Ungerecht, schimpfen schon seit Jahren die einen, Enteignung, seit Monaten die anderen. Die Ursache: Sie regen sich über Negativzinsen auf Spar-, Tages- und Festgeldkonten auf. Ihr Feindbild war über lange Zeit der mittlerweile in den Ruhestand verabschiedete EZB-Präsident Mario Draghi. Jetzt können sie sich an dessen Nachfolgerin Christine Lagarde aufreiben. Nützen wird es ihnen allerdings nichts – die Französin, ansonsten für ihre lockere Art bekannt, hat erst mal aller Welt versprochen, Draghis Negativzins-Politik fortzusetzen.
Und die deutschen Sparer mit ihrer Abhängigkeit von den Zinsen, wenn sie ihr Geld auf Konten, in Kapitallebensversicherungen, Geldmarktfonds und sonstigen sogenannten Geldwerten angelegt haben? Sie werden bis auf Weiteres mit Negativzinsen bestraft, Ende der Bestrafung offen. Wieso eigentlich? Weil es vor gut einem Jahrzehnt zu einer Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen war, deren Bekämpfung überwiegend der Geldpolitik überlassen wurde und damit auch den Zinsen.
Aber gibt es denn nicht ein Zurück zu höheren Zinsen? Die ließen sich doch dank der recht ordentlichen Konjunktur verkraften, tönt es aus dem Lager der Falken; so nennt man die Verfechter einer strengen Geldpolitik. Davon wollen ihre Gegner, die in der Überzahl befindlichen Tauben, jedoch nichts wissen. Ihre Argumente lassen sich an einem eindrucksvollen Beispiel aufhängen: Jegliche Zinserhöhung würde über kurz oder lang hoch verschuldete Unternehmen und mittelbar auch die sie finanzierenden Banken zu Zombies machen, zu Untoten.
So weit, so klar. Aber können Banken und Sparkassen mit der Vergabe von Krediten in Anbetracht der immer geringer gewordenen Zinsspanne überhaupt noch Gewinne erzielen? Spräche also nach Abwägung von Pro und Kontra nicht eher mehr für eine Zinserhöhung statt für das Beibehalten des niedrigen Zinsniveaus einschließlich der Negativzinsen? Über dieser Frage brüten Finanzexperten nicht erst seit gestern, sondern seit Jahrhunderten – und bleiben die abschließende Antwort schuldig. Das ist nicht weiter verwunderlich wenn man berücksichtigt, dass Volkswirte bis heute vergeblich nach einer allumfassenden Zinstheorie suchen, sie jedoch nicht finden.
Aktien und Aktienfonds werden besonders gern von Anlageberatern genannt. Ihr Argument: Dividenden bringen eine Rendite, von der Sparer nur träumen können. Indes, daran gibt es gleich zwei Haken. Zum einen: Die Beraterzunft sagt Aktien (Haftungsrisiko), empfiehlt aber fast ausschließlich Fonds (hohe Provision). Zum anderen: Das Auf und Ab der Aktienkurse macht Sparer so nervös, dass sie lieber bei ihrem Konto bleiben.
Immobilien gelten in Deutschland überwiegend als erstrebenswerte Anlagen. Geht man jedoch ins Detail, gibt es auch hier den einen oder anderen Haken: Für die meisten Anleger handelt es sich um eine hohe Investition, mit der ein hohes Klumpenrisiko einhergehen kann. Und weil auch Immobilienpreise schwanken, kommt es ähnlich wie bei Aktien auf das richtige Timing an. Wobei das aktuell hohe Preisniveau eher gegen einen Kauf spricht.
Unternehmensanleihen und auf ihnen basierende Fonds sind zuletzt stark in Mode gekommen; ihre Kupons erscheinen mit 3, mit 5 oder noch mehr Prozent einfach zu verlockend. Das Ausfallrisiko darf jedoch nicht unterschätzt werden. Die entfernten Verwandten, Anleihen von Ländern wie Argentinien oder Venezuela, haben sogar Totalverluste mit sich gebracht.
Gold wird, manchmal zusammen mit Silber, in der Regel als ultimativer Schutz vor einem Crash empfohlen. Es ist aber mehr als das, nämlich eine Art Wertspeicher oder Weltwährung. Sein Preis schwankt, und Zinsen wirft Gold nicht ab. Zeitweise hat es Anleger reich gemacht, wie von 1970 bis Anfang 1980 und von 2001 bis 2011; dazwischen ist sein Preis gefallen, seit Anfang 2009 berappelt er sich wieder.
Alternative Anlagen, wie Ackerland, Oldtimer, Diamanten oder Kunstwerke, mögen noch so reizvoll erscheinen – sie sind eher Liebhaberobjekte für Spezialisten, die sich auf dem jeweiligen Gebiet auskennen. Und wem sonst keine Alternative einfällt, der kann ja Bares unter der sprichwörtlichen Matratze – besser: anderswo gut versteckt – horten. Dort bringt es wenigstens keinen Negativzinsen.
Zu guter Letzt: Eine der größten Illusionen deutscher Sparer besteht darin, dass sie die Geldanlage als passives Investment ansehen, für das sie keinen Finger krumm zu machen brauchten. Das kann man zwar verstehen, weil Jahrzehnte hinter uns liegen, in denen sie mit Positivzinsen verwöhnt wurden. Aber jetzt ist Aktivität gefragt, und zwar nicht zu knapp. Das bedeutet: Nicht zu viel auf andere hören, sondern lieber die eigenen grauen Zellen in Bewegung bringen. Dazu gibt es, in die Zukunft gerichtet, keine Alternative.