Tichys Einblick
Der Marktausblick

Aktien: Kursgewinne trotz Verschärfung des Handelsstreits

Nasdaq mit neuem Rekord, Deutschland hält neunten Platz im Welt-Innovationsranking, Italienkrise geht weiter, May will weichen Brexit.

Getty Images

Die Spirale dreht sich. Vergangene Woche zahlte China die von den USA eingeführten Zölle auf chinesische Importe in Höhe von 34 Milliarden Dollar prompt mit gleicher Münze zurück. Jetzt stellt US-Präsident Donald Trump Anti-China-Tarife in der Größenordnung von 200 Milliarden Dollar in den Raum. Pekings Antwort dürfte adäquat ausfallen, falls der US-Präsident den Plan durchzieht. Die Wildwest-Attitüde, mit der Trump auch beim NATO-Gipfel in Brüssel auftrat, verfehlte ihre Wirkung an den Märkten nicht. Trotz der Zolldrohungen behaupten sich die Börsen; der DAX konnte die Woche mit einem kleinen Plus beenden. Rüstungsaktien sprangen nach dem NATO-Gipfel sogar richtig stark an. Die Politik wird in der nächsten Woche wieder von Zahlen verdrängt: Die US-Bilanzsaison startet. Die ersten US-Banken haben ihre Ergebnisse für das zweite Quartal vorgelegt. Auch die Bilanzen, die in der kommenden Woche vorgelegt werden, dürften recht erfreulich ausfallen. Kein Wunder, dass die US-Aktienmärkte am Freitag nochmals moderat zugelegt haben. Der Dow Jones Industrial schloss 0,4 Prozent höher bei 25.019 Punkten und schaffte es damit erstmals seit Mitte Juni wieder über die viel beachtete, runde 25.000er-Marke. Auf Wochensicht verbuchte der New Yorker Leitindex damit ein klares Plus von 2,3 Prozent.

Für den technologielastigen Auswahlindex NASDAQ 100 ging es nach einer erneuten Bestmarke bei 7.388 Punkten letztlich um gut 0,1 Prozent auf 7.376 Punkte nach oben. Ihm halfen die Rekordstände einiger Schwergewichte wie der Google-Mutter Alphabet, des Internethändlers Amazon, des Softwareriesen Microsoft und des Online-Netzwerks Facebook.

Im Fokus standen aber jene Banken, die Ihre Zahlen vorlegten. Obwohl JPMorgan seine Gewinne und Erträge im zweiten Quartal überraschend stark gesteigert hatte, sanken die Aktien um knapp 0,5 Prozent. Offensichtlich goutierten die Anleger die Einschätzung von Unternehmenschef Jamie Dimon nicht, dass die Geschäfte in der zweiten Jahreshälfte unter dem zunehmenden Handelskonflikt leiden könnten.

Die US-Regierung gibt derweil ihren Widerstand gegen die Übernahme des Medienkonzerns Time Warner durch den Telekomriesen AT&T nicht auf. Nachdem eine Kartellrechtsklage gescheitert und die Transaktion vollzogen worden war, kündigte das Justizministerium nun Berufung gegen das Urteil an. Die Aktien von AT&T gingen 1,7 Prozent schwächer aus dem Handel.

Es gibt nicht viele aktuelle Ranglisten für Staaten, aus denen man eine Menge für deren Zukunft ablesen kann. Eine dieser Ausnahmen ist der jährliche Global-Innovation-Index-Bericht (GII), der vergangenen Dienstag von der Universität Cornell und der World Intellectual Property Organization (WIPO) veröffentlicht wurde. Wer hier heute gut abschneidet, kann zuversichtlich in die Zukunft schauen. Bewertet werden bei der Untersuchung 126 Volkswirtschaften anhand von 80 Faktoren, die von geistigem Eigentum über Forschungs- und Bildungsausgaben, bis hin zu technischen Veröffentlichungen reichen. Zum achten Mal in Folge auf Platz 1 der innovativsten Länder befindet sich die Schweiz, vor den Niederlanden und Schweden. Ein Aufsteiger ist China, das sich mit dem 17. Rang erstmals unter die Top 20 schieben konnte. Deutschland kommt wie schon im Vorjahr auf den 9. Platz, was dann doch Hoffnung macht, dass auch in Zukunft eine Reihe von Unternehmen „made in Germany“ an der Weltspitze stehen werden.

So schnell die Krise um Italien aufloderte, so schnell rückte sie durch neue Handelsstreit-Turbulenzen wieder in den Hintergrund. Sieht man sich aber die Entwicklung der italienischen Staatsanleihen an, gibt es noch keinen Grund zur Entwarnung. So sind die Renditen im Mai aufgrund größerer politischer Risiken in die Höhe geschossen, die anschließende Gegenbewegung hielt sich aber in engen Grenzen. „Insbesondere die Entkoppelung des Rests der Peripherie von der Entwicklung italienischer Staatsanleihen zeigt, dass der Markt zwar weiterhin in Sorge um Italien ist, aber zumindest die akute Gefahr für Ansteckungsrisiken für die gesamte Eurozone inzwischen etwas niedriger eingeschätzt wird“, so die DZ Bank. Und so könnte zumindest die anstehende politische Sommerpause für eine zwischenzeitliche Beruhigung der Lage sorgen. Die Risiken dürften aber laut DZ Bank vor allem in Richtung September wieder zunehmen, wenn die Haushaltsverhandlungen für 2019 anstehen und die geplanten Mehrausgaben konkret präsentiert werden. Setzen Fünf-Sterne-Bewegung und Lega ihre Pläne, die auch eine teure Steuerreform einschließen, um, so drohen erneut Rückschläge.

Mit Brexit-Minister David Davis und Außenminister Boris Johnson haben sich zwei Ausstiegs-Hardliner aus dem Kabinett von Theresa May verabschiedet. War die Intention der Brexiteers nun, die Premierministerin zu stürzen und einen harten Brexit durchzusetzen? Oder ist Mays Position gestärkt, sodass sie ihre weichen Brexit-Pläne umsetzen kann? Die verhaltene Reaktion der Aktien-, Anleihe- und Devisenmärkte zeigt, dass alle Möglichkeiten noch im Spiel sind. „Neben dem nun anscheinend eingeschlagenen friedlichen Kompromissweg mit der EU besteht auch immer noch die nicht zu unterschätzende Möglichkeit, dass es zu Neuwahlen oder einem erneuten Referendum in den nächsten Monaten kommen kann“, so Sebastian Klein, Vorstandschef der Fürstlich Castell’schen Bank. „Wir schätzen die Chancen eines Defacto-Exits vom Brexit auf rund 50 Prozent ein.“ ​


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