Am 21. September 1920 fällte das damalige Reichsgericht in Leipzig, wo heute das Bundesverwaltungsgericht seinen Sitz hat, ein Urteil, das es in sich hatte: „Wegfall und Störung der Geschäftsgrundlage von Dauerschuldverhältnissen“. Auf Basis dieses Richterspruchs konnten sich die deutschen Banken durch die Hyperinflation retten.
Dabei war in dem als „Dampfpreisfall“ höchstrichterlich entschiedenen Streitfall weder Kläger noch Beklagter ein Kreditinstitut gewesen; vielmehr stritten ein Immobilieneigentümer, der sich zum Festpreis zur Energielieferung von Wasserdampf verpflichtet hatte, und sein Mieter. Für den Mieter hatte sich die Situation im Sommer 1920 durch den allgemeinen Geldwertverfall nämlich so entwickelt, dass der Wert des Wasserdampfbezugs die zu zahlende Miete bei weitem überstieg.
Die Richter wichen damals vom Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda“ – „Verträge sind einzuhalten“ – mit dem Hinweis auf den ebenfalls alten römischen Rechtsgrundsatz der „clausula rebus sic stantibus“, wonach die Vertragsparteien keine Änderung der für den Vollzug des Vertrags entscheidenden äußeren Umstände erwarten. Tatsächlich wäre es in einem Dauerschuldverhältnis treuwidrig, wenn der eine Vertragspartner den anderen, für den die Geschäftsgrundlage durch die von ihm nicht zu vertretende Inflation gestört worden ist, auf dem Vertrag beharren und damit dessen wirtschaftlichen Untergang herbeiführen würde.
Bereits in den Jahren des Ersten Weltkriegs hatte das höchste deutsche Gericht mehrfach zugunsten von Gläubigern geurteilt, wie es im Urteil vom 21.09.1920 heißt: „Dagegen hat das Reichsgericht in den letzten Jahren in einer Reihe von Entscheidungen sowohl des erkennenden Senats als auch anderer Senate dem durch den ungeahnten Verlauf und Ausgang des Krieges herbeigeführten Umsturz und Umschwung aller wirtschaftlichen Verhältnisse ausnahmsweise eine derartige Einwirkung auf bestehende Verträge eingeräumt, dass es das Begehren einer Vertragspartei auf Lösung des Vertragsverhältnisses dann als berechtigt erachtet hat, wenn ihr das Aushalten des Vertrages unter den neuen, völlig veränderten Umständen nicht mehr zugemutet werden konnte.“
Diese höchstrichterlichen Entscheidungen wurden zu Beginn der Weimarer Republik wie folgt genutzt: Zunächst drosselten die Banken die Neukreditvergabe durch Erhöhung der Zinsen und Verschärfung der Vergaberichtlinien. So reduzierte sich schnell und effektiv die Nachfrage. Das führte dazu, dass die Immobilienpreise fielen, obwohl gleichzeitig die Preise für Waren des täglichen Bedarfs kräftig anzogen. Als die Immobilienpreise um etwa 30 Prozent eingebrochen waren, traf es die hoch finanzierten Gläubiger. Soweit keine Darlehensrückführung oder Nachbesicherung möglich war, ging das Haus in die Versteigerung – in vielen Fällen ersteigert von der Bank.
Das Urteil aus dem „Dampfpreisfall“ eröffnete den Banken aber noch ganz andere Möglichkeiten: Im nächsten Schritt passten sie die Zinsen auch für bestehende Darlehensverträge an. In der Spitze riefen sie bis zu 30 Prozent auf – am Tag! Hier traf es die Masse der Immobilienbesitzer. Da die Kapitaldienstfähigkeit nicht länger gegeben war, gingen ihre Häuser in die Versteigerung.
Tilgung verboten, Restschuld wuchs
Bevor die letzte Phase der Hyperinflation begann, ließen Banken dann gar keine Tilgung mehr zu, und die Restschuld wurde anhand der offiziellen Inflationsrate aufvalutiert – sie wurde immer größer. So konnten die Banken auf den Sicherheiten überwintern. Die Immobilienbesitzer wurden als Mieter in den meisten Fällen von den Banken akzeptiert, und konnten, soweit sie nach der Hyperinflation wieder entsprechende Bonität aufbauten, ihr Haus erneut erwerben. Hier kam das Reichsgericht 1923 mit seinem „Aufwertungsurteil“, in welchem mit dem Grundsatz „Mark ist gleich Mark“ gebrochen wurde, den Banken erneut zu Hilfe.
Es ist interessant, dass es – im Gegensatz zur Großen Depression zehn Jahre später – während der Hyperinflationszeit keine nennenswerten Bankenpleiten in Deutschland gab, obwohl sich die Bankbilanzen binnen weniger Jahre praktisch in Luft aufgelöst hatten. Zu verdanken war dies den Urteilen des Reichsgerichts. Im Rahmen der Schuldrechtsreform des Jahres 2001 fand der „Dampfpreisfall“ Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch (Paragrafen 313, 314 BGB).
Die spannende Frage ist: Gab es eine Lösung für finanzierte Immobilieneigentümer, gab es vielleicht sogar Profiteure der Immobilienkrise in der Hyperinflation? Nun, all jene profitierten, die ausreichend physisches Gold oder auch Silber besaßen, dazu gehörten der deutsche Adel, aber auch vermögende Bauern und einige findige Geschäftsleute. Diese Gruppen konnten einerseits entschulden, und wer beherzt antizyklisch handelte, konnte sogar hinzukaufen.
Wie bereits in der Ausgabe Tichys Einblick 11/24 („Das Märchen vom Betongold“) geschildert, wurden damals respektable Mehrfamilienhäuser für wenige Hundert Gramm Gold gehandelt – höchste Zeit also, sich zumindest einen kleinen Bestand von Gold und/oder Silber zuzulegen, um im Fall der Fälle einen Tauschwert zur Ablösung der grundschuldgesicherten Darlehen zu haben. Wer schon einmal in einer angespannten wirtschaftlichen Situation mit einer Bank verhandelt hat, weiß, dass es schwierig wird, wenn die Bank schon alles von einem hat respektive weiß, was man besitzt. Um keine Begehrlichkeiten zu wecken, lautet der Rat, das Gold in der Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse am besten zu vergessen.
Gefahr der Enteignung besteht
Wer meint, die Enteignung von finanzierten Immobilieneigentümern, ohne dass deren Kredite durch Nichtzahlung notleidend wurden, sei heute unmöglich, dem sei neben den vorgenannten Paragrafen im BGB noch folgende Information eine Warnung: Nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 begannen die deutschen Banken ihre IT-Systeme auf Stundenzinsberechnung umzustellen – und das im Umfeld historisch niedriger Zinssätze. Stundenzinssätze sind bei fünf oder zehn Prozent Jahreszins kaum sinnvoll, geht man dagegen erneut von zweistelligen Tageszinssätzen aus, dann schon. Die Umstellung ist nun seit über zehn Jahren abgeschlossen, die Kreditinstitute sind vorbereitet.
Wer den Weisheitsspruch von König Salomo: „Der Kluge sieht das Unglück kommen und verbirgt sich; die Unverständigen laufen weiter und müssen büßen“ berücksichtigt, sollte ernsthaft erwägen, etwaige finanzierte vermietete Wohneinheiten zu verkaufen. Im Moment sollte ein Verkaufserlös in vielen Fällen gut ausreichen um die Restschuld und etwaige Ablösegebühren zu bezahlen. Wird der Überschuss dann in Silber und Gold angelegt, werden in den kommenden Zeiten aus Sicht des Autors sehr interessante Möglichkeiten entstehen, Immobilien sogar ganz ohne Kredit zu erwerben.