Tichys Einblick
Der Marktausblick

Zwei Weihnachtsmänner an den Börsen: Staaten und Notenbanken mit milliardenschweren Stützungsprogrammen

DAX flirtet mit Allzeithoch, Internetriesen unter Beschuss, Fondsmanager voller Optimismus.

© Getty Images

Der letzte Monat des Jahres ist statistisch einer der besten des Börsenkalenders. Bislang macht der Dezember 2020 keine Ausnahme: Die Jahresendrally läuft, Pandemie hin oder her, und sie treibt nicht nur den DAX. Die US-Indizes markieren neue Rekorde gleich in Serie. Dabei erleben wir gerade eine der tiefsten Wirtschaftskrisen seit dem zweiten Weltkrieg. Der Grund für den Optimismus: In der Finanzwelt gibt es den Weihnachtsmann tatsächlich, und zwar gleich zweifach, denn Staaten und Notenbanken betreiben milliardenschwere Stützungsprogramme. Börsianer warten nur auf die nächsten Geschenke für die Wirtschaft, an der Wall Street herrscht insofern beste vorweihnachtliche Stimmung: Die Beratungen im US-Kongress über ein weiteres Hilfspaket laufen gut, sodass die Milliardengaben noch vor den Feiertagen beschlossen werden könnten. US-Notenbankchef Jerome Powell hat weitere Unterstützung für die Märkte zugesagt. Derzeit kauft die Fed Anleihen im Umfang von bis zu 120 Milliarden Dollar pro Monat.

Am Freitag legten die Aktienmärkte aber erst einmal eine Verschnaufpause ein und gingen mit moderaten Verlusten ins Wochenende. Der Dow Jones Industrial stieg im frühen Handel zwar auf ein Rekordhoch bei 30.343 Punkten, rutschte dann aber rasch ab und drehte ins Minus. Letztlich sank der US-Leitindex um 0,4 Prozent auf 30.179 Zähler. Daraus resultierte für die abgelaufene Woche ein magerer Gewinn von rund 0,4 Prozent. Auch der marktbreite S&P 500 erklomm am Freitag zunächst ein Rekordhoch, legte später aber ebenfalls den Rückwärtsgang ein und schloss mit einem Minus von 0,4 Prozent bei 3.709 Punkten. Für den Auswahlindex NASDAQ 100 ging es zunächst auch auf einen Höchststand und danach abwärts. Der technologielastige Index endete 0,1 Prozent niedriger bei 12.738 Punkten.

Die frischen US-Konjunkturdaten zeigten kaum Einfluss auf die Kurse. Die konjunkturellen Aussichten in den USA entwickelten sich im November etwas stärker als erwartet; der Sammelindex der wirtschaftlichen Frühindikatoren stieg um 0,6 Prozent gegenüber dem Vormonat.

Unter den Einzelwerten fielen die Aktien des Halbleiterkonzerns Intel negativ auf. Nach Apple will laut Insidern auch der Softwareriese Microsoft unabhängiger vom Chiphersteller werden. Microsoft nutze Technologie des Chip-Designers Arm für die Arbeit an einem Prozessor für Server in Datenzentren, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Zudem arbeite Microsoft an einem anderen Chip, der in einigen seiner „Surface“-Tablets verbaut werden könnte. Die Aktien von Intel brachen auf die Nachricht hin ein und verloren letztlich 6,3 Prozent. Die Papiere von Microsoft machten einen Teil ihrer Verluste wett und gingen mit einem Minus von 0,4 Prozent ins Wochenende.

Der florierende Paketversand in der Corona-Krise hat dem Logistikkonzern FedEx ein unerwartet starkes Quartal beschert. Daraufhin machten die Anleger erst einmal Kasse – die Papiere sackten um 5,7 Prozent ab. Allerdings hat sich der Kurs der Aktie seit Anfang Juli auch mehr als verdoppelt.

Die Aktien des Impfstoffherstellers Moderna büßten 2,6 Prozent ein. Am Vortag hatten sie noch von Erwartungen profitiert, dass ein Beratungskreis der US-Arzneimittelbehörde FDA grünes Licht für den Corona-Impfstoff des US-Pharmakonzerns geben würde. Diese Erwartungen bestätigten sich nach Börsenschluss. Die Abstimmung galt als wichtiges Signal für eine Notfallzulassung des Corona-Impfstoffs durch die FDA.

Nach Börsenschluss informierte Nike über seine jüngste Geschäftsentwicklung. Der weltgrößte Sportartikelhersteller profitiert in der Corona-Pandemie weiter von boomenden Verkäufen im Internet. Im zweiten Geschäftsquartal bis Ende November legte der Nettogewinn um zwölf Prozent zu. Damit übertraf Nike die Erwartungen am Markt deutlich, die Aktie reagierte nachbörslich zunächst mit einem Kurssprung um mehr als vier Prozent.

Die Kursbewegung der US-Börsen hatte zuvor schon die deutsche Börse vorexerziert: Am Nachmittag konnte der DAX noch moderate Gewinne verbuchen, dann drehte das Börsenbarometer ins Minus. Zuvor waren Futures und Optionen auf die deutschen Aktien-Indizes ausgelaufen. Gegen Handelsschluss liefen dann noch die Optionen und Futures auf einzelne Aktien aus. „Der DAX versucht sich über dem Kursniveau von 13.700 Punkten zu halten“, erklärte Börsenexperte Andreas Lipkow. Am Vormittag war der deutsche Leitindex mit in der Spitze 13.774 Zählern wieder dicht dran am Rekordhoch von 13.795 Punkten aus dem Februar. Es scheint derzeit nur eine Frage der Zeit zu sein, bis er darüber klettert. Nach dem jüngst starken Lauf zeichnete sich auf Wochensicht ein Plus von 4,6 Prozent ab. Zum Wochenschluss lagen vor allem die Zykliker unter den Aktien vorne. So stand die Siemens-Aktie mit einem Plus von gut 1,5 Prozent an der DAX-Spitze. Schlusslicht mit einem Abschlag von 1,6 Prozent war die Deutsche Wohnen-Aktie.

Google, Facebook und Co sind seit langem Lieblinge der Anleger, inzwischen aber auch die Lieblingsgegner der Kartellbehörden. So soll die US-Justiz vier Klagen wegen des Missbrauchs der Marktmacht der Internetgiganten vorbereitet haben, die bis Ende Januar 2021 eingereicht werden sollen. Im Oktober war bereits ein Ausschuss des US-Kongresses zum Schluss gekommen, dass die Webgiganten ihre Marktmacht missbrauchen. Aber auch aus Europa gibt es nun heftigen Gegenwind. So beschloss die EU-Kommission vergangene Woche, die Aufsicht in Sachen Wettbewerb und beim Umgang mit Nutzerinhalten erheblich zu verschärfen. So müssen die Firmen etwa geplante Übernahmen der Brüsseler Behörde melden. „Wir Europäer haben zu lange zugesehen, wie die Techriesen den europäischen Markt nach ihren eigenen Regeln beherrschen“, erklärte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. Den Konzernen drohen bei Verstößen gegen die Auflagen Strafen, die bis zu zehn Prozent des Umsatzes ausmachen können, und im Extremfall sogar die Zerschlagung.

Die Fondsmanagergilde versprüht in der aktuellen Umfrage der Bank of America (BofA) so viel Optimismus wie schon lange nicht mehr. So erreichte die Zuversicht hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Konjunktur den höchsten Wert der vergangenen zwei Jahrzehnte. Grund hierfür ist die Hoffnung der Mehrheit der 216 befragten Investoren, die global rund 573 Milliarden US-Dollar verwalten, dass der Impfstoff ab dem zweiten Quartal seine positive Wirkung auf die Volkswirtschaften entfalten wird. Folge: Die Cash-Bestände der Geldprofis schrumpften auf vier Prozent. So niedrig war die Bargeldquote zuletzt vor sieben-einhalb Jahren. Gleichzeitig kletterte die Beliebtheit von Schwellenländeraktien bei den Profis auf den höchsten Stand seit Ende 2010. Dennoch sind die Investoren sowohl in den USA als auch in der EU weiterhin am stärksten übergewichtet. Ein weiterer Indikator für die positiven Aussichten auf die Konjunktur ist die zunehmende Beliebtheit von Nebenwerten. 31 Prozent der Befragten bevorzugen Small Caps gegenüber Large Caps. Trotz dieser zuversichtlichen Grundstimmung: Corona wird nach wie vor als größtes Risiko für Verluste am Markt eingeschätzt. Dank der Impfstoffhoffnungen wurde das Virus allerdings nur noch von 30 Prozent der Befragten als Hauptrisikofaktor genannt. Neu in den Top 3 der Investorensorgen sind die Inflation sowie Angst vor fehlgeleiteten Fiskalmaßnahmen.

Auf dem Rohstoffmarkt sind die Bullen los. Insbesondere konjunktursensible Industriemetalle wie Kupfer, Nickel oder Eisenerz haben viel neuen Schwung erhalten. So kletterte der Kupferpreis vergangene Woche auf über 7800 US-Dollar die Tonne. Neben dem neuen Konjunkturoptimismus treiben auch die leeren Lager-bestände – bei Kupfer sind sie auf ein Zwölfjahrestief gefallen – die Notierungen. Die Investmentbank Goldman Sachs geht daher davon aus, dass Kupfer auch die 10.000-Dollar-Marke reißen könnte.


Weitere Meldungen und Kommentare zu Wirtschaft und Börse lesen Sie auf unserer Partner-Site

 

Anzeige
Die mobile Version verlassen