Tichys Einblick
Der Marktausblick

Fed nimmt Inflation ernst, die Börse nicht

Das müsste Börsianer eigentlich erschrecken. Aus dem in dieser Woche veröffentlichten Fed-Sitzungsprotokoll vom März geht hervor, dass an den nächsten Sitzungen Zinserhöhungen um 0,5 Prozentpunkte vorgesehen sind. Die Notenbank hat zudem eine zügige Rückführung der Bilanzsumme signalisiert.

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Die Notenbank will monatlich Anleihen im Wert von bis zu 95 Milliarden Dollar auslaufen lassen, ohne neue nachzukaufen. Das Tempo der Verringerung ist damit deutlich höher als in der letzten Straffungsphase in den Jahren 2017 bis 2019.

Die Börsen reagieren auf die anziehende Inflation und mit ihr verbundene Stagflationsängste bislang allerdings relativ unbeeindruckt. Auch das Kriegsgeschehen in der Ukraine, das sich mittlerweile in der siebten Woche befindet, lässt die Marktteilnehmer weitgehend kalt. Der S&P 500 notiert rund fünf Prozent unter seinem Jahresanfangswert Wert – beim Euro-Stoxx-50 und beim DAX sind immerhin gut zehn Prozent, doch auch das scheint vielen Beobachtern angesichts der Rahmenbedingungen erstaunlich wenig.

Offensichtlich nähren die Börsianer ihren Optimismus aus den vergangenen Jahren, als sich rückblickend jeder Rückschlag als Einstiegschance entpuppte. Die schweizerische Bank Credit Suisse stößt in dieses Horn und rät trotz steigender Inflationsraten zu Aktien. „Die Weltwirtschaft sollte in den kommenden Monaten weiter wachsen“, lautete die Begründung. Zudem seien Anleger bislang „vorsichtig positioniert“, was zumindest auf kurze Sicht Aufwärtspotenzial mit sich bringe.

Allmählich melden sich aber auch die Schwarzseher zu Wort. „Die Bärenmarktrally ist vorbei“, schrieb beispielsweise Michael Wilson, Chefstratege für US-Aktien bei Morgan Stanley in einer Notiz. Die Investmentbank sei „auf kurze Sicht konstruktiver für Anleihen“. Bereits in der vergangenen Woche mahnte insbesondere die Bank Of America, dass sich Anlegerinnen und Anleger sich nicht zu früh freuen sollten. Die Bank warnte davor, auf weiter steigende Kurse zu spekulieren. Sie machten dabei klare Warnzeichen aus in einem Markt, der „trotz deutlich schwächerer Fundamentaldaten“ gestiegen sei. Hinzu komme eine Federal Reserve, die gewillt sei, die Zinsen in diesem Jahr stark anzuheben, um die anhaltende Inflation zu bekämpfen, führten die Analysten aus. Starke Erholungen seien typisch für die Volatilität in Bärenmärkten.

Am Freitag legte der US-Leitindex Dow Jones Industrial um 0,4 Prozent auf 34.721 Punkte zu. Auf Wochensicht ergibt dies ein Minus von 0,3 Prozent. Für den S&P 500 ging es um 0,3 Prozent auf 4.488 Punkte nach unten. Der technologielastige NASDAQ 100 fiel dagegen um 1,4 Prozent auf 14.327 Punkte. Sein Wochenminus beläuft sich auf 3,6 Prozent.

An der Dow-Spitze zogen Home Depot um 2,8 Prozent an. Der Finanzchef der Baumarktkette habe sich auf einer Analystenkonferenz positiv geäußert, sagten Börsianer. Demnach erlaubten es die zwischen 2018 und 2020 getätigten Investitionen, den Marktanteil des Unternehmens stärker zu erhöhen als ursprünglich erwartet. Bankaktien profitierten von der Aussicht auf steigende Zinsen. So stiegen Goldman Sachs und JPMorgan um jeweils rund zwei Prozent. Höhere Zinsen würden die Ertragskraft der Kreditinstitute stärken. Goldman Sachs und einige andere Banken werden kommende Woche Donnerstag Geschäftszahlen präsentieren.

Mit einem freundlichen Verlauf blieb der Dax am Freitag seinem jüngsten Zickzack-Kurs treu. Marktbeobachter verwiesen als Stütze unter anderem auf die Entspannung bei den Ölpreisen. Zum Handelsschluss belief sich das Plus beim Stand von 14.284 Punkten auf 1,5 Prozent, was auf Wochensicht aber dennoch ein Minus von 1,1 Prozent bedeutete. Der MDAX stieg um 1,4 Prozent auf 30.831 Zähler.

In einem vom Zinsauftrieb geprägten Marktumfeld waren Aktien von Finanzinstituten vor dem Wochenende europaweit gefragt. Hierzulande legte die Deutschen Bank um 3,9 Prozent zu, Indie Commerzbank gewann 2,8 Prozent. Übernahmespekulationen katapultierten Scout24 um 13,7 Prozent nach oben. Der „Dealreporter“ berichtete unter Berufung auf Investorenkreise, dass Hellman & Friedman, EQT und Permira ein Gebot für den Online-Immobilienmarktplatz erwögen. Auch Cinven und CVC seien interessiert. CTS Eventim zogen um 7,5 Prozent an und profitierten von einer Hochstufung auf „Buy“. Der Tickethändler und Veranstalter gehe nach der Pandemie auf „Comeback Tour“, schrieb Berenberg-Analyst Gerhard Orgonas. Eine „Overweight“-Empfehlung von JPMorgan verhalf zudem den Papieren von K+S zu einem Plus von 9,5 Prozent, womit sich der Kurs seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt hat. Analyst Chetan Udeshi sieht dennoch weiter viel Potenzial für die Anteile des Düngemittel-Herstellers.

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