Tichys Einblick
Der Marktausblick

Inflation verschärft sich – Amazon und Tesla im Sturm

Mit deutlichen Verlusten haben die US-Aktienmärkte am Freitag eine schwache Woche abgeschlossen. Insbesondere enttäuschende Quartalsberichte einiger Technologiekonzerne trübten die in den Vortagen wieder aufgehellte Stimmung.

IMAGO / STPP

Der Dow Jones bröckelte im Handelsverlauf stetig ab und knickte im Schlussgeschäft geradezu ein. Letztlich stand ein Rückgang von 2,8 Prozent auf 32.977 Punkte zu Buche – der tiefste Stand seit Mitte März. Für den Monat April steht ein Minus von rund 5 Prozent in den Büchern. Der marktbreite S&P 500 verlor am Freitag sogar 3,6 Prozent auf 4.132 Zähler. Der NASDAQ 100 fiel um 4,5 Prozent auf 12.855 Punkte auf das niedrigste Niveau seit mehr als einem Jahr. Im April ist der technologielastige Index damit um mehr als 13 Prozent abgesackt, die schlechteste monatliche Performance seit der Finanzkrise im Jahr 2008.

Dabei gaben zumindest die am Freitag bekanntgewordenen US-Konjunkturdaten keinen Anlass zum Pessimismus. Das von der Universität Michigan erhobene Konsumklima stieg zum Vormonat um 5,8 Punkte auf 65,2 Zähler. Die Ausgaben der US-Verbraucher legten im März deutlich zu, und der Arbeitskostenindex kletterte im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal nur um 1,4 Prozent nach oben.

Dass die Schwerkraft auch für die Techriesen gilt, zeigte ein enttäuschender Quartalsbericht von Amazon. Er sorgte für einen Kursverfall von mehr als 14 Prozent. Hohe Kosten ließen den Betriebsgewinn des Online-Handelskonzerns um 58 Prozent einbrechen. Auch der Ausblick auf das laufende Quartal galt als Belastung. Analysten senkten reihenweise ihre Kursziele, viele von ihnen wollten die Nachrichten in Erwartung eines besseren zweiten Halbjahres aber auch nicht überbewerten.

Bei Apple und Intel gab es Kursverluste von 3,7 beziehungsweise 6,9 Prozent wegen enttäuschender Perspektiven. Der iPhone-Hersteller übertraf zwar mit seinem Quartalsbericht die Erwartungen, warnte aber vor aufkommendem Gegenwind. Apple könnte vor allem wegen Lockdowns in Shanghai bis zu acht Milliarden Dollar weniger Umsatz im laufenden Quartal machen, hieß es. Beim Prozessorhersteller Intel gilt als Belastung, dass der Umsatz zusammen mit dem schrumpfenden PC-Markt sinkt.

Auch außerhalb des Tech-Sektors gab es am Freitag nach Quartalsberichten vermehrt negative Kursreaktionen. Die Aktien des Ölkonzerns Chevron wurden trotz anziehender Ölpreise 3,2 Prozent tiefer gehandelt. Bei ExxonMobile stand ein Minus von 2,2 Prozent zu Buche. Bei Colgate-Palmolive gab es einen Kursabschlag von gut fünf Prozent. Hohe Rohstoff- und Transportkosten hatten dem Konsumgüterhersteller im ersten Quartal schwer zu schaffen gemacht. Die im Dow notierten Honeywell-Aktien waren mit einem Anstieg um 1,9 Prozent eine positive Ausnahme nach einem erhöhten Umsatz- und Gewinnausblick.

Die Aktien von Tesla verloren am Freitag nur noch 0,8 Prozent. Gründer Elon Musk hatte zuvor mitgeteilt, dass er keine weiteren Verkäufe plane. Musk hatte sich in der abgelaufenen Woche von Tesla-Aktien im Wert von 8,4 Milliarden US-Dollar getrennt. Musk hatte jüngst angekündigt, den Kurznachrichtendienst übernehmen zu wollen, und versucht durch Aktienverkäufe, den Barmittelanteil der Finanzierung bereitzustellen. Am Dienstag hatten Tesla-Aktien daraufhin um mehr als zwölf Prozent. Dies ist der größte Einbruch seit September 2020. Allzu viele Tage wie diese, kann sich Musk indes nicht leisten. Denn um die Twitter-Übernahme zu finanzieren, stimmte der 50-jährige Musk einer Bankfinanzierung in Höhe von 13 Milliarden Dollar zu, die von Twitter selbst gedeckt wird. 12,5 Milliarden Dollar sind durch einen Teil seiner Tesla-Beteiligung gesichert, und weitere 21 Milliarden Dollar in Form von Barmitteln. Auf der Grundlage des Schlusskurses von Tesla am Montag hätte er seinen Margin-Kredit mit den verbliebenen Aktien problemlos abdecken können, nach dem Kurssturz ist der Spielraum geschrumpft. Sollte die Aktie unter 740 Dollar fallen, was zuletzt am 24. Februar für einen kurzen Moment der Fall war, hätte Musk nach Berechnungen von Bloomberg nicht mehr genug Aktien, um die vollen 12,5 Milliarden Dollar zu decken.

Der Dax hatte sich zuvor erholt gezeigt. Zwar bremsten ihn am Nachmittag einmal mehr die schwachen US-Börsen etwas aus. Zum Handelsende behauptete der deutsche Leitindex aber ein Plus von 0,8 Prozent auf 14.098 Punkten. Nachbörslich ging er aber noch einmal ziemlich in die Knie. Auf Wochensicht verbuchte das Börsenbarometer zum offiziellen Börsenschluss ein knappes Minus von 0,3 Prozent, der Verlust für den Monat April fiel mit 2,2 Prozent deutlicher aus. Der MDAX der mittelgroßen Unternehmen legte am Freitag um 0,05 Prozent auf 30.093 Punkte zu.

Henkel erschreckte die Anleger mit einer Gewinnwarnung. Die Aktien des Konsumgüterherstellers büßten als einer der größten Dax-Verlierer fast drei Prozent ein, zeitweise waren sie auf den tiefsten Stand seit fast zehn Jahren abgesackt. Wegen höherer Rohstoff- und Logistikkosten und den Folgen des Krieges in der Ukraine droht das Ergebnis je Aktie in diesem Jahr um bis zu 35 Prozent einzubrechen. Für Aufsehen sorgte auch eine neuerliche Hausdurchsuchung bei der Deutschen Bank. Dem Geldhaus zufolge handelt es sich um eine Ermittlungsmaßnahme „im Zusammenhang mit Geldwäscheverdachtsmeldungen, die die Bank abgegeben hat“. Die Aktien verabschiedeten sich gleichwohl kaum verändert ins Wochenende.

Sorgen macht den Anlegern weiterhin die Inflation. Ein durchschnittlicher Warenkorb kostete in der Euro-Zone im April 7,5 Prozent mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. Das teilte die Statistikbehörde Eurostat am Freitag mit. Der Hauptgrund für die außergewöhnlich starke Inflation sind weiterhin die auch wegen des Krieges in der Ukraine stark gestiegenen Energiepreise. Gleichzeitig zeigt sich, dass die sogenannte Kerninflation ebenfalls deutlich über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent liegt. Im März lag dieser Wert bei 2,9 Prozent.

Bereits fünf Länder der Euro-Zone weisen für April eine zweistellige Inflation aus. Estland kommt auf 19 Prozent, Litauen auf 16,6 Prozent, Lettland 13,2 Prozent, die Niederlande 11,2 Prozent und die Slowakei 10,9 Prozent. Von den drei größten Ländern liegt Deutschland (7,8 Prozent) über dem Durchschnitt der Euro-Zone, Frankreich (5,4 Prozent) und Italien (6,6 Prozent) befinden sich dagegen darunter.
Gleichzeitig ist die Wirtschaft nicht mehr so recht vom Fleck gekommen. Das saisonbereinigte Bruttoinlandprodukt (BIP) wuchs demnach im ersten Quartal im Vergleich mit dem letzten Quartal 2021 um gerade einmal 0,2 Prozent. Deutschland weist nach einem Rückgang von 0,3 Prozent im letzten Quartal des Jahres 2021 nun ein Plus von 0,2 Prozent aus und vermeidet damit knapp den Fall in eine Rezession. Von einer solchen spricht man nach zwei Quartalen mit rückläufigem BIP. Gemäß den von Eurostat veröffentlichten Daten schnitt Österreich mit einem Plus von 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal am besten ab. Den letzten Platz belegt Schweden mit -0,4 Prozent.

Die negative Konjunktur bereitet den Währungshütern der EZB sichtlich Kopfzerbrechen. Soll sie ihre extrem expansive Geldpolitik beibehalten, um das Wachstum anzukurbeln, obwohl damit die Inflation aus dem Ruder zu laufen droht? Oder soll sie sich doch lieber gemäß ihrem Mandat energisch für Preisstabilität einsetzen und die Leitzinsen kräftig erhöhen, damit aber auch ein Abgleiten der Wirtschaft in eine Rezession riskieren? Dieses Dilemma addiert sich zu der Herausforderung, dass sich EU-Staaten wie Italien und Frankreich schon vor der Politik der offenen Kassen im Kampf gegen Corona sehr hoch verschuldet hatten und Zinserhöhungen ihren öffentlichen Haushalt stark belasten würden.

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