Der Konsum ist zweifelsohne robust, die deutschen Einzelhändler erzielten von Januar bis Mai 2,4 Prozent mehr Umsatz als im Vorjahr, die Hamsterkäufe zur Hochphase der Corona-Panik trugen ihren Teil zum Plus bei. Weite Teile der Wirtschaft aber liegen (noch) brach, man denke an Tourismus, Messen oder Gastronomie. Und wir sind eine Exportnation. Die Weltwirtschaft wird 2020 nach der jüngst spürbar gesenkten Schätzung des IWF um knapp fünf Prozent schrumpfen. Dennoch geht es mit der deutschen Wirtschaft erst mal zügig bergauf, sagt etwa das Ifo Institut. Doch selbst für sie wird der Weg zurück zum Leistungsniveau vor Corona lang. Börsianer blicken nach vorn und vielleicht, gerade wenn es so gut läuft wie zuletzt, lieber auf positive Aspekte. Anleger müssen jedoch damit rechnen, dass die konjunkturelle Dynamik nachlassen und der DAX sich mittelfristig dem Spannungsfeld anpassen wird. Vorerst lautet das Motto: Gewinne laufen lassen oder Verluste verringern, je nachdem.
In dieser Woche fuhr man mit dieser Strategie wieder ganz gut. Der deutsche Aktienmarkt legte nach der Vortagesrally am Freitag eine Verschnaufpause ein und verabschiedete sich mit leichten Verlusten ins Wochenende. Der Dax notierte zum Handelsschluss 0,6 Prozent tiefer bei 12.528 Punkten. Börsianer sprachen von Gewinnmitnahmen, da am Donnerstag der deutsche Leitindex knapp drei Prozent zugelegt hatte. Für das Börsenbarometer ergibt sich damit ein solider Wochengewinn von rund 3,6 Prozent. Der MDAX der mittelgroßen Börsenwerte verlor am Freitag 0,1 Prozent auf 26.600,49 Zähler.
Der Markt schwankt weiterhin zwischen der Hoffnung auf eine Erholung der Konjunktur und Corona-Sorgen, die derzeit fast jeden Tag durch hohe Infektionszahlen vor allem in den USA befeuert werden. Die unerwartet starken US-Arbeitsmarktzahlen hatten tags zuvor noch für kräftigen Schwung gesorgt. Vor dem Wochenende wollten jedoch viele Investoren ihre Positionen lieber glattstellen, hieß es nun an der Börse. Aus den Vereinigten Staaten blieben am Freitag größere Impulse aus, weil die Börsen vor dem Nationalfeiertag am Samstag geschlossen blieben und auch keine US-Konjunkturdaten auf dem Programm standen.
Unter den Einzelwerten an der Frankfurter Börse stachen zum Wochenschluss die Aktien von Delivery Hero mit knapp fünf Prozent Zuwachs als MDAX-Spitzenreiter hervor. Die Papiere des Essenslieferdienstes knackten erstmals die runde Marke von 100 Euro. Delivery Hero verdoppelte im Juni die Anzahl der Bestellungen, woraus sich für das zweite Quartal ein Auftragsplus von 94 Prozent ergab. Analystin Sarah Simon von der Privatbank Berenberg rechnet nun mit einer Anhebung der Umsatzprognose.
HeidelbergCement profitierten mit einem Kursplus von rund ein Prozent von einer positiven Analystenstudie. Die Experten von Morgan Stanley hatten die Papiere des Baustoffkonzerns gleich um zwei Stufen von „Underweight“ auf „Overweight“ erhöht und das Kursziel von 39 auf 58 Euro angehoben. Analystin Cedar Ekblom glaubt, dass HeidelbergCement mit seiner Gewinnentwicklung im laufenden Jahr positiv überraschen könnte.
Qiagen zogen im späten Handel nach Medienspekulationen etwas an. Einer der wichtigsten Aktionäre der MDAX-Firma fordere ein deutlich höheres Übernahmeangebot durch den US-Konzern Thermo Fisher Scientific, hieß es. Die Amerikaner wollen das Biotechnologie- und Diagnostikunternehmen für rund zehn Milliarden Euro schlucken und bieten 39 Euro je Aktie. Diese Offerte läuft noch bis zum 27. Juli. Die Qiagen-Aktien schlossen mit einem Aufschlag von 0,8 Prozent auf 38,36 Euro.
In den hinteren Börsenreihen sprangen nach der US-Zulassung von Remimazolam zur Kurznarkose die Aktien des Aachener Pharmaunternehmens PAION um rund 13 Prozent nach oben. Paion erhält vom Entwicklungspartner Cosmo eine Meilensteinzahlung von 15 Millionen Euro zuzüglich gestaffelter Lizenzgebühren von mindestens 15 Prozent auf den US-Nettoumsatz.
Würden Sie jemandem für 100 Jahre Geld leihen, wofür Sie im Gegenzug knapp ein Prozent Rendite pro Jahr erhalten? Wohl eher nicht. Aber viele institutionelle Investoren denken angesichts des Niedrigzinsumfelds anders. So war das Interesse an einer vergangene Woche neu emittierten Staatsanleihe aus Österreich riesengroß, die erst im Jahr 2120 fällig wird und einen jährlichen Kupon von 0,85 Prozent zahlt. Die Nachfrage von mindestens 16,5 Milliarden Euro ging deutlich über die emittierten zwei Milliarden Euro hinaus. Daher erwarten Experten, dass bei so niedrigen Zinssätzen und so hoher Nachfrage andere Länder bald nachziehen werden, um ihre wachsenden Haushaltsdefizite zu finanzieren. Aber schon heute wurden bereits mehr Emissionen von Anleihen mit extrem langen Laufzeiten als im gesamten Jahr 2019 getätigt. Tendenz steigend: „Für die Zukunft erwarten wir weitere Emissionen von Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit von Staaten mit hoher Qualität,“ erklärt Sandra Holdsworth, Head of Rates bei Kames Capital. Diese langlaufenden Instrumente wurden in der Vergangenheit vor allem dann eingesetzt, wenn ein Land in einen Krieg eintrat. Im Vereinigten Königreich ist der Kriegskredit dafür ein berühmtes Beispiel, der 1914 mit dem Ziel ausgegeben wurde, 350 Millionen Pfund aufzubringen.
Nicht nur Fluglinien wie Lufthansa und Flugzeughersteller wie Airbus und Boeing leiden immens unter den Folgen der Corona-Pandemie. Auch die Flughäfen haben zu kämpfen. Die Passagierzahlen sind dramatisch eingebrochen, die Airports haben ihre Kapazitäten zum Teil um 90 Prozent reduziert. Doch es ist nicht das erste Mal, dass so eine Situation eingetreten ist. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Sektor gleich von mehreren Krisen erholen müssen. Der Terroranschlag auf das World Trade Center 2001 senkte die Nachfrage nach Flügen für zwei bis drei Jahre. Nachdem die SARS-Pandemie im Jahr 2003 abgeklungen war, dauerte es nur drei Monate bis die Passagierzahlen ihr Vorkrisenniveau wieder erreichten. „Kein Flughafen ist gegen die Folgen der Corona-Pandemie immun, doch werden einige sie besser überstehen als andere“, erklärt Edmund Leung, Portfoliomanager im Global Listed Infrastructure Securities Team der Fondsgesellschaft First State Investments. „Am besten positioniert für diese lange Periode der Unsicherheit sind Flughäfen mit einer stabilen Bilanz, an einem wirtschaftlich starken Standort und mit einem attraktiven Passagiermix.“ Die börsennotierten Airports in Sydney und Frankfurt sehen unter diesem Gesichtspunkt attraktiv bewertet aus.