Der Zinsentscheid der EZB in der vergangenen Woche überraschte keinen Marktbeobachter: Abermals 25 Basis- oder 0,25 Prozentpunkte nach unten auf einen Einlagenzins von mittlerweile 3,25 Prozent. Auch die nächste Senkung des Dollar-Zinssatzes Ende des Jahres durch die Fed im gleichen Maß am 7. November gilt als sehr wahrscheinlich. Derzeit steht er zwischen 5 und 4,75 Prozent; die Währungshüter in den USA verfügen also über mehr Spielraum für weitere Schritte nach unten als ihre Kollegen in Frankfurt. Einige Marktdaten nehmen die anbrechende Phase der tieferen Zinsen und der damit verbundenen langfristigen Inflation schon vorweg – allen voran der Goldpreis, wobei auch der Silberpreis mittlerweile bemerkenswert stark nachzieht.
Der Einkaufspreis für die Münzen und Barren zeigt eben nicht nur den aktuellen Wert des gelben Metalls an, sondern gleichzeitig auch das Vertrauen in das Notenbank-Geld. So, wie die eine Kurve steigt, fällt spiegelbildlich die andere. Allein seit Jahresanfang 2024 stieg der Gpoldreis um satte 35 Prozent. Die Kurve entwickelte sich besonders steil seit den ersten Zinssenkungen von EZB und Fed, die sich in den USA weiter fortsetzen dürften: Der Unzenpreis übersprang locker die Marke von 2.400 Dollar, um dann in großen Schritten weiter zu klettern. In der vergangenen Woche erreichte er den vorläufigen Rekord von über 2.700 Dollar. Das markiert zwar ein historisches Hoch, bedeutet aber mit Sicherheit noch längst nicht das Ende der Gold-Rally. Setzt sich die Zinssenkungs-Serie der Fed auch 2025 fort, wofür vieles spricht – siehe oben – dann dürfte die Unze bald 3.000 Dollar kosten.
Dreierlei treibt den Goldpreis machtvoll an:
- Erstens die Senkung der Zinsen in den USA, der Eurozone und kleineren Währungsräumen – auch in Großbritannien und der Schweiz verbilligte sich das Notenbank-Geld. Anleihen werfen also auf lange Sicht sehr viel weniger Ertrag ab als in der relativen Hochzins-Phase der vergangenen Jahre. Kapital fließt von dort verstärkt in Gold, das bekanntlich keine Zinsen bringt, dafür aber das Kapital gut sichert.
- Zweitens gingen 2024 trotz des scharfen Preisanstiegs auch die Goldkäufe von Zentralbanken weiter, und das teils aus dem gleichen Grund: Anleihen, die Währungshüter sonst gern kaufen, verlieren an Attraktivität, Gold dagegen mehrt trotz des mittlerweile hohen Einstiegs langfristig den Wert der Reserven. Polens Zentralbank legte sich in diesem Jahr sechs Tonnen Gold zu, die türkische 3 Tonnen, die Zentralbank Indiens die gleiche Menge. Tschechiens Zentralbanker erwarben zwei Tonnen.
- Drittens halten geopolitische Spannungen nach wie vor an. Zum einen zwischen Israel und dem Iran, aber auch im Roten Meer: In einer der wichtigsten Handelsstraßen der Welt attackiert die vom Iran unterstützte Huthi-Armee immer häufiger Frachter mit Raketen. Es gilt die Faustregel: Je krisenhafter die politisch-militärische Lage, desto eher empfiehlt sich der Kauf des glänzenden Metalls.
Die Zinssenkungen in den USA und Europa verfolgen ähnliche Zwecke: Sie sollen jenseits des Atlantiks eine harte Landschaft der Wirtschaft verhindern, und in der Eurozone zumindest das weitere Abrutschen der immer noch größten Volkswirtschaft des Kontinents verhindern – nämlich der deutschen. Außerdem sind die niedrigeren Zinssätze auch dringend nötig, um hoch verschuldeten Euro-Ländern wie Frankreich und Italien überhaupt noch Luft zum Atmen zu lassen. Niedrigere Zinsen machen nicht nur private Kredite günstiger, sondern erleichtern auch die Staatsverschuldung.
Und hier liegt der Hauptgrund, warum sich das Gold-Investment immer noch lohnt: Durch die mittlerweile zwar gebremste, dafür aber langfristig wirkende Inflation verliert das stetig vermehrte Notenbank-Geld systematisch an Kaufkraft. Im Grunde wertet also Gold gar nicht auf – sondern Bargeld relativ gesehen zu dem Edelmetall immer weiter ab. Im langfristigen Vergleich mit Barem erweist sich Gold als außerordentlich wertstabil. Ein populäres Beispiel lautet: Etwa die gleiche Menge Gold, für die man im alten Rom eine gute Toga erwerben konnte, gibt ein Käufer heute für einen Maßanzug aus. Ein zweites Exempel: Der Bau des historischen Hotel Adlon unter den Linden, eröffnet 1907, kostete damals 17 Millionen Goldmark. Als das neue Adlon an gleicher Stelle 1997 seine Türen öffnete, entsprach die Kaufkraft dieses Betrags aus der Zeit der goldgedeckten Währung etwa 400 Millionen Euro. Und fast genau das gleiche kostete der Bau des nicht ganz so prachtvollen Adlon Nummer Zwei tatsächlich, nämlich 435 Millionen Euro.
Zurück auf die Ebene der globalen Finanzen. Kurz vor der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds stellte dessen Direktorin Kristallina Georgiewa fest: „Unsere Prognosen deuten auf eine unerbittliche Kombination aus niedrigem Wachstum und hoher Verschuldung hin. Auf uns wartet eine schwierige Zukunft.“
Schon aus diesem Grund setzen sich kreditgetriebene Staatsinterventionen fort, in Europa vermutlich noch stärker als in den USA und Asien. Diese Politik wiederum lässt sich nur mit niedrigen Zinsen verfolgen – um den Preis einer jährlichen Inflationsrate von über zwei, möglicherweise sogar über drei Prozent über eine lange Zeit. Zwei bis drei Prozent – das klingt zwar wenig dramatisch im Vergleich zu zweistelligen Raten, die sie noch vor nicht allzu langer Zeit in den USA und Europa herrschten. Was viele übersehen dabei: Eine kurze heftige Inflation greift das Barvermögen weniger stark an als eine viele Jahre andauernde Wertschmelze auf kleiner Flamme. Wer sein Erspartes also vor dem Dauerschwund halbwegs schützen will, muss Bares gegen langfristig Wertstabiles tauschen. Da ein Unzenpreis zwischen 4.000 und 5.000 Dollar gegen Ende des Jahrzehnts angesichts der Entwicklung nicht unrealistisch erscheint, ist es für den Goldkauf selbst jetzt noch nicht zu spät.
Ein möglicher Einwand lautet: Aber geht die Inflationsrate in Deutschland nicht gerade wieder stark zurück? Im September betrug der Preisauftrieb gegenüber dem Vormonat nur noch 1,6 Prozent. Eine Inflation gibt es also nach wie vor, nur schreitet sie tatsächlich langsamer voran als noch vor einem Jahr. Das liegt hauptsächlich an der schrumpfenden Wirtschaft, aber auch an den zwei Zinssenkungsschritten der EZB. Doch auch hier lohnt sich ein genauerer Blick. Die Bundesregierung bemüht sich nämlich, mit ihren Maßnahmen die Inflation anzutreiben. Sie wirkt der EZB also entgegen. Sehr wahrscheinlich nimmt die Teuerung demnächst trotz der Zinssenkung wieder Fahrt auf.
- Ab 1. Januar 2025 klettert die CO2-Abgabe von 45 auf 55 Euro je Tonne. Das erhöht nicht nur den CO2-Aufschlag je Liter Benzin von 12,7 auf 15,7 Cent pro Liter. Die Belastung von Treibstoff, Gas und Heizöl schlägt erfahrungsgemäß auf viele andere Konsumgüter durch.
- Die Bahn erhöht schon zum 15. Dezember 2024 ihre Preise für Flex-Tickets und Streckenkarten im Schnitt um 5,9 Prozent.
- Der Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung klettert 2025 von derzeit 1,7 auf 2,5 Prozent des Gehalts. Bei einem Bruttoeinkommen von monatlich 3.700 Euro macht das etwa 180 Euro mehr pro Jahr für bestenfalls die gleiche Leistung aus. Zum Vergleich: Die von der SPD für die Zeit nach der Wahl versprochene Entlastung „für 95 Prozent der Steuerzahler“ durch eine höhere Besteuerung der oberen fünf Prozent entspräche – wenn sie denn kommen sollte – realistisch gerechnet einer jährlichen Entlastung von durchschnittlich etwa 120 Euro. Mit anderen Worten: Allein die schon feststehende höhere Krankenversicherung fräße die hypothetische Mini-Entlastung komplett wieder auf, und es bliebe noch ein Minus für den Bürger.
- Im Jahr 2025 erhöhen zahlreiche Gemeinden ihren Grundsteuer-Hebesatz, um ihre vor allem durch die Migrationskosten stark gestiegenen Ausgaben einigermaßen zu decken, aber auch, um den krisenbedingten Rückgang der Gewerbesteuer zu kompensieren. Als Beispiel kann Saarbrücken dienen, deren Stadtrat die Steigerung schon festlegte: Dort steigt der Grundsteuer-Hebesatz 2025 von 520 auf 611 Prozent, was unter dem Strich etwa 14 Prozent mehr Grundsteuer bedeutet. Da es sich bei der Grundsteuer um einen umlagefähigen Betrag handelt, trifft sie Eigentümer wie Mieter.
Höhere Kosten für Wohnen, Heizen, Fahren wirken flächendeckend, sie schlagen sich unvermeidlich in der Inflationsrate nieder. Sich über die Politik zu ärgern, schützt das Ersparte leider nicht. Das muss jetzt jeder selbst in die Hand nehmen.