorjahr. Unter diesen Umständen ist es nicht überraschend, dass ein Sündenbock geopfert werden soll. Diese Rolle ist dem für Finanzen sowie die hochdefizitäre DR Cargo zuständige Vorstand Alexander Doll zufallen. Ihn machen seine Widersacher im Vorstand – allen voran Bahnchef Richard Lutz und der mit allen politischen Wasser gewaschene Ex-Kanzleramtschef Ronald Profalla – dafür verantwortlich, dass es im Güterverkehr immer weiter bergab geht. Dabei ist der gelernte Banker Doll erst seit etwa zwei Jahren bei der Bahn im Geschirr und hat den Großteil der Cargo-Probleme geerbt.

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Nun ist er offenbar Opfer des klandestinen Zusammenspiels von Lutz und Profalla, die mit der Rückendeckung des CSU-Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer Doll seit einiger Zeit aus dem Unternehmen drängen wollen. Anlass dafür ist der bislang missratene Verkauf der Tochtergesellschaft Arriva, die im europäischen Ausland, vor allem in Großbritannien, Bahnen und Busse betreibt. Der Deal, so die Kalkulation, sollte mindestens vier Milliarden Euro bringen, doch der Markt gibt das nicht annähernd her, zumal der Brexit vor der Tür steht. Also stoppte der Aufsichtsrat kürzlich den Verkauf. Gleichzeitig sprach sich der Personalausschuss des Aufsichtsgremiums dafür aus, die Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Sigrid Nikutta, in den Bahnvorstand zu berufen und ihr den Bereich Güterverkehr zu übertragen. Das hat der Aufsichtsrat gestern auch durchgewunken.

Doll soll dies befürwortet haben, um sich ganz auf die Finanzen konzentrieren zu können. Aber an Pofalla und Lutz war die Berufung Nikuttas früher schon einmal gescheitert. Offenbar befürchteten sie interne Konkurrenz, zumal sich Pofalla längst für die Amtsübernahme in Position gebracht hat für den Fall, dass auch der angeschlagene Lutz abgesägt werden sollte. Das kann schnell passieren, denn bis 14. Novemer soll der Vorstandschef auf Geheiß des Verkehrsministers ein Konzept für Verbesserungen bei der Bahn und vor alllem beim Güterverkehr vorlegen. Ob dabei allerdings endlich mehr herauskommt als bunte Charts und die Forderung nach mehr Staatsgeld ist mehr als zweifelhaft. Ausgerechnet die Chefin der BVG, die unter nahverkehrserfahrenen Berlinern für ihre Unzuverlässigkeit berüchtigt ist, soll jetzt die Probleme der Bahn lösen.

Die Arbeitnehmervertreter und einige Vertreter der Arbeitgeberbank im Aufsichtsrat setzten bislang auf Doll, dem sie tiefgreifende strukturelle Veränderungen eher zutrauen als den im Behördenjungel der Bahn lavierenden Lutz und Pofalla. Die Frage ist dabei, inwieweit der Verkehrsminister wieder einmal seinen Einfluss primär nach parteipolitischem Kalkül geltend macht (siehe Ausländermaut) oder doch einmal das Wohl des Ganzen, nämlich eines funktions- und leistungsfähigen Verkehrssystems Bahn, im Auge hat.

Umstritten war auch etwas anderes: Vier von sechs Vorstandsmitgliedern wollten und sollten mehr Geld bekommen („Verdienen“ kann man das angesichts der Lage der Bahn wohl nicht nennen). Statt nur 400 000 Euro im Jahr 585 000 Euro. Gerechtfertigt wurde das mit einer internen Studie des Beratungsunternehmens Kienbaum.

Erst der öffentliche Einspruch von Verkehrsminister Andreas Scheuer hatte das Vorhaben wohl zu Fall gebracht. Den Aufsichtsratsmitgliedern des bundeseigenen Unternehmens, darunter vier Bundestagsabgeordnete, ist daraufhin wohl klar geworden, dass mehr Geld für schlechtere Leistungen wohl gar nicht gut ankommt bei den Bürgern und Steuerzahlern. Zumal sich manch einer auch wieder an die Beraterverträge in Millionenhöhe erinnert hätte, die der Staatskonzern zwischen 2008 und 2018 ehemaligen Managern zugeschanzt hatte. Die Vorstände müssen sich also weiter mit 400 000 Euro begnügen.

Und die Kunden müssen sich mit der inzwischen sprichwörtlichen Unpünktlichkeit der DB-Züge begnügen. Im Jahr 2018 waren nach  eigenen Angaben im Nahverkehr 94 Prozent der DB-Züge pünktlich, bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) 96 und bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) 97 Prozent. Allerdings: Für die Deutsche Bahn heißt „pünktlich“ weniger als sechs Minuten Verspätung. Für die Schweizer und Österreicher nur fünf Minuten. Im Fernverkehr kam 2018 jeder vierte Zug der Deutschen Bahn mehr als sechs Minuten zu spät.

Mit Material von „Dossier B“ 

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