Tichys Einblick
Der Marktausblick

Börse geht zur Tagesordnung über

Die Börse kennt keine moralische Betroffenheit. An ihr werden auch in Kriegszeiten ganz nüchtern die Chancen verhandelt, Geld zu verdienen.

shutterstock/katjen

Fällige Zinszahlungen auf zwei russische Dollar-Anleihen hatten zunächst Anfang dieser Woche für Ungewissheit über einen Zahlungsausfall und möglichen Staatsbankrott Russlands gesorgt. Am Freitag teilten laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg aber einige Investoren mit, dass sie ihr Geld aus den fälligen Zinszahlungen über insgesamt 117 Millionen Dollar vom russischen Staat erhalten hatten.

Vor diesem Hintergrund stiegen zum Ende einer starken US-Börsenwoche am Freitag vor allem die Kurse an der Technologiebörse Nasdaq nochmals kräftig. Sie trotzten damit Hinweisen auf künftig noch stärker anziehende US-Zinsen und den weiterhin fehlenden Verhandlungsfortschritten zwischen Russland und der Ukraine. Auf den letzten Metern bauten die Indizes ihre Tagesgewinne noch aus, was auch mit dem Großen Verfallstag an den Börsen an diesem Freitag zu tun haben dürfte.

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Der NASDAQ 100 schloss 2,1 Prozent höher bei 14.420 Punkten. Dagegen fielen die Gewinne der Standardwerte-Indizes bescheidener aus: Beim marktbreiten S&P 500 reichte es am Ende für ein Plus von 1,2 Prozent auf 4.463 Punkte, der Dow Jones Industrial verzeichnete einen Kursanstieg von 0,8 Prozent auf 34.755 Punkte. Damit schaffte er ein Wochenplus von knapp fünfeinhalb Prozent – und das alles, obwohl die amerikanische Notenbank ihren Leitzins in dieser Woche erstmals seit Ende 2018 angehoben hatte. Es dürfte indes nicht der letzte Zinsschritt der Fed gewesen sein; schließlich muss sie der hohen Inflation von zuletzt fast acht Prozent Einhalt gebieten.

Bei Einzelwerten sorgten Geschäftszahlen und Analystenkommentare für Kursausschläge. Der Logistikkonzern Fedex profitierte zwar vom anhaltenden Online-Bestellboom, blieb im jüngsten Quartal aber trotz deutlich gestiegener Gewinne und Umsätze hinter den Analystenerwartungen zurück. Die Aktien büßten fast vier Prozent ein. Die Aktien des Navigationsgeräte-Herstellers Garmin stiegen um über zweieinhalb Prozent. Ihnen half eine Hochstufung durch die Bank of America, die nun zum Kauf rät.

Zuvor hatte bereits der Dax nach einem zunächst schwächeren Verlauf im Plus auf Tageshoch geschlossen. Der große Verfallstag am Terminmarkt und Rückenwind von den US-Börsen waren die treibenden Faktoren. Letztlich ging der deutsche Leitindex mit einem kleinen Gewinn von 0,2 Prozent auf 14.413 Punkte aus dem Tag. Der MDAX der mittelgroßen Börsenunternehmen stieg um 0,4 Prozent auf 31.606 Punkte. Vantage Towers schossen an der MDax-Spitze auf ein Rekordhoch. Um knapp elf Prozent ging es aufwärts. Ein Medienbericht über ein angebliches Interesse von Investoren an einem Milliardeninvestment in die Funkturm-Tochter von Vodafone sorgte für Rückenwind. Gleich mehrere positive Analystenkommentare gaben außerdem der Rekordrally von Rheinmetall weiteren Schub. Die Papiere des Rüstungsunternehmens verteuerten sich um vier Prozent.

Jede Börsenblase bringt ihre Stars und Verlierer hervor. Das Gesicht des Tech-Niedergangs an der Wall Street in den vergangenen zwölf Monaten ist Starinvestorin Cathie Wood, die mit ihrem Flaggschifffonds ARK die Mutter aller Crashs erlebt. Der Ausverkauf ist nicht nur hart und brutal – er scheint schlicht nicht zu enden. Selbst hoch kapitalisierte Tech-Qualitätsunternehmen wie Meta, Netflix oder PayPal hat es mit Einbrüchen von über 50 bis über 65 Prozent komplett zerrissen. Unternehmen wie Coinbase, Zoom oder Teladoc haben seit Anfang 2021 sogar zwei Drittel bis gar 80 Prozent ihres Wertes eingebüßt.

Cathie Wood ist wie keine andere das Gesicht dieses Niedergangs. Dabei wurde Wood noch vor Jahresfrist von ihren Fans – vor allem im mächtigen Reddit-Board „Wall Street Bets“ – als moderne Version von Warren Buffet gefeiert. Ihren Ruhm begründete die Fondsmanagerin als erfolgreiche Stockpickerin. Im Corona-Jahr 2020 etwa konnte der ARK Innovation ETF um enorme 153 Prozent zulegen. 2019 investierte Cathie Wood zu 5-Jahrestiefs in Tesla und rief für den Elektroautohersteller bis 2025 ein Kursziel von 3.000 Dollar aus.

Vor allem Woods stoisches Beharren auf eine goldene Zukunft angesichts des schwierigsten Börsenumfelds seit Jahrzehnten stößt immer mehr Marktbeobachtern auf. Vergangene Woche erklärte Wood im Finanzsender CNBC, sie erwarte in den nächsten fünf Jahren „spektakuläre Kursgewinne“. Der brutale Kurseinbruch von in der Spitze 50 Prozent allein seit Jahresbeginn sei nur „temporär“. „Innovation“ – Woods bevorzugtes Buzzword für ihre Techaktien – befinde sich „aktuell im Keller“. Wie lange noch, weiß allerdings auch sie nicht.

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