Tichys Einblick
Der Marktausblick

Weltweit kommen die Kurse ins Rutschen, Energiepreise verursachen Betriebsverlagerungen aus Deutschland

Das vielleicht wichtigste Ergebnis des Energiewende-Barometers ist, dass sich der Abwanderungstrend verstärkt. Nicht nur in Deutschland trüben sich die Aussichten ein. Wegen schwacher US-Wirtschaftsdaten und wenig überzeugender Zahlen einiger amerikanischer Tech-Riesen ist die Angst an die Börsen zurückgekehrt.

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Hohe Energiepreise und mangelnde Planbarkeit der Energieversorgung werden für Unternehmen in Deutschland immer mehr zu einem Hindernis. Zu diesem Schluss kommt die Vertretung der gewerblichen Wirtschaft in Deutschland, die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) in der am Donnerstag veröffentlichten Ausgabe des seit 2012 jährlich von ihm erstellten Energiewende-Barometers. Insgesamt nahmen in diesem Jahr 3283 Unternehmen an der Befragung teil.

Das vielleicht wichtigste Ergebnis des Barometers ist, dass sich der schon in den vergangenen Jahren zu konstatierende Abwanderungstrend verstärkt. Fast jeder fünfte der Teilnehmer bejahte die Frage, ob als Reaktion auf die Veränderungen in der Energiewirtschaft und -politik Einschränkungen der Produktion im Inland oder die Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland geplant oder bereits realisiert würden. Schaut man nur auf die Industrie, bei der die Energieversorgung eine größere Rolle spielt als im Dienstleistungssektor, sind es fast zwei von fünf Firmen – und was die Regierung besonders alarmieren dürfte: Bei Industriebetrieben mit über 500 Mitarbeitern sind es 51 Prozent, die sich mit Abwanderungsgedanken tragen.

Energiewende-Barometer der DIHK
Industrie: Mehr als die Hälfte der großen Betriebe denkt an Abwanderung
„Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Energiepolitik ist stark beschädigt. Der Politik ist es bisher nicht gelungen, den Unternehmen eine Perspektive für eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung aufzuzeigen“, lässt sich der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks zitieren. Hätten in den Jahren vor 2023 viele Unternehmen in der Energiewende auch Chancen für ihren eigenen Betrieb gesehen, überwögen aus ihrer Sicht inzwischen die Risiken.

Zwar seien die Beschaffungskosten für Strom und Gas wieder gesunken, doch sei für die Wettbewerbsfähigkeit der Preisabstand zu anderen Ländern entscheidend. Die Energiepreise in Deutschland verharrten im internationalen Vergleich allerdings auf hohem Niveau. Mit dem Abschalten der Kernenergie und dem Ausstieg aus der bleibe die Energiefrage auf absehbare Zeit eine Belastung für den Standort Deutschland. Erneuerbare Energien seien zudem nicht verlässlich.

Die anhaltende Skepsis zeigt sich auch in den Antworten auf die zentrale Frage im Barometer: „Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens?“ Dort wurde der zweitschlechteste Wert seit 2012 erzielt. Noch schlechter war das Ergebnis nur im vergangenen Jahr, als die Energiekrise im Gefolge des Ukraine-Kriegs den Unternehmen noch in den Knochen steckte. Über ein Drittel der Industriebetriebe gab ferner an, wegen der hohen Energiepreise derzeit weniger in betriebliche Kernprozesse investieren zu können. Auch Investitionen in den Klimaschutz (ein Viertel der Befragten) und in Forschung und Innovation (ein Fünftel) würden zurückgestellt.

Die Unternehmen erwarten von der Politik offensichtlich „ein deutliches Umdenken in der Energiepolitik, hin zu einer verlässlichen Perspektive mit weniger Detailsteuerung“, wie Dercks weiter sagte. Zu den konkreten Forderungen an die Politik zählten insbesondere die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Eigenversorgung mit Energie und für Direktlieferverträge. Daneben wurden Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieoffenheit als Leitprinzipien bei Energieeffizienz-Maßnahmen genannt sowie der Abbau von Engpässen in den Netzen und die weitere Senkung der Steuern und Abgaben auf den Strompreis.

Nicht nur in Deutschland trüben sich die Aussichten ein. Wegen schwacher US-Wirtschaftsdaten und wenig überzeugender Zahlen einiger amerikanischer Tech-Riesen wie Amazon oder Intel ist jedenfalls die Angst an die Börsen zurückgekehrt. Die Aktienmärkte gaben am Freitag rund um den Globus deutlich nach.

Zuerst sackten die Börsen in Asien deutlich ab. Der japanische Leitindex Nikkei 225 verlor fast sechs Prozent, das ist der zweitschlechteste Handelstag seit dem Schwarzen Montag im Jahr 1987. Auch für asiatische Börsen wie den Kospi in Südkorea, den Hang Seng in Hongkong und an den chinesischen Märkten ging es abwärts. Die Aktie des größten und wichtigsten Chip-Herstellers der Welt, TSMC aus Taiwan, verlor ebenfalls sechs Prozent.

Die US-Börsen beschlossen nach weiteren schwachen Vorgaben aus Europa den Tag mit einer Fortsetzung ihrer jüngsten Talfahrt. Schwache Arbeitsmarktdaten gaben den tags zuvor hochgekochten Rezessionssorgen weitere Nahrung. Die wachsenden Spannungen im Nahen Osten sowie enttäuschende Quartalsberichte von Intel und Amazon belasteten ebenfalls die Stimmung.

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Der Wall-Street-Index Dow Jones Industrial büßte letztlich 1,5 Prozent auf 39.737 Punkte ein, womit sich für die abgelaufene Handelswoche ein Verlust von 2,1 Prozent ergibt. Der marktbreite S&P 500 verlor am Freitag gut 1,8 Prozent auf 5.347 Punkte. Für den Technologie-Auswahlindex Nasdaq 100 ging es um 2,4 Prozent auf 18.441 Punkte abwärts, womit er auf dem tiefsten Stand seit Mitte Mai schloss. Sein Wochenminus beträgt 3,1 Prozent.

Die US-Wirtschaft schuf im Juli deutlich weniger Arbeitsplätze als erwartet, und die Arbeitslosigkeit erreichte den höchsten Stand seit fast drei Jahren. Gleichzeitig schwächte sich das Lohnwachstum unerwartet ab. „Schlechte Nachrichten sind jetzt wirklich schlechte Nachrichten“, kommentierte Chef-Marktanalyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets. „Die Arbeitsmarktdaten schlagen genau in die Kerbe, die den Aktienmarkt in den letzten Handelstagen unter Druck setzte: die Angst vor einer Rezession der US-Wirtschaft im späteren Jahresverlauf.“

Die Zahlen folgten auf überraschend schwache Daten zur Stimmung in der US-Industrie am Vortag: Der ISM-Indikator war im Juli noch stärker unter die Expansionsschwelle gesackt, die eine wirtschaftliche Schrumpfung signalisiert. Investoren sorgen sich daher zunehmend, dass die US-Notenbank zu lange mit der Zinswende gewartet habe und nun der Konjunkturentwicklung hinterherlaufe. Schließlich hatte die Fed auch im Juli zur Eindämmung der Preisentwicklung an den hohen Leitzinsen festgehalten. Eine erste Senkung im September wurde zugleich als Möglichkeit in Aussicht gestellt.

Die sich fortsetzende Berichtssaison brachte außerdem weitere Enttäuschungen auf Seiten der „Magnificent 7“, den sieben herausragenden Tech-Giganten der USA, deren Quartalsberichte am Markt ein besonderes Gewicht haben. So enttäuschte der weltgrößte Online-Händler Amazon mit seinem Ausblick auf das laufende Quartal. Analysten monierten das träge Online-Einzelhandelsgeschäft. Die Aktie sackte um 8,8 Prozent ab.

Das Chipentwickler-Urgestein Intel zählt zwar nicht zu den „glorreichen Sieben“, doch der Kurseinbruch von 26,1 Prozent spricht für sich. Der kriselnde Tech-Konzern enttäuschte ebenfalls mit seinen Zahlen und dem Ausblick. Um schnell Kosten zu senken, werden zudem drastisch Stellen abgebaut.

Der iPhone-Konzern und Technologie-Riese Apple überzeugte hingegen mit seinen Zahlen und dem Ausblick für das neue Quartal. Die Aktie legte um 0,7 Prozent zu.

Der Euro, der im Zuge der schwachen US-Jobdaten gestiegen war, kostete zuletzt 1,0912 Dollar. Am US-Rentenmarkt legten die Kurse erneut deutlich zu. Die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen fiel im Gegenzug auf 3,79 Prozent

Der Dax hatte zuvor seine Talfahrt beschleunigt fortgesetzt. „Aus Zinssenkungshoffnung wird Rezessionsangst“, kommentierten Händler. Zum Handelsende büßte der deutsche Leitindex 2,3 Prozent auf 17.661 Punkte ein. Damit erlitt er den größten Tagesverlust seit März 2023 und erreichte den tiefsten Stand seit April. Bereits am Donnerstag hatte er so deutlich verloren wie seit über einem Jahr nicht mehr. Der Wochenverlust von 4,1 Prozent ist der höchste seit zwei Jahren.

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Für 2024 schmilzt der Dax-Gewinn damit auf 5,4 Prozent. Damit gerät langsam aber sicher auch die sogenannte 200-Tage-Linie in Gefahr, die als wichtiger Indikator für den langfristigen Trend gilt – sie verläuft aktuell bei knapp 17.400 Punkten. Unter die Durchschnittslinien für die kurz- bis mittelfristige Tendenz war das Börsenbarometer bereits am Donnerstag abgesackt. Der MDax der mittelgroßen Unternehmen verlor am Freitag letztlich knapp 2,2 Prozent auf 24.464 Punkte.

Die negativen vorbörslichen Vorgaben aus den USA zogen am deutschen Markt Halbleiterwerte nach unten. So verloren Infineon fünf Prozent. Für Süss Microtec im Nebenwerte-Index SDax ging es um zehn Prozent bergab. Die Essenslieferdienste Hellofresh und Delivery Hero kamen im Sog der Amazon-Schwäche unter die Räder und verloren am MDax-Ende 7,8 beziehungsweise 7,5 Prozent.

Industriewerte wie Heidelberg Materials litten unter den Rezessionssorgen und Bankaktien wie Commerzbank und Deutsche Bank unter den Perspektiven niedrigerer Zinsen. Die Papiere des Versorgers RWE und des Energietechnikkonzerns Siemens Energy belegten im Dax mit Abschlägen von 7,9 und 7,5 Prozent die hinteren Plätze.

Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,30 Prozent am Vortag auf 2,22 Prozent.

Die Aussichten für die nächste Woche sind vor diesem Hinergrund nicht besonders rosig. Dem deutschen Aktienmarkt setzt derzeit ein toxisches Gemisch aus hausgemachten und internationalen Problemen zu. Die Wahrscheinlichkeit weiterer Verluste an der Tech-Börse Nasdaq und entsprechend negativer Vorgaben für die internationalen Finanzmärkte ist hoch. Das wäre noch nicht allzu schlimm, wenn die Gewinne aus den teuren US-Technologieaktien in günstigere Substanztitel umgeschichtet würden. Doch dieses Szenario hat nach einer Reihe schwacher US-Konjunkturdaten Risse erhalten. Der jüngste US-Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe der USA hat vielmehr Sorgen über die weitere Entwicklung US-Wirtschaft angeheizt. Die Daten für Juli haben zudem gezeigt, dass die Schwäche am US-Arbeitsmarkt angekommen ist.

Damit könnte die bislang so günstige Prognose für die Aktienmärkte zur Makulatur werden. „Lange Zeit sah es so aus, als würde sich für Aktien ein goldenes Szenario einstellen: Die Konjunktur läuft und gleichzeitig senken die Notenbanken die Zinsen“, so die Experten der Helaba. „Zuletzt haben sich die Zweifel daran verstärkt.“ Damit könnten sich Befürchtungen, die Skeptiker hinsichtlich der US-Geldpolitik schon länger hegen, bewahrheiten. „Es mehren sich die Stimmen, dass die Fed mit ihren geldpolitischen Lockerungen bereits zu spät dran ist“, gibt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank, zu bedenken.

Dazu kommen wachsende politische Spannungen. „Im Nahen Osten folgt Vergeltungsschlag auf Vergeltungsschlag, weshalb sich Israel und die USA jetzt auf einen Großangriff aus dem Iran einstellen“, so Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. „Schon oft war von einem drohenden Flächenbrand in der Region die Rede, aber noch nie war das Risiko so hoch wie heute.“

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