Gibt es so etwas wie Börsenlogik? Ja, die gibt es. Zwei Beispiele aus dem umfangreichen Repertoire: Aktienkurse nehmen die konjunkturelle Entwicklung um ein halbes bis Dreivierteljahr vorweg, und Indizes wie VDax für Deutschland oder VIX für Amerika signalisieren, ob es mit den Aktienkursen aufwärts oder abwärts geht. Demnach dürfte die Konjunktur in sechs bis neun Monaten mit der Erholung beginnen, doch die Stolperstrecke bis dahin wird mit Pleiten, Pech und Pannen einhergehen. So viel lässt sich anhand der Entwicklung von Aktienkursen während der vergangenen Jahrzehnte belegen. Das ist immerhin schon etwas.
Aber was soll daran logisch sein? Ganz einfach: die auf Fakten gestützte hohe Wahrscheinlichkeit. Keine Frage, wir haben es dieses Mal mit einer besonders heftigen Börsenentwicklung zu tun, und dementsprechend heftig wird die Konjunktur einbrechen. Aber das ändert nichts am Ablaufschema, wie wir es aus den Jahrzehnten zuvor kennen, zuletzt nach der Jahrtausendwende und dann nochmals während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 bis 2010.
Was hat es mit VDax und VIX auf sich? Beide sind sogenannte kurstechnische Indikatoren. Sie messen die implizite Volatilität, also Schwankungsbreite, zum einen bezogen auf den Deutschen Aktienindex Dax, zum anderen auf den repräsentativen amerikanischen Aktienindex S&P 500. Gut zu wissen: Steigen sie, fallen die Aktienkurse, und umgekehrt. Beide haben bisher im Zuge der Corona-Krise und der einbrechenden Aktienkurse zunächst Spitzenwerte erreicht. Jetzt pendeln sie auf mittlerem Niveau hin und her. Daraus lässt sich schließen, dass Großanleger, die für die Entwicklung der Aktienkurse ausschlaggebend sind, erst mal in der Warteposition verharren.
Damit die Konjunktur in Schwung kommt, werfen die führenden Notenbanken der Welt mit immer höheren Billionenbeträgen an sogenanntem Fiat-Geld um sich. Im Finanzjargon: Sie kommen indirekt für Staatsschulden auf, mischen sich also in die Fiskalpolitik von Ländern ein, ohne dafür ein Mandat zu haben, also gegen jegliches Recht. Schlimmer noch, sie finanzieren sogar schon Unternehmen. Das dazu jeweils besonders beliebte Mittel zum Zweck: Der Kauf von Anleihen – einschließlich solcher, die von Ratingagenturen den Stempel „Ramschniveau“ bekommen haben.
Das alles soll dazu dienen, die einbrechende Konjunktur vor dem totalen Zusammenbruch zu bewahren und so schnell wie möglich in Schwung zu bringen – an sich eine Abfolge von Verzweiflungstaten, aber offenbar alternativlos. Und nachdem zuletzt sowohl EZB-Chefin Christine Lagarde als auch ihr Pendant Jerome Powell von der amerikanischen Notenbank Fed bekundet hat, im Zweifel noch mehr Fiat-Geld einzusetzen, dürfte kein Zweifel an ihrem – zugegebenermaßen problematischen – Erfolg bestehen. Nicht zu vergessen: Auch die anderen großen Notenbanken mischen beim Einsatz von Fiat-Geld kräftig mit.
Doch bevor für den ganzen Geldzauber noch Nobelpreise verteilt werden, empfiehlt sich aus Sparer- und Anlegersicht, rechtzeitig über die Konsequenzen nachzudenken. Die stehen nämlich im Zeichen der Disruption. Darunter versteht man, bezogen auf die wirtschaftliche Entwicklung, den Wechsel eines bestehenden Geschäftsmodells oder Marktes zu einem ganz neuen, etwa durch die Häufung von Innovationen.
Aktuell findet ein solcher Wechsel besonders ausgeprägt wegen der Digitalisierung statt. Er erfordert von Anlegern Wachsamkeit, Flexibilität und Gespür fürs richtige Timing. Eine dazu empfehlenswerte Übung: Wenn es an den Börsen in den kommenden Monaten zwischenzeitlich mal wieder richtig kracht, eingedenk des vielen Fiat-Geldes Augen zu und Aktien kaufen! Ob die Wahl auf Aktien führender Technikkonzerne wie Amazon und Microsoft oder auf vielversprechende Nebenwerte fällt, gerät dann fast schon zur Nebensache.