Der Streamingdienstleister Netflix überraschte Investoren mit starken Ergebnissen und starkem Kundenwachstum. Der Schub im Operativen transformiert den notorischen Geldverbrenner in ein Unternehmen, das Cash generiert. Die Nasdaq feierte den Beweis, dass dieses Digitalmodell tatsächlich funktioniert, mit zweistelligen Kurszuwächsen. Big Techs wie Alphabet oder Amazon zogen an, hier vergaßen Börsianer mal die laufenden Kartellverfahren, ein Rekordhoch der Nasdaq war die Folge. Im Bankensektor folgten auf glänzende Zahlen von Goldman Sachs starke Ergebnisse von Morgan Stanley. Solide Bankbilanzen deuten schließlich auf einen robusten Zustand der US-Wirtschaft hin, die Hoffnungen auf einen kräftigen US-Aufschwung im zweiten Halbjahr steigen. In Frankfurt fällt alles zwei Nummern kleiner aus als an der Wall Street, aber auch hier zeigten sich die Konzerne mehrheitlich solide, allen voran die DAX-Schwergewichte SAP und BASF aus. Euphorie gibt es hier in eher kleinen Dosen — aber Zuversicht.
Die ersten Tage nach der Inauguration zeigten tatsächlich große Zuversicht an der Wall Street. Erst hohe Kursverluste von Intel und IBM nach den Geschäftszahlen der beiden Tech-Giganten würgten am Freitag den Aufwärtsdrang ab. Während IBM die Anleger mit einem schwachen Cloud-Geschäft enttäuschte, nahmen die Investoren bei Intel nach den starken Zahlen des Chip-Herstellers Kursgewinne mit. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial, in dem beide Titel enthalten sind, verlor 0,6 Prozent auf 30.997 Punkte. Auf Wochensicht steht aber immer noch ein Plus von 0,6 Prozent zu Buche.
Das Zugpferd der jüngsten Rally, der technologielastige NASDAQ 100, schloss mit 0,3 Prozent im Minus bei 13.366 Zählern. Der marktbreite S&P 500 gab um 0,3 Prozent auf 3.841 Punkte ebenfalls leicht nach. Am Vortag hatten sich alle drei genannten Börsenbarometer noch zu neuen Rekordmarken aufgeschwungen.
Allerdings hatten der Dow und der S&P 500 schon am Donnerstag anfängliche Gewinne nicht bis zur Schlussglocke halten können. Langsam aber sicher macht die Euphorie über Joe Bidens Amtsantritt wieder den Sorgen um die Corona-Pandemie Platz. Auch stoßen die Pläne des neuen US-Präsidenten für ein weiteres großes Konjunkturpaket zum Kampf gegen die Folgen der Pandemie auf Widerstand im Senat. Bidens Demokraten haben dort zwar dank der Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris eine hauchdünne Mehrheit. Für viele Maßnahmen ist Biden aber auf Abweichler aus den Reihen der Republikaner angewiesen.
Die Aktien von IBM sackten als größter Verlierer im Dow um fast zehn Prozent ab auf den niedrigsten Stand seit zwei Monaten. Der Computer-Dino hat zum Jahresende überraschend deutliche Geschäftseinbußen hinnehmen müssen. So brach der Nettogewinn aufgrund hoher Ausgaben für den Konzernumbau um zwei Drittel ein. Der Konzernumbau bei IBM werde auch im neuen Jahr fortdauern, sagte Analyst David Vogt von der UBS. Die Ergebnisse im Cloud-Geschäft seien deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Intel hatte dagegen am Donnerstag kurz vor Handelsschluss mit dem Quartalsbericht die Anleger überzeugt. Der Kurs war daraufhin in der Spitze um neun Prozent nach oben geschnellt auf den höchsten Stand seit Juni vergangenen Jahres. Auf diesem Niveau machten Investoren nun am Freitag Kasse und strichen Kursgewinne ein. Zudem waren einige Investoren offenbar enttäuscht über Aussagen des angehenden Vorstandschefs Pat Gelsinger, der weiterhin den Großteil der Intel-Chips selbst fertigen will – was einige wegen der Probleme der hauseigenen Fertigungstechnik in der jüngeren Vergangenheit kritisch sehen. Die Intel-Papiere büßten vor dem Wochenende mehr als neun Prozent ein.
Aktien von Schlumberger drehten nach anfänglichen Verlusten ins Plus und gewannen knapp ein Prozent. Der Ausrüster und Dienstleister für die Öl- und Gasbranche übertraf mit dem Quartalsgewinn die Erwartungen. Der fallende Ölpreis drückte hingegen am Freitag auf die Notierungen großer Ölkonzerne wie Exxon Mobil (ExxonMobil) und ConocoPhillips.
Auch am deutschen Aktienmarkt machte sich am Freitag etwas Ernüchterung breit. Der deutsche Leitindex DAX schloss vor dem Wochenende 0,2 Prozent im Minus bei 13.874 Punkten.
Zwei Schwergewichte stachen mit überraschend guten Geschäftszahlen hervor. So übertraf Siemens im ersten Geschäftsquartal operativ die Erwartungen. Analysten reagierten positiv auf das Zahlenwerk. Die Aktie gewann zeitweise mehr als sieben Prozent und stand damit an der Spitze des deutschen Leitindex. Daneben überzeugte die VW-Aktie mit guten Quartalszahlen. Analyst Patrick Hummel von der UBS sprach vom besten Quartal in der Geschichte des Autobauers. Schlusslicht im DAX war die Deutsche Bank-Aktie mit einem Abschlag von rund 2,7 Prozent.
Von JP Morgan bis Goldman Sachs setzen derzeit viele große Investmenthäuser auf den europäischen Aktienmarkt. Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt wenig Grund zu Euphorie. Demnach hat der MSCI-Europe-Kursindex (ohne Dividenden) im Vergleich zum MSCI World vor 20 Jahren seinen Höchststand erreicht und befindet sich seitdem auf dem absteigenden Ast. In diesem Zeitraum ist laut der Studie der relative Kurs des MSCI Europe um 47 Prozent gesunken. Bereinigt um die Dividenden sind es immer noch 37 Prozent. Infolgedessen hätte sich der Anteil Europas im MSCI World in den letzten zwei Jahrzehnten fast halbiert — von knapp über 30 auf 17 Prozent. Der größte Teil der Underperformance ist laut Sebastian Raedler und Thomas Pearce von der Bank of America (BofA) auf ein geringeres Gewinnwachstum zurückzuführen. Zusätzlich zu dieser Belastung hat Europa unter einem ungünstigen Sektorexposure gelitten. „Die größten europäischen Sektoren, die vor 20 Jahren übergewichtet waren, Energie und Banken, haben seither eine der schlechtesten EPS-Performances -gezeigt, während der größte Sektor, der vor zwei Jahrzehnten untergewichtet war, Software und Dienstleistungen, einen der größten EPS-Zuwächse verzeichnen konnte.“ Das Duo geht davon aus, dass Europa auch in der Zukunft underperformen wird. Als Gründe nennen sie etwa die demografische Entwicklung. Hinzu kämen strukturelle Defizite in Europas Wirtschaft, die aus einer suboptimalen Währungsunion und einem relativen Mangel an fiskalischer Unterstützung resultierten. „Infolgedessen deuten die längerfristigen Prognosen des IWF darauf hin, dass der Anteil Europas am globalen BIP in den kommenden Jahren weiter sinken wird.“
Silber hat ein bemerkenswertes Jahr hinter sich. Der kleine Bruder des Goldes konnte 2020 um über 41 Prozent zulegen, weit mehr als das gelbe Edelmetall. Und der Preisaufschwung geht weiter. Auch weil Silber in der Industrie verwendet wird, die 2021 nach dem Ende der Pandemie kräftig wachsen dürfte. Deshalb investieren Anleger stark in Silber-ETFs. Diesen flossen laut Commerzbank vergangenen Mittwoch Mittel für fast 700 Tonnen zu. Das ist der zweitstärkste Zufluss seit Beginn der Datenreihe 2006 und deutlich mehr, als es im gesamten vierten Quartal 2020 an Zuflüssen gab.