Keine überzeugende Vorstellung

Die Analyse der Experten­aussagen aus dem vierten Quartal im Vergleich zum dritten zeigt: „Das Sentiment im Hinblick auf wichtige Handelspartner der deutschen Wirtschaft hat sich im vierten Quartal verbessert“, so Mat­thias Vollbracht, Leiter Research bei Media Tenor.

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Eine überzeugende Vorstellung war das wirklich nicht: Sehnsüchtig hatten Börsianer darauf gewartet, dass der DAX sein Rekordhoch vom Januar 2018 endlich übertreffen würde. Doch kaum hatte der Leitindex den erhofften Durchbruch am Mittwochmorgen geschafft, ließ er sich wieder schlaff in die Kissen fallen. Woher soll auch die Energie für eine dynamische Rekordserie kommen, wie sie etwa die Indizes an der Wall Street seit Tagen hinlegen? Die ersten Quartalszahlen der DAX-Unternehmen jedenfalls ernüchterten: Daimler kassierte zum dritten Mal seit Mai 2019 seine Gewinnprognose, der Premiumautobauer fuhr nur halb so viel Profit wie im Vorjahr ein. Bleibt zu hoffen, dass die nächsten Ergebnisse besser werden, am Dienstag steht SAP an. Auch Christine Lagarde hilft dem DAX kaum auf die Sprünge, die Präsidentin der EZB will erst einmal eine neue Strategie erarbeiten. Unverändert sind die Negativzinsen, Impulse für die Märkte bringt das nicht. Überdies verunsichert das Coronavirus Anleger weltweit. Die Epidemie könnte die Konjunktur in China dämpfen, so die Befürchtung. Zum Wochenausklang waren es dann wieder steigende Futures auf die US-Indizes, die auch im DAX für neuen Schwung sorgten.

Der deutsche Leitindex legte bis zum Nachmittag 1,6 Prozent auf 13.599 Punkte zu und war damit nur noch 40 Punkte vom frisch erreichten Rekordhoch entfernt. Der EuroStoxx50 gewann 1,3 Prozent auf 3784 Punkte. Positiv wirkten insbesondere überraschend positive Konjunkturdaten: Der deutsche Einkaufsmanagerindex stieg im Januar überraschend kräftig um 0,9 Punkte auf 51,1 Zähler. „Die Daten scheinen die Äußerungen von EZB-Chefin Christine Lagarde zu bestätigen, dass die wirtschaftlichen Risiken weniger ausgeprägt sind, so dass dies positiv zu bewerten ist“, sagte Ökonom Teeuwe Mevissen von der Rabobank. Die Bayer-Aktie kletterte um fast vier Prozent auf ein 15-Monats-Hoch von 76,99 Euro. Einer Meldung der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge könnte der Pharma- und Agrarchemiekonzern die US-Prozesse um den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat durch einen Vergleich im Volumen von zehn Milliarden Dollar beilegen. Er habe bislang mit 13 Milliarden Dollar gerechnet, schrieb Analyst Alistair Campbell von Liberum. Im Plus lagen auch die Finanzwerte. Größter Dax-Gewinner waren Aktien des Zahlungsabwicklers Wirecard mit einem Aufschlag von 5,8 Prozent. Die Deutsche Bank legte 2,4 Prozent zu. Das krisengeplagte Geldhaus holt den früheren SPD-Chef und Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in den Aufsichtsrat.

Wiederkehrende Ängste haben die New Yorker Börsen nach einem Rekordlauf am Freitag ins Minus gedrückt. Kräftige Aufschläge bei Intel begrenzten allerdings die Kursverluste am Gesamtmarkt. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte schloss 0,6 Prozent tiefer auf 28.989 Punkten. Der technologielastige Nasdaq gab 0,9 Prozent auf 9.314 Punkte nach. Der breit gefasste S&P 500 büßte 0,9 Prozent auf 3.295 Punkte ein. Der US-Chiphersteller hatte zuvor überzeugende Erlöse für das Schlussquartal gemeldet. Die Umsätze stiegen um acht Prozent auf 20,21 Milliarden Dollar. Analysten hatten mit 19,23 Milliarden Dollar gerechnet. Die Aktie gewann acht Prozent und lag damit auf dem höchsten Stand seit mehr als 19 Jahren. Die Anleger des Halbleiterherstellers begrüßten einen Deal mit Apple. Broadcom-Aktien stiegen um 1,4 Prozent. Der Konzern hat einen über mehrere Jahre laufenden Vertrag für die Lieferung von Komponenten für Apple-Produkte im mobilen Einsatz ergattert. Das Papier des Konkurrenten Skyworks Solutions dagegen verlor 4,8 Prozent, obwohl die jüngsten Quartalszahlen besser ausgefallen waren

Im „Bloomberg Innovation Index 2020“ hat es Deutschland auf Platz 1 geschafft und somit Südkorea verdrängt, das sechs Jahre an der Spitze der ­innovativsten Nation der Welt stand. Deutschland liegt vor allem bei den Patenten, Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Fertigungsmöglichkeiten und Konzentration von börsennotierten Hightechunternehmen weit vorn. „Der deutsche Maschinenbau ist immer noch extrem wettbewerbsfähig und eine gute Basis für weitere Innovationen“, sagt ­Carsten Brzeski, Chefvolkswirt bei der ING. „Deutschlands Performance in den untersuchten Kategorien ist immer noch sehr stark und viel besser, als die jüngste Konjunkturschwäche möglicherweise andeutet.“

Hunderte Journalisten führender Weltmedien und viele Blogger sorgten dafür, dass von Davos aus Botschaften und Bilder in alle Länder gingen. Der Auftritt Greta Thunbergs beim WEF 2019 bildete den Auftakt zu einem Jahr, an dessen Ende der Klimawandel das zweithäufigste Thema in deutschen Leitmedien war, wie Analysen des Züricher Instituts Media Tenor International zeigen. Inzwischen prägen diese Nachhaltigkeitsthemen auch die Finanzmärkte. Aber in Davos stand in den zahlreichen privaten Runden von Top­managern daneben vor allem die Frage nach den Geschäftsaussichten im Raum. Diese spiegeln häufig die Erwartungen und Befürchtungen aus den Kommentaren der Analysten in Leitmedien wie „Financial Times“. Die Analyse der Experten­aussagen aus dem vierten Quartal im Vergleich zum dritten zeigt: „Das Sentiment im Hinblick auf wichtige Handelspartner der deutschen Wirtschaft hat sich im vierten Quartal verbessert“, so Mat­thias Vollbracht, Leiter Research bei Media Tenor. „Das Verhältnis zu den USA ist zwar anhaltend durch Spannungen wie in der Energiepolitik belastet, aber das Sentiment verschlechterte sich zuletzt nicht weiter.“ Leichte Positivsignale sind zu China erkennbar (von minus 19 auf minus zwölf), aber auch zur Eurozone (von minus zwölf auf minus sieben). Selbst die Einschätzungen zum weltwirtschaftlichen Trend waren zuletzt positiver als im dritten Quartal. Sorgen macht dagegen Frankreich, wo sich das Klima von plus 21 auf minus elf verschlechterte. Insgesamt wurden 26 177 Aussagen ausgewertet.

Die Aktie von Virgin Galactic geht derzeit ab wie eine Rakete. Und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Denn das Papier des ersten börsennotierten Raumfahrtunternehmens hat seit Jahresanfang rund 60 Prozent zugelegt. Kurstreiber sind die Hoffnungen, dass das vom britischen Enfant terrible Richard Branson mitgegründete Unternehmen schon dieses Jahr die ersten Weltraumtouristen für ­jeweils 250 000 US-Dollar mit Düsenantrieb ins All befördert. Einer Analyse der Großbank UBS zufolge hat der Markt für Raumfahrttourismus ein Marktpotenzial von drei Milliarden Dollar bis 2029, Morgan Stanley geht sogar von 800 Milliarden US-Dollar bis 2040 aus.


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Kommentare ( 3 )

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Nibelung
4 Jahre her

Die Strategie von Lagarde wird auftragsgemäß die gleiche sein wie bei Drahi, die Zinsen untenhalten und die Deutschen ausnehmen und wo das noch alles enden wird, steht in den Sternen und während Trump in Davos eine gute in die Zukunft gerichtete Rede gehalten hat, ist bei uns das Abwrackkommando unterwegs und man hat auch alles getan, daß der Originalwortlaut von Trump nicht breit an die Öffentlichkeit herangetragen wurde und ein nichtsnutziger Grüner wollte dann auch noch einem Elefanten auf den Fuß treten, wobei er besser aufpassen sollte, nicht unter dessen Füße zu geraten, mitsamt seiner Zonen-Liebe, die sich mit ihrem… Mehr

Helmut Kogelberger
4 Jahre her

Soso, „das Sentiment hat sich verbessert“. Wenn ich bei der Performance dann noch ein wenig am speed arbeite, kann ich anschließend zum public viewing.

Schonclode
4 Jahre her

Virgin Galactic ist gerade abgestürzt wie ein Rakete – um 9,99 %.