Aufgrund der Dollarstärke fiel das Minus für Anleger, die in Euro kalkulieren, nur 13 Prozent. Der europäische STOXX 600 entwickelte sich mit minus 15 Prozent ähnlich schlecht. Der DAX verlor seit Jahresanfang mit fast einem Viertel besonders deutlich. In den USA konnten immerhin ein paar Sektoren Kurszuwächse erzielen: Energie mit plus 44 Prozent in Euro, Versorger mit plus sechs Prozent in Euro und Konsum mit plus zwei Prozent – jeweils in Euro gerechnet. Während im ersten Quartal wegen des Zinsanstiegs noch überwiegend hoch bewertete Wachstumstitel abverkauft wurden, trennten sich Anleger mit aufkommenden Rezessionsängsten im zweiten Quartal auch von zyklischen Substanzwerten.
Die Stärke des US-Dollars war das dominierende Thema an den Währungsmärkten im ersten Halbjahr. Der handelsgewichtete US-Dollar Index stieg auf ein 20-Jahres-Hoch – ein Reflex auf die straffere Geldpolitik der amerikanischen Notenbank. Zudem war der US-Dollar als „sicherer Hafen“ gefragt. Die schwächste Währung war der japanische Yen. Hier macht sich die weiterhin sehr expansive Geldpolitik der dortigen Notenbank bemerkbar. Währungen von Ländern, die Exporteure von Energierohstoffen sind, werteten ebenfalls in der Mehrzahl auf. Insbesondere lateinamerikanische Währungen legten zum US-Dollar sogar zu. Währungen derjenigen Länder, die Energierohstoffe importieren beziehungsweise sehr negative Realzinsen aufweisen – wie zum Beispiel die Türkei –, verloren hingegen an Wert.
Den ersten Tag des zweiten Halbjahrs schlossen de US-Aktienmärkte – sozusagen ein kleiner Mutmacher – nach einem wechselhaften Kursverlauf mit deutlichen Gewinnen. Der Dow Jones Industrial schaffte am letzten Handelstag vor dem verlängerten Wochenende letztlich ein Plus von 1,1 Prozent auf 31.097 Punkte. Auf Wochensicht ist das dennoch ein Verlust von 1,3 Prozent. Am kommenden Montag findet in New York wegen des US-Unabhängigkeitstags kein Börsenhandel statt. Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag um gut ein Prozent auf 3.825 Zähler bergauf. Der Technologieindex NASDAQ 100 gewann 0,7 Prozent auf 11.586 Punkte, was aber einen Wochenverlust von 4,3 Prozent bedeutet. Am Vortag hatten sich die drei Börsenbarometer mit historisch hohen Kursabschlägen für das erste Halbjahr aus dem Handel verabschiedet. Die Lust auf Aktien ist vielen Investoren angesichts steigender Zinsen und den Sorgen um eine drohende Rezession vergangen.
Angesichts der zunehmenden Rezessionsängste habe der Markt inzwischen zudem begonnen, die Auswirkungen auf die Gewinnaussichten der Unternehmen zu bewerten, kommentierte Experte Stephen Innes von Spi Asset Management. Auch Stimmungsindikatoren fielen mäßig aus. So sank die Stimmung in der Industrie im Juni deutlicher als erwartet auf ein Zweijahrestief, wie der Einkaufsmanagerindex des Institute for Supply Management (ISM) belegt. Der Indikator, der als Gradmesser für das gesamtwirtschaftliche Wachstum gilt, liegt aber immerhin weiter deutlich über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Derweil halten die Schwächesignale vom US-Häusermarkt an: Die Bauausgaben im Mai gingen gegenüber dem Vormonat leicht zurück, während Analysten mit einem Anstieg gerechnet hatten.
Eine schwächere Nachfrage bekommt inzwischen der Halbleiterhersteller Micron zu spüren. Der am Donnerstag nachbörslich veröffentlichte Umsatzausblick für das letzte Geschäftsquartal enttäuschte, die Aktie rutschte um fast drei Prozent ab. Auch die Kurse anderer Firmen der Branche wie AMD, NVIDIA und Texas Instruments wurden mit Verlusten zwischen 3,3 und 4,2 Prozent in Mitleidenschaft gezogen.
Für einen Paukenschlag sorgte derweil die Kaufhauskette Kohl’s. Sie gab das Ende der Gespräche über eine Übernahme durch die Franchise Group bekannt. Das Management verwies nach dreiwöchigen exklusiven Verhandlungen auf das schwierige Finanzierungs- und Einzelhandelsumfeld und erklärte, dies seien Hindernisse für eine akzeptable Vereinbarung mit dem potenziellen Käufer. Viele enttäuschte Anleger flohen aus dem Titel – am Ende stand ein Minus von nahezu 20 Prozent zu Buche. Die Papiere des Kaufinteressenten verbilligten sich um 7,5 Prozent.
Der Dax war zuvor mit einer moderaten Berg- und Talfahrt in die zweite Jahreshälfte gestartet. Mit einem kleinen Plus von 0,2 Prozent auf 12.813 Punkte ging er aus dem Handel, bleibt damit aber weiter angezählt. Seine Wochenbilanz beläuft sich auf minus 2,3 Prozent. „Um mehr als 2000 Punkte ist der Dax allein im Juni gefallen, ein historischer Negativrekord“, kommentierte Marktanalyst Jochen Stanzl von CMC Markets. In der Tat haben Anleger ein derartiges Minus von elf Prozent seit Auflage des deutschen Leitindex 1988 in einem Juni-Monat bisher noch nicht erlebt. Die Halbjahresbilanz war mit einem Verlust von bald 20 Prozent ebenfalls ernüchternd gewesen und die 13 000-Punkte-Marke ist nun wieder zu einer schwer überwindbaren Hürde geworden. Inflations- und Rezessionssorgen samt der Unsicherheiten angesichts des Gasmangels hierzulande haben tiefe Spuren hinterlassen. Der MDAX der mittelgroßen Werte stabilisierte sich am Freitag mit plus 0,05 Prozent auf 25.837 Zähler.
Die am Freitagvormittag veröffentlichten Inflationsdaten aus der Eurozone schockten dagegen kaum mehr, auch wenn ein weiterer Rekordstand erreicht wurde. Die Verbraucherpreise stiegen im Juni um 8,6 Prozent im Jahresvergleich und damit etwas stärker als von Experten erwartet. Versorger schlugen nach ihrem Kursdebakel am Vortag, als Uniper die Branche mit einem Hilferuf an den Bund nach unten gezogen hatte, einen Erholungskurs ein. Die Aktien von Uniper machten einen Teil ihrer Vortagesverluste wett und stiegen um 10,3 Prozent. Die Papiere von RWE und Eon Eon konnten ihre Verluste vom Donnerstag zwar ebenfalls nicht vollständig ausbügeln, aber erholten sich kräftig mit plus 5,3 Prozent für RWE und plus 2,4 Prozent für Eon.