Tichys Einblick
Der Marktausblick

RWE unter Druck: Wie sicher ist die Energieversorgung noch?

Mit dem faktischen Ende des Braunkohle-Tagebaus fällt der Kurs des früheren Energieriesen RWE: Aber auch die stromintensiven Industrien an der Ruhr sind bedroht. Die Energiewende wird zum breiten Kursrisiko.

© Getty Images

Der DAX ist für einen nationalen Leitindex recht volatil, das Barometer schwankt im Schnitt deutlich stärker als etwa der US-amerikanische Dow Jones. Mit Aufwärtsdynamik ist das nicht gleichzusetzen, ganz im Gegenteil.

Deutschland bergab

Der Index bewegt sich schon eine Weile in einem Seitwärtskanal, am Freitag verlor er mal wieder – um gut ein Prozent auf 12.112 Punkte. Auf Unternehmensseite richteten die Anleger ihr Augenmerk auf RWE. Das Oberverwaltungsgericht Münster stoppte die Rodungspläne des Konzerns im Hambacher Forst vorläufig. Das werde von kommendem Jahr an das operative Ergebnis (Ebitda) mit einem jährlichen dreistelligen Millionenbetrag belasten, teilte der Versorger mit. Der Kurs brach um zeitweise mehr als sieben Prozent ein. Es sind nicht nur erhöhte Kosten durch längere Verfahren. Kann RWE zukünftig seine Lieferverpflichtungen noch erfüllen, die auf billigem Braunkohlestrom basieren? Damit geht es nicht nur um den Versorger – die Chemieindustrie des Ruhrgebiets steht damit unter Strom. So legt man die Axt an den Industriestandort. Denn die Frage nach Energiesicherheit und Kosten stellt sich neu. Denn die Fledermäuse erscheinen nur vorgeschoben: Deutschland meint, auf industrielle Energieerzeugung verzichten zu können.

Bewegung auch in den USA

Auch der Dow Jones ist für seine Verhältnisse gerade ziemlich bewegt. Der US-Index verzeichnete zuerst ein neues Allzeithoch, am Donnerstag dann mit 0,8 Prozent einen recht markanten Tagesverlust. Stürme entstehen bekanntlich zwischen Hochs und Tiefs, ähnlich ist es mit der Volatilität an der Börsen. Die Wall Street schwankt zwischen positiven und negativen Einflüssen: Die US-Konjunktur läuft, die Unternehmensgewinne steigen. Fed-Chef Jerome Powell kündigt weitere Zinserhöhungen an, der Begriff „Überhitzung“ steht im Raum. Am Freitag musste die Wall Street nach dem Arbeitsmarktbericht nochmals Federn lassen. Der Dow Jones Industrial kam zeitweise kräftig unter Druck und fiel bis an die Marke von 26 300 Punkte, wo die Anleger dann aber wieder etwas mutiger wurden. Am Ende gab er noch um 0,7 Prozent auf 26.447 Punkte nach. Auf Wochensicht rutschte er so denkbar knapp mit 11 Punkten in den roten Bereich – trotz einer Rally zu Wochenbeginn, die ihm am Mittwoch mit 26.951 Punkten zu einem Rekord verholfen hatte.

Der Arbeitsmarktbericht fiel durchwachsen aus, zeichnete aber ein weiterhin robustes Bild für die US-Wirtschaft. Die Folge waren weiter steigende Renditen von US-Anleihen, was die Rentenpapiere als Alternative zu Aktien attraktiver macht. Als Belastung hinzu kam der Fakt, dass das ohnehin schon zerrüttete Verhältnis zwischen China und den USA zuletzt einen weiteren Dämpfer erhielt. Ein Medienbericht vom Vortag, wonach China bei großen US-Unternehmen gezielt Spionage-Chips eingeschleust haben soll, sorgte vor allem bei Technologiewerten weiter für Unruhe.

Beim NASDAQ 100 ging die Welle an Gewinnmitnahmen daher am Freitag besonders stark weiter. Der Auswahlindex der Tech-Werte sackte um 1,2 Prozent auf 7399 Zähler ab. Der marktbreite S&P 500 fiel um 0,6 Prozent auf 2886 Punkte.

Am Jobmarkt war die Arbeitslosenquote im September mit 3,7 Prozent auf den tiefsten Stand seit fast 50 Jahren gefallen. Allerdings wurden zeitgleich überraschend wenig neue Stellen geschaffen, was Bernd Weidensteiner von der Commerzbank mit den Folgen von Wirbelstürmen relativierte. „Alles in allem bleibt der US-Arbeitsmarkt in solider Verfassung“, sagte der Experte. Die für die Geldpolitik der US-Notenbank Fed wichtige Lohnentwicklung war derweil auch etwas schwächer als erwartet gestiegen.

Mit einem siebenprozentigen Kursverlust standen auf Unternehmensseite einmal mehr die Aktien von Tesla im Anlegerfokus, nachdem sich Firmenchef Elon Musk provokant in Richtung der US-Börsenaufsicht SEC geäußert hatte. Nach der Einigung im Streit über seine Tweets zum zwischenzeitlich erwogenen Börsenrückzug Teslas bezeichnete Musk die Behörde auf dem Kurznachrichtendienst Twitter als „Bereicherungskommission“. Musk unterstellte, die SEC diene Spekulanten, die von einem Kursverfall der Tesla-Aktien profitieren wollen.

Bei den bis Mittwoch gut gelaufenen Aktien von Chip- und Industriewerten nahmen Anleger weiterhin kräftig ihre Gewinne mit. Intel und Caterpillar gehörten mit Abschlägen von mehr als zwei Prozent zu den größten Verlierern im Dow. Knapp davor rangierten die Papiere von Apple und IBM mit mehr als 1,5 Prozent Minus.

Positiv ragten unter anderem die um knapp ein halbes Prozent höher notierenden Aktien von McDonalds hervor. Bei den Experten von Goldman Sachs stehen sie weiter auf einer Liste besonders vielversprechender Kaufempfehlungen. Laut Analystin Karen Holthouse zahlen sich die laufenden Initiativen der Burgerkette zwar später aus als gedacht, dafür aber umso kräftiger. Sie rechnet zeitnah mit positiven Kurstreibern.

Nicht nur an der Börse hängen Apple, Google (Alphabet) und Amazon derzeit alle ab, auch beim neuen Markenranking „Best Global Brands“ der Markenberatung Interbrand haben die drei Techgiganten die Nase vorn. Apples Markenwert wuchs demnach um 16 Prozent auf 215 Milliarden US-Dollar, Googles Wert legte um zehn Prozent auf 155 Milliarden US-Dollar zu und Amazons Bewertung stieg um 56 Prozent auf 101 Milliarden US-Dollar. Daneben zählen Netflix, Gucci, Louis Vuittonund der Cloud-Anbieter Salesforce zu den Aufsteigern des Jahres. Stark verloren hat nach seinen Datenskandalen dagegen Facebook.Gemessen wurden die finanzielle Performance der Produkte oder Dienstleistungen der Marke, ihre Rolle bei Kaufentscheidungen und ihre Stärke im Hinblick auf künftige Erträge des Unternehmens. Der beste deutsche Markenname ist Mercedes-Benz mit einem Wert von 48 Milliarden US-Dollar auf Platz 9.

Aktien immer die bessere Wahl?

„Aktien gewinnen langfristig“ ist -eines der berühmtesten Anlage-Mantras. Fragt sich nur, was langfristig tatsächlich bedeutet. So warten Anleger am japanischen Aktienmarkt schon seit Ende 1989 darauf, dass der Auswahlindex Nikkei seinen alten Höchststand von rund 39.000 Punkten endlich zurückerobert. Vorige Woche feierte der Nikkei immerhin mit über 24 .000 Punkten ein neues 27-Jahres-Hoch. Und die Aussichten für weitere Zuwächse sind durchaus gegeben. Die wirtschaftspolitischen Reformen der Abe-Regierung greifen und die expansive Geldpolitik der japanischen Notenbank ist noch für Jahre festgezurrt. Der Tankan-Bericht vergangene Woche bestätigte zudem die kontinuierliche und allmähliche Verbesserung der Geschäftsbedingungen in Japan vor allem für kleine bis mittelgroße Unternehmen. Große Unternehmen meldeten einen moderaten Vertrauensverlust infolge der Diskussion um Strafzölle durch die USA. „Nachdem Präsident Trump und Ministerpräsident Abe sich auf proaktive Handelsgespräche geeinigt haben, gehen wir davon aus, dass diese Bedrohung gemildert wird“, so Jesper Koll, Japan-Experte beim ETF-Anbieter Wisdom Tree. Dass die Rekordmarke von Ende 1989 schon in Kürze fallen wird, daran glauben aber nicht einmal die kühnsten Optimisten.

Es sind die geplanten Sanktionen der USA gegen den Iran, die die Ölpreise derzeit treiben. Diese sollen am 4. November eingeführt werden und die Ölförder-industrie des Landes hart treffen. Seit die Notierungen vergangene Woche ein neues Vierjahreshoch erklommen haben, spekulieren einige Händler schon über Preise von 100 US-Dollar je Barrel (159 Liter). Aber welche Folgen hätte dies für die Weltwirtschaft? Experten erwarten eher geringe negative Effekte, weil die Energieabhängigkeit der Industrie in den zurückliegenden Jahren deutlich abgenommen hat. In zahlreichen ohnehin kriselnden Schwellenländern werden die Auswirkungen allerdings am stärksten sein. Vor allem ölabhängigere Länder wie Indien, die Türkei und Ägypten müssen einen Preisschub befürchten, der höhere Inflationsraten und teils steigende Handelsbilanzdefizite mit sich bringen wird.​


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