Der DAX schwankt stark, weil er viele zyklische Werte enthält — das ist die gängige Begründung für die vergleichsweise hohe Volatilität des deutschen Leitindex. Die These ist korrekt, schließlich finden sich neben den vier großen Titeln aus der Automobilindustrie auch die Industriekonzerne Siemens und Thyssenkrupp sowie die Chemieriesen BASF, Bayer und Covestro im DAX. Diese Aktien reagieren alle mehr oder weniger stark auf die Konjunktur. Doch das ist nicht mehr der einzige Grund für die Kurskapriolen. Inzwischen steckt im DAX auch eine Chaoskomponente. Das Neumitglied Wirecard etwa sorgt seit seiner Aufnahme für Turbulenzen — vor allem seit sich der Verdacht auf womöglich betrügerische Buchungen beim Zahlungsdienstleister hartnäckig hält. Auch Traditionskonzerne werden immer öfter zu Unruhestiftern. Soeben zog Bayer nach dem Glyphosat-Urteil in den USA den Index in die Tiefe. Die Strukturkrise der deutschen Autoindustrie und ihre Folgen für den DAX-Punktestand seien nur am Rand erwähnt. Doch es gibt auch noch ordnende Pole in der Welt der Börsianer. Man schaue in die USA: Die Fed signalisiert anhaltende Ruhe an der Zinsfront. Das stimmt dann wieder optimistisch.
ZEW schlägt Wirtschaftsweise, lautete das Ergebnis Mitte vergangener Woche in Bezug auf die Börsenkurse. Diese stiegen kräftig, nachdem das Mannheimer „Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung“ überraschend gute Stimmungsdaten unter den institutionellen Anlegern veröffentlicht hatte. Der Index zur Konjunkturstimmung in Deutschland hatte sich im März auf seinen besten Stand seit einem Jahr verbessert. Dagegen verpuffte die negative Kraft des Ausblicks des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an der Börse. Die Wirtschaftsweisen hatten vor dem Hintergrund der sich eintrübenden Konjunktur ihre Wachstumsprognose für 2019 um fast die Hälfte auf 0,8 Prozent nach unten korrigiert. Für 2020 erwarten sie nun Zuwachsraten des realen Bruttoinlandsprodukts von 1,7 Prozent. Dass der ZEW-Index Börsianer mehr bewegt hat, wundert Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank, nicht. „Schließlich haben die Wirtschaftsweisen ihre Prognosen nur an das Szenario angeglichen, das den Finanzmärkten bereits seit einiger Zeit bekannt ist.“
Eine kalte Dusche erwischte die Anleger zum Wochenschluss: Konjunktursorgen haben den US-Aktienmärkten am Freitag massive Verluste eingebrockt. Miserable Wirtschaftsdaten aus Deutschland und der Eurozone hätten neue Ängste vor einer schrumpfenden Weltwirtschaft geschürt, hieß es. Negative Impulse kamen auch vom US-Anleihenmarkt: Erstmals seit der schweren Finanzkrise 2007 fiel am Freitag der Zins für zehnjährige US-Staatsanleihen unter jenen für dreimonatige Geldmarktpapiere. Das wird von einigen Fachleuten als Rezessionssignal gesehen.
Der Dow Jones Industrial fiel letztlich um 1,8 Prozent auf 25.502 Punkte und schloss damit fast auf seinem Tagestief. Auf Wochensicht verbuchte der US-Leitindex ein Minus von rund 1,3 Prozent. Der marktbreite S&P 500 verlor am Freitag 1,9 Prozent auf 2.801 Punkte. Der technologielastige Auswahlindex NASDAQ 100 büßte 2,2 Prozent auf 7.326 Zähler ein.
Zudem verschreckten enttäuschende Quartalszahlen von Nike die Anleger. Der Sportartikelriese hatte zwar angetrieben von starken Online-Verkäufen insgesamt ein weiteres Quartal mit glänzenden Ergebnissen abgeliefert. Im Heimatmarkt Nordamerika aber stiegen die Erlöse nicht so deutlich wie von Analysten erhofft. Die Nike-Aktien sackten am Dow-Ende um 6,6 Prozent ab.
Die Krise des Luftfahrtriesen Boeing verschärft sich weiter: Nach zwei Flugzeugabstürzen mit insgesamt 346 Toten bestätigte nun die erste Airline die Absicht, einen milliardenschweren Großauftrag zu stornieren. Indonesiens staatliche Fluggesellschaft Garuda will eine Bestellung über 49 Maschinen des Typs Boeing 737 Max rückgängig machen. Der Wert der Bestellung liegt nach Listenpreis bei mehr als vier Milliarden Euro. Boeing-Aktien verbilligten sich um 2,8 Prozent.
Mit einem Minus von 1,3 Prozent standen die Papiere von Levi Strauss an ihrem zweiten Handelstag vergleichsweise gut da. Am Vortag hatte der traditionsreiche Jeans-Hersteller eine fulminante Rückkehr aufs Börsenparkett gefeiert: Die Aktien waren mit einem satten Aufschlag von mehr als 30 Prozent zum Ausgabepreis aus dem Handel gegangen.
Schon vor dem spektakulären Grounding der Boeing-737-Max-8-Flugzeuge durch Flugsicherheitsbehörden nach dem Absturz der Ethiopian-Airlines-Maschine am 10. März war das Meinungsklima der Analysten für den Flugzeugriesen aus Seattle in führenden internationalen Finanztiteln negativ. Eine Auswertung durch das Schweizer Medienforschungsinstitut Media Tenor zeigt, dass auch viele andere Aktien im angefangenen Quartal (bis 15.3.) skeptisch bewertet werden, aber nicht alle. Unter den 30 am ausführlichsten besprochenen Titeln liegen Netflix, Airbus, Microsoft, Amazon und JP Morgan im Meinungsklima vorn. Verlierer sind Vale, Renault, UBS, Deutsche Bank und Daimler, bei denen der Saldo von positiven und negativen Wertungen sehr negativ ist. „Selbst in einem trüberen weltwirtschaftlichen Umfeld sehen die Analysten Potenzial bei einigen Banken“, so Matthias Vollbracht, Leiter Research bei Media Tenor. „Sie müssen aber mit einem soliden Geschäftsmodell überzeugen.“ Goldman Sachs wird anders als JP Morgan derzeit von den Finanzprofis mit einem Negativsaldo bewertet. Insgesamt wurden 17 871 Aussagen von Analysten ausgewertet.
Saudi-Arabien stand vor wenigen Monaten wegen der Verwicklung des Königshauses in den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi international am Pranger. Der Börse in Riad hat das nicht geschadet, wie ein neues Zwölf-Monats-Hoch vergangene Woche zeigt. Neben dem aktuellen Ölpreisanstieg gibt es dafür einen weiteren Grund: Die weltgrößten Indexanbieter FTSE Russel und S & P Dow Jones berücksichtigen saudische Aktien seit dieser Woche in einigen ihrer Schwellenländerindizes, die Investmentgrundlage für viele ETFs und Fondsmanager sind. Dies sorgt für große ausländische Mittelzuflüsse an die saudischen Börse, die die Kurse treiben. Und der Trend dürfte anhalten. Der Indexanbieter MSCI will die Aufnahme saudischer Titel in den MSCI Emerging Markets Index im September abschließen.