Aufwind mitten im Sommer — auch das ist an der Börse möglich. Wer sich mit steigenden Temperaturen bereits weitgehend von seinen Aktieninvestments verabschiedet hatte, sieht sich nach den vergangenen Tagen plötzlich im Abseits. An der Wall Street nahmen die Standardwerte jedenfalls ihre Rekordjagd wieder auf. Sowohl der US-Leitindex Dow Jones Industrial als auch der marktbreite S&P-500-Index erreichten am Freitag neue Höchststände. Der Dow gewann 0,39 Prozent auf 21 637,74 Punkte. Seine Bestmarke liegt nun bei 21 681 Punkten. Auf Wochensicht steht ein Plus von 1,04 Prozent zu Buche.
Der S&P 500-Index zog am Freitag um 0,47 Prozent auf 2459,27 Punkte an, nachdem er zuvor bei 2463 Punkten sein Rekordhoch erreicht hatte. An der Technologiebörse Nasdaq setzte sich die Erholung nach dem jüngsten Rückschlag fort: Der NASDAQ 100 gewann 0,77 Prozent auf 5838,08 Punkte. Und auch der DAX entfernte sich ein gutes Stück vom Zweimonatstief und marschiert nun wieder Richtung 13.000 Punkte.
Die Ursache für die erfreuliche Sommerfrische: eine optimistisch aufgelegte Fed-Präsidentin. Janet Yellen machte deutlich, dass die US-Zentralbanker am Kurs vorsichtiger Leitzinsanhebungen festhalten. Die Wirtschaft der USA werde aller Voraussicht nach auch in den kommenden Jahren in moderatem Tempo wachsen. Gewöhnlich reagieren die Märkte auf die Ankündigung steigender Zinsen negativ. Der Zinstrend ist dem Markt inzwischen jedoch vertraut. Und in diesem Fall überzeugte die Zuversicht, die Yellen hinsichtlich der US-Wirtschaft zeigte.
Die spannende Frage: Wie geht es weiter? Die Berichtssaison der US-Banken läuft gerade an. Nach allem, was im Markt kursiert, liefen die Umsätze von April bis Juni eher durchwachsen. Das könnte die Wall Street wieder unter Druck bringen. Anleger bleiben also auf der vorsichtigen Seite und lassen sich gegebenenfalls überraschen.
Nach den Verlusten in den Vorwochen ging es mit den Aktienkursenin den vergangenen gute Konjunktur-daten ein wichtiger Treiber. Dass es weltweit stabil aufwärtsgeht, zeigt sich vor allem an den Erfolgen wichtiger Exportstaaten. So hat China im Juni die Ausfuhren um 11,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat stärker als erwartet gesteigert. Und auch Deutschland als Nummer 2 unter den Exportnationen protzt mit Zahlen. Im Mai verkauften deutsche Unternehmen Waren im Wert von 110,6 Milliarden Euro ins Ausland, ein Plus von 14,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Seit Jahren versuchen die Telekom–Anbieter Rezepte gegen den Margendruck bei der Übertragung von Gesprächen und Datenpaketen im Internet zu finden. Die Auswertung des Analystenmeinungsklimas sieht die IT- und Internetunternehmen aber weiter klar im Vorteil. Die Analyse des Schweizer Media–Tenor-Instituts weist für das zweite Quartal einen positiven Saldo von 41,6 Prozent für die Technologieunternehmen aus, bei den Telekomtiteln liegt der Saldo mit minus 7,8 im negativen Bereich. „Zum positiven Sentiment der Techunternehmen trugen zum Beispiel die Zitate zu Apple, Adobe und AMD bei“, so Matthias Vollbracht, Leiter Unternehmensanalyse bei Media Tenor. Noch etwas besser war das Meinungsklima zu den Versicherungen, hier vor allem zu Prudential sowie zur Chemiebranche. Zu den Verlierern in den Analysten-zitaten gehören neben der Telekombranche auch die Versorger und die Rohstofftitel. „Kurzfristige Übernahmefantasien haben bei den Versorgern die langfristigen Zukunftssorgen nicht überdecken können“, so Vollbracht. Für die Trendanalyse wurden insgesamt 164 .684 Analystenaussagen in internationalen Finanzzeitungen wie dem „Wall Street Journal“ oder der „Financial Times“ zwischen Januar 2014 und Juni 2017 ausgewertet.
Griechenland sorgt anders als noch vor wenigen Jahren nicht mehr für Panikattacken an den Finanzmärkten. Die Investoren wissen inzwischen, dass die EU-Politik das Land zu Lasten der europäischen Steuerzahler im Euro halten will. Da werden notfalls Regeln verbogen und Daten uminterpretiert. So auch die aktuelle Lesart: Dank der „Fortschritte bei Reformen und Sparkurs“ habe man die wiederholte Auszahlung von Milliardenhilfen freigeben können. Sogar eine Rückkehr an die Kapitalmärkte ist wieder denkbar – wenn die Partner stets aushelfen. gibt es keinen Grund, neue Griechenland-Anleihen nicht zu zeichnen. Gleichzeitig ist die Wirtschaft des Landes tatsächlich auf vorsichtigem Expansionskurs. So betrug das Wachstum im ersten Quartal des laufenden Jahres 0,4 Prozent, für das Gesamtjahr 2017 erwartet der IWF einen Anstieg von 2,2 Prozent. Und die EU-Kommission hat vergangene Woche nun sogar ein Ende des Defizitverfahrens vorgeschlagen, da die Haushaltslage in Athen sich deutlich verbessert habe. Mutige Anleger, die vor einem Jahr auf einen Aufschwung gesetzt hatten, haben seither über 40 Prozent Gewinneingefahren, nachdem der Markt zuvor 90 Prozent eingebrochen war. Und die Rally könnte durchaus noch weitergehen. „Griechische Unternehmen weisen im europäischen Vergleich größtenteils nach wie vor deutliche Bewertungslücken auf“, erklärt Christos Arbaras, Vorstand der Anodos Asset Management AG.
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