Vor zwei Jahren, als die Inflation in den USA und Europa außer Kontrolle zu geraten drohte, hatte Powell die Welt an derselben Stelle auf eine konsequente Bekämpfung der Preissteigerungstendenzen eingeschworen. Er sagte damals, man werde sogar eine Rezession in Kauf nehmen, um die Inflation wieder in den Griff zu bekommen. Offensichtlich ist die Fed der Ansicht, ihr Ziel erreicht zu haben. Die Finanzmärkte hatten auf eine solche Bestätigung gewartet: US-Staatsanleihen stiegen, auch die amerikanischen Aktien-Indizes legten kräftig zu, und der Dollar schwächte sich gegenüber Euro und Yen deutlich ab. „Die Spatzen pfiffen es spätestens seit dem enttäuschenden Arbeitsmarktbericht für Juli von den Dächern“, kommentierte Analyst Elmar Völker von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) nach den Powell-Aussagen. „Die US-Notenbank wird am 18. September die Leitzinswende einleiten. Alles andere wäre aus heutiger Sicht eine gewaltige Sensation.“
Powell nutzte seine Rede, um nochmals die Gründe darzulegen, warum die Notenbank zunächst davon ausgegangen sei, dass der Inflationsschub 2021 vorübergehender Natur sei: Die Teuerung habe zunächst überwiegend Güter betroffen, die pandemiebedingt knapp waren. Tatsächlich sei der Arbeitsmarkt aber über längere Zeit angespannt gewesen, und die Teuerung habe sich verfestigt. Das Jahr 2022 habe dann weitere Preisschocks im Zuge des Ukraine-Kriegs gebracht, der Erdöl, Erdgas oder Weizen verteuert habe.
Die bevorstehende Zinswende in den USA sorgte am Freitag auch in Frankfurt für gute Stimmung. Der Dax kletterte auf den höchsten Stand seit Mitte Juli. Aus dem Handel ging der deutsche Leitindex mit einem Plus von knapp 0,8 Prozent auf 18.633 Punkte, womit sich ein Wochenplus von 1,7 Prozent ergibt. Seit dem Kursrutsch zu Beginn des Monats hat er mittlerweile um mehr als 1.600 Punkte zugelegt. Der MDax der mittelgroßen Werte stieg um 0,9 Prozent auf 25.197 Punkte.
Die bevorstehende Zinswende in den Vereinigten Staaten stellte vor dem Wochenende die wenigen Unternehmensnachrichten in den Schatten. Infineon zählten im Dax mit plus 0,3 Prozent zu den schwächsten Werten. Offenbar belastete die mit dem Insolvenzverwalter der einstigen Speicherchip-Tochter Qimonda ausgehandelte Vergleichszahlung. Analysten hatten sich negativ zur Höhe geäußert.
Ein Medienbericht über eine mögliche Aufstockung der Beteiligung des britischen Sportartikel-Einzelhändlers Frasers an Hugo Boss sorgte bei den Anlegern des deutschen Modeherstellers für gute Laune. Unter den stärksten MDax-Aktien gewannen Boss 5,2 Prozent. Am Anleihemarkt stieg die Umlaufrendite von 2,22 Prozent am Vortag auf 2,26 Prozent.
Powells Rede führte auch zu einer Erleichterungsrally an der Wall Street. Der Dow Jones Industrial stieg im frühen Handel auf den höchsten Stand seit seinem Rekordhoch Mitte Juli und schloss dann immer noch gut 1,1 Prozent im Plus bei 41.175 Punkten. Daraus resultierte für den US-Leitindex ein Wochengewinn von rund 1,3 Prozent. Der marktbreite S&P 500 legte am Freitag um knapp 1,2 Prozent auf 5.635 Zähler zu. Für den technologielastigen Nasdaq 100 ging es ebenfalls um 1,2 Prozent auf 19.721 Punkte nach oben.
Unter den Einzelwerten rückten unter anderem die Aktien von Workday in den Fokus. Der Hersteller von Personalsoftware hatte laut der kanadischen Bank RBC im abgelaufenen Quartal eher verhalten abgeschnitten, aber mit seinen Zielen für 2027 überzeugt. Die Papiere zogen um mehr als zwölf Prozent an.
Der Fahrdienst-Vermittler Uber geht eine mehrjährige Partnerschaft mit dem Autokonzern General Motors (GM) ein. Demnach sollen sich Uber-Kunden ab 2025 mit selbstfahrenden Taxis der GM-Tochter Cruise chauffieren lassen können. Die GM-Anteilscheine stiegen um 4,5 Prozent, Uber-Titel gewannen 1,4 Prozent.
Die Papiere von Intuit reagierten mit einem Kursabschlag von 6.8 Prozent auf unerwartet schwache Quartalsergebnisse des Software-Unternehmens. Da half auch der prozentual zweistellig gestiegene Umsatz nicht wirklich. Die Anteilscheine von Roku gewannen knapp zwölf Prozent, nachdem Guggenheim Securities sie zum Kauf empfohlen hatte.
Der Kurs des Euro kletterte nach der Powell-Rede erstmals seit 13 Monaten wieder über die Marke von 1,12 US-Dollar. Zuletzt notierte die Gemeinschaftswährung wieder darunter bei 1,1191 Dollar. US-Staatsanleihen legten zu. Die Rendite der Zehnjährigen sank auf 3,80 Prozent.
Ein Dauerbrenner-Thema für deutsche Börsianer beendete am Freitag endlich einen wichtige Etappe. Die Übernahme der Postbank im Jahr 2010 hatte der Deutschen Bank nämlich neben einer breiteren Kundenbasis nämlich vor allem viel Ärger bereitet. Seit der Übernahme vor nunmehr 14 Jahren klagten Aktionäre der Postbank, weil sie der Meinung sind, die Deutsche Bank habe sie übervorteilt. In den vergangenen Monaten hatte sich die Klage für Deutschlands größtes Geldhaus zum Milliarden-Risiko entwickelt. Nun gelang es der Deutschen, mit 80 Klägern, auf die insgesamt fast 60 Prozent der geltend gemachten Forderungen entfallen, einen Vergleich zu schließen. Diesem habe auch die größte Einzelklägerin in dem Verfahrenskomplex zugestimmt, auf die etwa ein Drittel aller geltend gemachten Forderungen entfallen würde, teilte das Institut mit. Die Deutsche hatte die Postbank 2010 für 25 Euro je Aktie übernommen. Die Kläger waren der Meinung, man hätte ihnen ein Pflichtangebot über 57.25 Euro machen müssen. Der Fall beschäftigte seit Jahren die Gerichte, und lange sah es so aus, als würden sich die Kläger nicht durchsetzen. Das OLG Köln hatte im Frühjahr angedeutet, dass den Postbank-Aktionären möglicherweise tatsächlich ein höherer Preis zugestanden haben könnte. Daraufhin hatte die Deutsche Bank im zweiten Quartal eine Rückstellung von 1,3 Milliarden Euro gebildet, was erstmals seit Jahren wieder ein Quartalsergebnis mit roten Zahlen zur Folge hatte.
Eine ursprünglich für Mitte dieser Woche vorgesehene Urteilsverkündung hat das Kölner OLG kurzfristig verschoben, um den streitenden Parteien mehr Spielraum für eine Verständigung zu geben. Nun soll ein Urteil am 23. Oktober fallen. Die Deutsche Bank geht nun davon aus, dass die erzielten Vergleiche im Durchschnitt nur etwa 45 Prozent der Rückstellungen in Anspruch nehmen. Die darüber hinausgehenden Rückstellungen für diese Kläger könnten aufgelöst werden. Daraus erwartet die Bank einen positiven Effekt auf ihr Vorsteuerergebnis im dritten Quartal von rund 430 Millionen Euro.
Die Erwartungen an Zinssenkungen beiderseits des Atlantiks werden die Anleger am Aktienmarkt wohl auch in der neuen Woche bei Laune halten.
Stützen könnten die Börsen in der neuen Woche zur Abwechslung auch wieder einmal Nachrichten aus dem Technologiesektor. Die Berichtssaison ist eigentlich so gut wie abgeschlossen, aber mit Nvidia , dem Vorzeigeunternehmen für Künstliche Intelligenz (KI), steht am Mittwochabend nach US-Börsenschluss dann doch noch einmal ein Schwergewicht auf der Agenda. Nvidia ist allein wegen seiner Marktkapitalisierung und seines zuletzt immensen Wachstums imstande, über den Technologiesektor hinaus die Börsen weltweit zu bewegen. Zuletzt hat sich die Aktie des US-Chipherstellers wieder deutlich erholt und Kurs auf ihr im Juni erreichtes Rekordhoch genommen. Die Bilanzvorlage dürfte der Höhepunkt der neuen Woche werden. Die Analysten der Barclays Bank sehen darin einen weiteren Realitäts-Check für die Märkte.