Laut Bloomberg rechnet eine Mehrheit der Ökonomen damit, dass die amerikanische Zentralbank am 14. Dezember erstmals etwas Tempo aus ihrem Straffungskurs nehmen wird. Statt einer Leitzinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte wie beim letzten Erhöhungsschritt sollen es dieses Mal nur noch 0,5 Prozentpunkte sein. In Europa spreche die Entspannung bei den Energiepreisen ebenfalls dafür, dass der Höhepunkt bald erreicht sein könne, nachdem die Inflation in der Euro-Zone im Oktober einen neuen Rekordwert von 10,6 Prozent erreicht hatte. Schliesslich hilft auch der statistische Basiseffekt. Das liegt daran, dass man in der Regel eine Jahresbetrachtung vornimmt. Damit fallen demnächst die ersten schockartig hohen Preissteigerungen nach dem Beginn des Ukrainekrieges aus der Beobachtung heraus.
Mark Haefele, Chefstratege des Global Wealth Management der UBS, geht in seinem Basisszenario für die Geldpolitik jedenfalls davon aus, dass die amerikanische Federal Reserve, die Europäische Zentralbank und die Schweizerische Nationalbank ihre Zinserhöhungszyklen im ersten oder «spätestens im zweiten Quartal 2023 abschließen werden. In den Vereinigten Staaten hält er gegen Ende 2023 sogar erste Zinssenkungen für möglich. Gleichzeitig geben er und sein Team aber zu bedenken, dass dies bei der Kursentwicklung von Aktien und Anleihen nicht automatisch zu einer sofortigen Trendwende führen müsse. Die sich abkühlende Konjunktur sei noch nicht vollständig in den Finanzmarktpreisen enthalten, das Risiko-Ertrags-Verhältnis für die nächsten drei bis sechs Monaten sei weiterhin ungünstig. Haefele geht davon aus, dass sich die Aktienmärkte Mitte des nächsten Jahres etwa auf dem heutigen Niveau bewegen werden. Ähnlich skeptisch sieht die Bundesbank die Dinge. Sie äußerte sich am Donnerstag verwundert über die geringe Risikovorsorge der Geschäftsbanken und ermahnte die Institute, sich auch auf eine sehr deutliche Verschlechterung des Umfeldes einzustellen und deshalb nur vorsichtig Gewinne auszuschütten. Zudem kritisierte sie indirekt die von der Bundesregierung verabschiedete Gas- und Strompreissubventionen. „Gas kann man nicht durch Geld ersetzen“, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2022. Angesichts der bereits prognostizierten leichten Rezession in Deutschland könne vor allem eine Verschärfung der Energiekrise die Realwirtschaft massiv belasten. Dabei wäre eine Rationierung von Gas besonders problematisch.
Buch verwies darauf, dass 95 Prozent des deutschen Gasverbrauchs durch Importe gedeckt wird. Die bereits eingetretenen Verschlechterungen der sogenannten Terms of Trade (Verhältnis zwischen dem Preis, den man für Importe bezahlt, und dem Preis, den man für Exporte erhält) seien vergleichbar mit dem Ölpreisschock der 1970er. Die höheren Kosten für Energie könnten innerhalb des Landes nur umverteilt werden, was Privathaushalte und Unternehmen finanziell stärker belaste und Kreditrisiken erhöhe. Dazu gesellen sich aufgrund der massiven Inflationsraten höhere Nominalzinsen. Dies ist für viele Banken, die mit unterschiedlichen Laufzeiten und Konditionen von Krediten ihre Geschäfte machen und Geld verdienen (Fristentransformation), zwar eine positive Entwicklung. Allerdings steigen auch die Risiken in den Kreditbüchern, weil die höheren Zinsen die Kreditnehmer zusätzlich belasten. Mit einem „sektoralen Systemrisikopuffer“ in Höhe von zwei Prozent für Kredite, die mit inländischen Wohnimmobilien besichert sind, will die Bundesbank diesen Risiken entgegenwirken.
Die etwas gedämpfte Stimmung zeigte sich trotz Black Friday auch an den US-Börsen. Dem Dow Jones Industrial reichte am letzten Börsentag der Woche, der nach dem Feiertag zu Thanksgiving verkürzt war und viele Händler zu einem verlängerten Wochenende verleitete, aber schon ein moderates Plus für ein Siebenmonatshoch. Letztlich gewann der New Yorker Leitindex 0,5 Prozent auf 34.347 Punkten und erzielte damit einen Wochengewinn von 1,8 Prozent. Der Dow hat damit dank der fast 20-prozentigen Erholungsrally seit Mitte Oktober seinen Jahresverlust inzwischen auf 5,5 Prozent eingedämmt. Beim marktbreiten S&P 500 stand dagegen am Freitag ein Minus von 0,03 Prozent auf 4.026 Punkte zu Buche, während der technologielastige Nasdaq 100 um 0,7 Prozent auf 11.756 Zähler nachgab. „Hilfreich sind die seit einigen Handelstagen wieder fallenden Renditen an den US-Anleihemärkten“, kommentierte Marktbeobachter Andreas Lipkow. Am Mittwoch hatte das Protokoll zur jüngsten Sitzung der US-Notenbank Fed für Erleichterung gesorgt. Aus diesem geht hervor, dass sich die Mehrheit der Fed-Mitglieder für künftig behutsamere Zinsschritte ausspricht.
Im Fokus stand am Freitag der Einzelhandel: Die Aktien des Einzelhandelsriesen Walmart entwickelten sich mit einem Plus von 0,4 Prozent vergleichsweise unauffällig. Ähnliches galt für die Titel seines großen Online-Kontrahenten Amazon , die im schwachen Tech-Umfeld 0,8 Prozent verloren. Für Best Buy ging es um 1,4 Prozent bergab, während Macy’s um knapp ein Prozent zulegen konnte. Die Aktien der US-Fluggesellschaften American , Delta , Southwest und United zogen um bis zu knapp zwei Prozent an. Sie profitierten davon, dass viele Amerikaner den gestrigen Feiertag für ein verlängertes Wochenende nutzen und verreisen. Apple büßte dagegen als Dow-Schlusslicht knapp zwei Prozent ein, nachdem die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf informierte Kreise berichtet hatte, dass die zuzuletzt gehäuften Unruhen unter den Mitarbeitern des iPhone-Fertigers Foxconn die ohnehin schon gehemmte Produktion zusätzlich beeinträchtigen könnten. Im größten iPhone-Werk der Welt kommt es derzeit wegen Chinas Corona-Maßnahmen immer wieder zu Protesten. Die Herstellung werde um mindestens 30 Prozent, hiess es. Für die Anteilsscheine von Activision Blizzard ging es um vier Prozent bergab. Hier belastete ein Bericht, wonach die US-Wettbewerbsbehörde FTC die geplante Übernahme des Computerspieleanbieters durch den Softwareriesen Microsoft durchkreuzen dürfte. Die Microsoft-Titel schlossen kaum verändert.
In einer überwiegend trägen und handelsarmen Sitzung hatte sich zuvor der Dax kaum vom Fleck bewegt. Der deutsche Leitindex konnte im Handelsverlauf zwar sein Hoch seit Juni kurzzeitig weiter ausbauen, ging aber letztlich praktisch unverändert mit 14.545 Punkten aus dem Geschäft. Im Wochenverlauf ergab sich damit ein Plus von 0,8 Prozent. Zudem hat der Dax damit nun die achte Woche in Folge zugelegt, womit sich sein Erholungsgewinn seither auf insgesamt auf 20 Prozent summiert. Sein Verlust seit Jahresbeginn ist damit auf 8,5 Prozent zusammengeschmolzen. Der MDax der mittelgroßen Werte verlor am Freitag leicht um 0,3 Prozent auf 25.971 Zähler.
Grund für den aktuellen Optimismus sind laut Marktanalyst Christian Henke vom Broker IG nicht zuletzt auch die jüngsten Lichtblicke aus der deutschen Wirtschaft: So fiel das am Donnerstag veröffentlichte Ifo-Geschäftsklima besser als erwartet aus. An diesem Freitag dann zeigte das Gfk-Verbrauchervertrauen ebenfalls eine leicht verbesserte Konsumstimmung, wenn auch auf einem sehr schwachen Niveau. Die deutsche Wirtschaft war im Sommer außerdem überraschend deutlich gewachsen.
Auf Unternehmensseite war in Dax die Aktie von RWE mit plus 1,9 Prozent der Spitzenwert. Damit ist sie zurück auf dem Niveau von Mitte September. Positive Impulse kamen von einer Studie der Bank of America, die dem Versorger unter Verweis auf die Strompreisbremse in Deutschland und die britische Sondersteuer auf Übergewinne von Produzenten Erneuerbarer Energien deutlich gesunkene Risiken bescheinigt. Die Gewinne der Deutsche-Bank-Aktie bröckelten indes nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg auf ein mageres Plus von 0,2 Prozent ab. Kreisen zufolge plant die EZB, einigen Banken über die Bundesbank-Maßnahmen hinaus im Zusammenhang mit deren Kreditvergabe höhere Kapitalanforderungen aufzuerlegen. Zu diesen Instituten zähle auch die Deutsche Bank.
Im SDax brach der Anteilsschein von Uniper um etwas mehr als zwölf Prozent ein. Seit dem Hoch am Dienstag haben die Papiere damit fast 46 Prozent verloren, nachdem sich der Kurs zuvor binnen vier Handelstagen fast verdoppelt hatte. Nach der Ankündigung einer weiteren milliardenschweren Kapitalspritze vom Bund mehren sich kritische Stimmen. So verwies zuletzt die Citigroup auf die massive Verwässerung für die Altaktionäre, da sie an von den Kapitalerhöhungen ausgeschlossen sind.