Die Sorgen über die Zuspitzung des Ukraine-Kriegs halten die Akteure an den Finanzmärkten in Atem. Nach der Nachricht über einen Brand im ukrainischen Atomkraftwerk Saporischja waren die Aktienmärkte am Freitag erneut auf Talfahrt gegangen. Die Angst vor einer nuklearen Katastrophe, nachdem auf dem Gelände des größten Atomkraftwerks in Europa in der Nähe der ukrainischen Großstadt Saporischschja ausgebrochen war, ließ viele Anleger aussteigen.
Die Öl- und Rohstoffpreise hielten sich auf hohem Niveau und nährten Rezessions- und Inflationsängste. Der Dow Jones Industrial schloss mit einem Minus von 0,5 Prozent bei 33.615 Punkten. Daraus resultierte für den US-Leitindex ein Wochenverlust von rund 1,3 Prozent. Der marktbreite S&P 500 fiel am Freitag um 0,8 Prozent auf 4.329 Punkte. Für den technologielastigen Nasdaq 100 ging es um 1,4 Prozent auf 13.838 Zähler nach unten.
Derweil gab es auch positive Nachrichten. So schaffte die US-Wirtschaft im Februar deutlich mehr Arbeitsplätze als erwartet. Zudem wurde der Beschäftigungsaufbau in den beiden Vormonaten nach oben revidiert. Die Arbeitslosenquote ging überraschend stark zurück.
Bei den Einzelwerten sorgten Geschäftszahlen für Bewegung. Die Aktien des Pistolenherstellers Smith & Wesson brachen nach einem enttäuschenden Quartalsbericht um 12,5 Prozent ein. Die Titel von Costco verloren 1,4 Prozent, nachdem die Handelskette zwar starke Quartalszahlen vorgelegt, aber vor steigenden Kosten gewarnt hatte. Der Bekleidungshändler Gap schnellte im frühen Handel nach der Bekanntgabe der Jahreszahlen um mehr als zehn Prozent nach oben. Kurz danach ging es aber rasant abwärts ins Minus. Letztlich stagnierten sie auf Vortagesniveau. Ein starker Quartalsausblick ließ die Aktien des Halbleiterherstellers Broadcom um drei Prozent steigen. Beim Softwareunternehmen Splunk sorgte ein Bericht über den Einstieg des Finanzinvestors Hellman & Friedman für einen Kursgewinn von knapp sechs Prozent.
Auch aufgrund der geographischen Nähe lagen die europäischen Aktienbörsen im tiefroten Bereich. Der Euro-Stoxx 50, das Barometer der 50 größten kotierten Unternehmen der Euro-Zone, schloss am Freitag mit einem Minus von knapp 5 Prozent, der deutsche DAX verlor 4,4 Prozent, und der Schweizer SMI verlor 3,2 Prozent an Wert. Besonders hart erwischte es den italienischen Aktienmarkt. Der FTSE-MIB-Index verlor am Freitag 6,2 Prozent.
Mittlerweile sind die Ereignisse in der Ukraine auch an den Devisenmärkten angekommen. So notiert der Franken beinahe auf Parität zum Euro. Am Freitagnachmittag wurden vorübergehend noch 1,0019 Franken bezahlt. Die Schweizer Währung wird damit ihrem Ruf als sicherer Hafen in Krisenzeiten einmal mehr gerecht. Vor einem Jahr kostete ein Euro noch 1,11 Franken.
Derweil legte am Freitag auch der Preis für das Krisenmetall Gold weiter zu. Am Freitagabend kostete eine Unze Gold 1961 Dollar und damit 1,3 Prozent mehr als am Vortag. Seit Jahresbeginn hat der Preis für das Edelmetall um 7,2 Prozent zugelegt.
Auch die Preise anderer Rohstoffe verbuchten Gewinne. Der Preis für ein Barrel Erdöl der Sorte WTI kostete am Freitagabend gut 110 Dollar und damit 2,5 Prozent mehr als am Vortag. Erdöl der Sorte Brent verteuerte sich um 2,5 Prozent auf rund 113 Dollar. Der Ölpreis hat in dieser Woche um rund 20 Dollar zugelegt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg schrieb in diesem Zusammenhang vom stärksten wöchentlichen Anstieg am Rohstoffmarkt seit der Ölkrise im Jahr 1974.
Inzwischen sind die Sanktionen der westlichen Welt in Kraft getreten. Dabei rückt auch die Frage in den Blick, welche Folgen sie auch für den Westen haben werden.. Credit-Suisse-Stratege Zoltan Pozsar skizziert: „Der Ausschluss von Swift wird zu verpassten Zahlungen und riesigen Überziehungen führen, ähnlich wie die verpassten Zahlungen und riesigen Überziehungen, die wir im März 2020 gesehen haben.“ Die Unfähigkeit der von Swift abgeklemmten Banken, Zahlungen zu leisten, gleiche der „Unfähigkeit von Lehman, Zahlungen zu leisten, weil ihre Clearingbank nicht bereit war, Zahlungen in ihrem Namen zu senden. Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich“, schrieb Pozsar in einer Analyse.
Nach Ansicht von Pozsar werden die derzeitigen Überschussreserven und die Repo-Fazilitäten nicht ausreichen. Die Notenbanken werden handeln müssen. Die Fed, die mittels quantitativer Straffung gerade den Weg zur Schrumpfung ihrer Bilanz geebnet hat, könnte diese zunächst wieder ausweiten müssen, so Pozsar. Um den Druck auf das russische Finanzsystem zu erhöhen, haben die Außenminister der Europäischen Union informierten Kreisen zufolge beschlossen, alle Transaktionen mit der russischen Zentralbank zu untersagen.
„Wir sind nicht mehr allzu weit von einer Bodenfindung entfernt“, machte sich am Freitag ein Händler Mut. Sicher kann die Börse noch einmal um fünf bis zehn Prozent fallen, ein echter Bärenmarkt wird aber von der Mehrheit der Analysten nach wie vor in den breiten Indizes in Europa nicht erwartet. Die Einpreisung der neuen Situation habe stattgefunden. Tatsächlich ist man in der Regel schlecht beraten, wenn man auf solche Ereignisse panisch reagiert. Kriegerische Ereignisse lösen vor allem in der kurzen Frist Volatilität aus.