Tichys Einblick
Der Marktausblick

Erfahrung und Hoffnung

Die Wall Street hat am Freitag ihre zwischenzeitlich heftigen Kursverluste bis Handelsende etwas eingedämmt. Die Erholungsrally vom Vortag blieb damit aber ein Strohfeuer.

BRYAN R. SMITH/AFP/Getty Images

Die Wall Street hat am Freitag ihre zwischenzeitlich heftigen Kursverluste bis Handelsende etwas eingedämmt. Die Erholungsrally vom Vortag blieb damit aber ein Strohfeuer. Vor allem die Technologiebörse Nasdaq litt unter enttäuschenden Geschäftsberichten der Internet-Giganten Amazon und Alphabet.
Zum Schluss verlor der Dow Jones Industrial noch 1,2 Prozent auf 24.688 Punkte. Damit verbuchte der US-Leitindex ein Wochenminus von knapp drei Prozent. Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag letztlich um 1,7 Prozent auf 2.659 Punkte bergab. Der technologielastige Auswahlindex NASDAQ 100 büßte angesichts der Kursverluste der Schwergewichte Amazon und Alphabet 2,3 Prozent auf 6.852 Zähler ein.

Am Vorabend nach Börsenschluss hatten sowohl der Online-Händler als auch die Google-Mutter mit ihrem Quartalsumsatz enttäuscht. Amazon meldete sogar den zweiten Wachstumsrückgang in Folge. Der deutliche Gewinnanstieg versöhnte die Anleger nicht: Die Aktien sanken um knapp acht Prozent. Die Alphabet-Titel verloren trotz deutlich gestiegener Erlöse und Gewinne annähernd zwei Prozent – Analysten hatten auf noch bessere Resultate gehofft. Die Papiere beider Unternehmen hatten allerdings am Donnerstag vor der Zahlenvorlage deutlich zugelegt.

Die ebenfalls mit Vorschuss-Lorbeeren bedachten Snap-Aktien stürzten am Freitag um rund zehn Prozent ab. Das Unternehmen hinter der Foto-App Snapchat hatte für das Sommerquartal einen weiteren Rückgang der Nutzerzahlen berichtet. Zudem rechnet Snap nicht mit einer raschen Trendwende.

Schlechte Nachrichten kamen aber nicht nur aus der Technologiebranche: Der Konsumgüterhersteller Colgate-Palmolive meldete für das abgelaufene Quartal seinen ersten organischen Umsatzrückgang seit mehr als zehn Jahren. Zudem litt der Gewinn unter Kosten aus dem laufenden Sparprogramm, höheren Ausgaben für Werbung sowie Belastungen im Zuge der US-Steuerreform. Dies drückte die Aktien mit über sechseinhalb Prozent ins Minus.

Einzig Intel konnte die Anleger vor dem Wochenende mit seinen Zahlen überzeugen, was sich in einem Kursanstieg von gut drei Prozent und dem Dow-Spitzenplatz widerspiegelte. Der Umsatz des weltweit zweitgrößten Chipkonzerns im dritten Quartal übertraf selbst die höchste Analystenerwartung. Zudem blickt der Konzern nun auch optimistischer in die Zukunft.

Beim Elektroautobauer Tesla dämmte ein Zeitungsbericht, wonach das FBI die Produktionsdaten des „Model 3“ unter die Lupe nimmt, das Kursplus nur temporär ein: Die Aktien schlossen rund fünf Prozent fester.

Die von der US-Staatsanwaltschaft in San Francisco geleiteten strafrechtlichen Untersuchungen gegen Tesla seien in den letzten Wochen intensiviert worden, schrieb das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf eingeweihte Kreise. Teslas Pressestelle räumte auf Nachfrage zwar ein, dass das Justizministerium in diesem Jahr Dokumente zu den Prognosen der Model-3-Produktion angefordert habe. Das sei jedoch vor Monaten schon geschehen, man habe bei der Aufforderung kooperiert und seitdem keine weiteren Anfragen, geschweige denn eine Vorladung erhalten.

Der zeitweise schwächelnde Eurokurs zog im US-Geschäft etwas an. Daran änderte auch die von der Ratingagentur Standard & Poor’s angedrohte Herabstufung der Kreditwürdigkeit Italiens wenig: Zuletzt stieg die Gemeinschaftswährung auf 1,1411 Dollar.

Viele Anlageexperten schüren seit geraumer Zeit Ängste vor einem Crash und empfehlen, sich in vermeintlich sichere Häfen zurückzuziehen. Argumente liefern die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Monate: Brexit, Handelskrieg, Konjunkturschwäche, Konfliktherde wie Syrien — man könnte meinen, an den Aktienmärkten herrschte nackte Panik. Wer aber auf Aktien verzichtete, beging einen großen Fehler. Die Börsen sind auf Rekordkurs Der DAX notiert weit über seiner 200-Tage-Linie und ist nur rund sechs Prozent vom Allzeithoch entfernt. Kurzfristig könnte der Markt konsolidieren, etwa wenn es Enttäuschungen bei den Unternehmens-ergebnissen gibt. Mittelfristig aber sieht ein so renommierter Beobachter wie Yale–Professor und Nobelpreisträger Robert Shiller, der Warner vor der Finanzkrise 2007/2008, längst eine Verlängerung der Hausse. Der Grund: Trump. Der US-Präsident beflügele die Börse nicht nur durch die Steuersenkung. Er inspiriere auch die US-Konsumenten, weiterhin Geld auszugeben und konjunkturellen Schwächesignalen zu trotzen. „America first“ und US-Nationalstolz als Antreiber für die Weltbörsen — das ist ein neuer Aspekt.​

So schnell kann’s gehen. Gerade noch Europas Musterschüler, werden auf das deutsche Wirtschaftsmodell nun die Abgesänge lauter. So etwa bei der Fondsgesellschaft BMO Global Asset Management, welche die Automobilindustrie als Grundlage für Deutschlands Wohlstand mit dem Beginn der strukturellen Umstellung auf E-Mobilität in Gefahr sieht. „Da auch andere Schlüsselbranchen wie Chemie und Kunststoffe vor Herausforderungen stehen, wird die wirtschaftliche Dominanz Deutschlands auf den Prüfstein gestellt. Das Ausmaß könnte so umfassend werden, dass Frankreich mit seiner geringen Abhängigkeit von Autoexporten und den jüngsten Arbeitsmarktreformen die Wirtschafts-Führung innerhalb der Eurozone übernehmen könnte.“

Ein Skandal erschüttert die Mailänder Börse. Das Management von Bio-on, einem auf die Produktion von Bioplastik spezialisierten Unternehmen, geriet wegen des Vorwurfs der Bilanzfälschung und Marktmanipulation ins Visier der Justiz. Marco Astorri, Präsident und Gründer des Konzerns, wurde unter Hausarrest gestellt, gegen neun Manager wird ermittelt. Deren Büros wurden durchsucht, 150 Millionen Euro konfisziert. Die Mailänder Börse beschloss daraufhin, die Aktie am Mittwoch aus dem Handel zu nehmen. Die Untersuchungen gegen das 2007 gegründete Unternehmen wurden aufgrund der Anzeige des US-Fonds Quintessential aufgenommen. Dieser hatte Bio-on -beschuldigt, die Bilanzen mit dem Ziel gefälscht zu haben, die Aktie für Anleger attraktiver zu machen. Das Papier des im AIM-Index der Mailänder Börse notierten Unternehmens hatte im Juli 2018 ein Rekordhoch von 70  Euro erreicht. Damals betrug die Kapitalisierung 1,3 Milliarden Euro, nach dem Desaster liegt sie bei 200  Millionen Euro.

Ende September demonstrierten Tausende gegen die ägyptische Regierung. Doch anders als 2011 wurden die Proteste mit Zuckerbrot und Peitsche schnell wieder unter Kontrolle gebracht. Neben dem harten Vorgehen gegen die Protestanten wurde knapp zwei Millionen Menschen der Zugang zu staatlich subventionierten Lebensmitteln gestattet. Doch die Führung in Kairo muss mehr wirtschaftliche Erfolge vorweisen – und etwa die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen. Einige Reformen wurden angestoßen, nachdem Ägyptens Wirtschaft lange mit hohen Budget- und Leistungsbilanzdefiziten und einer Energiekrise zu kämpfen hatte. So wurden die Defizite unter Kontrolle gebracht, eine Abwertung der Währung hat Fremdwährungszuflüsse gebracht und die Devisenreserven sind rasant gestiegen. Auch administrative Eingriffe verbesserten das Investmentumfeld. „Die Früchte der Reformen kommen langsam zum Tragen, mittlerweile ist die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts bei über fünf Prozent“, erklärt Malek Bou-Diab, Fondsmanager des BB African Opportunities Fonds. „Dazu kommt, dass die Regierung viele Staatsfirmen privatisiert und an die Börse in Kairo gebracht hat, beziehungsweise weiterhin bringen wird. Auch Privatfirmen gehen vermehrt an die Börse, um Kapital für ihre Wachstumspläne zu beschaffen.


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