Tichys Einblick
Krise der Gastronomie

Wenn der letzte Wirt die Tür zumacht

Die Wirte kämpfen ums Überleben. Um mit den hohen Kosten in der Gastronomie klar zu kommen, setzen sie verstärkt auf schlecht bezahltes Personal. So kann es nicht weitergehen, warnt die Gewerkschaft NGG.

Symbolbild

IMAGO / Müller-Stauffenberg

Die Wünsche der Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) wirken bescheiden: 3.000 Euro Lohn fordert die Gewerkschaft für Köche und andere Fachkräfte, wenn die nach einer Ausbildung in der Gastronomie fest angestellt werden. 3.000 Euro für Menschen, die Fachwissen angesammelt haben, hart arbeiten, wenn andere frei haben, und das oft länger als acht Stunden. Zum Vergleich: Mehr als 3.000 Euro bekommen „wissenschaftliche Mitarbeiter“ im Bundestag bereits, wenn sie drei Plakate aufgehängt und den Namen des Spitzenkandidaten annähernd richtig buchstabiert haben.

Und obwohl die Forderung nach 3.000 Euro Einstiegsgehalt für Fachkräfte bescheiden klingt, sagt der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler: „Wir werden das etwa in Mecklenburg-Vorpommern nicht von heute auf morgen umsetzen.“ Im sozialdemokratisch regierten Land an der Ostsee zahlen Gastronomie-Betriebe am schlechtesten im Ländervergleich. Köche und Kellner verdienen zwischen Wismar und Greifswald 2.076 Euro im Monat. Brutto. Nicht als Einstiegsgehalt. Sondern als Durchschnittsgehalt. Würden sie ins Bürgergeld gehen, hätten die Mitarbeiter ab dem Jahreswechsel ihre Wohnung frei – und 563 Euro im Monat. Netto.

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Das sozialdemokratisch regierte Mecklenburg-Vorpommern ist zwar der Ausreißer nach unten. Aber auch in den anderen Ländern geht es Köchen und Kellnern nicht viel besser. In Bayern verdienen sie 2.622 Euro brutto. So viel wie in keinem anderen Bundesland. In Berlin sind es 2.410 Euro, in Hamburg 2.325 Euro. Angesichts der dortigen Mieten ist die alternative Kombination aus gratis Wohnung und 563 Euro Bürgergeld im Monat durchaus verlockend.

Entsprechend warnt die NGG auch die Gastronomen: „Wir brauchen einen Neustart“, wie Zeitler sagt. Denn laut einer Umfrage der Gewerkschaft planen 34 Prozent der Angestellten, die Branche zu wechseln. Weitere 29 Prozent sind sich nicht sicher, ob sie im Job bleiben. 80 Prozent derer, die wechseln wollen, sagen, es liege an den zu niedrigen Löhnen. 70 Prozent fehlt die Wertschätzung ihres Arbeitgebers. Je 57 Prozent klagen über die hohe psychische Belastung und über die schwierigen Arbeitszeiten in der Gastronomie.

Die NGG hat bei dem Unternehmen „wmp consult“ eine Studie in Auftrag gegeben. Die hat ergeben, dass die Bezahlung in der Gastronomie als Folge der Pandemie-Politik immer schlechter wird. Demnach ist in der Pandemie die Zahl der Beschäftigten von knapp 2,3 Millionen auf zwischenzeitlich 1,8 Millionen gesunken. Im vergangenen Jahr lag sie wieder bei rund 2 Millionen und für dieses Jahr rechnet Wmp Consult damit, dass die Gastronomie wieder etwas mehr als die alte Belegschaftsstärke erreicht.

Aber deutlich schlechter bezahlt: „Minijobs machen den größten Anteil am Jobzuwachs aus“, sagt Katrin Schmid, die für Wmp Consult die Studie vorgestellt hat. Demnach haben im vergangenen Jahr 1,06 Millionen Sozialversicherungspflichtige in der Gastronomie gearbeitet und 965.000 „geringfügig entlohnte Beschäftigte“. Für dieses Jahr rechnet Wmp Consult damit, dass die Niedriglöhner die Hälfte der Beschäftigten ausmachen. Die Zahlen können erst am Ende des Jahres ausgewertet werden.

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Die Gastronomie ist laut den Zahlen von Wmp Consult ohnehin ein Hort für prekär Beschäftigte. Demnach arbeiteten im vergangenen Jahr 113.000 „Aufstocker“ in der Gastronomie. Also Bürger, die zusätzlich zum Lohn staatliche Transfergelder erhalten. Mehr als fünf Prozent der insgesamt Beschäftigten. Eine andere Zahl: 63 Prozent der Beschäftigten in der Gastronomie arbeiten laut Statistischem Bundesamt im Niedriglohnbereich. So viele wie in keiner anderen Branche. In der Landwirtschaft sind es 56 Prozent, in der Kunst und Unterhaltung 43 Prozent und in der öffentlichen Verwaltung 3 Prozent – so wenig wie in keiner anderen Branche.

Ist die Gastronomie eine Branche der Ausbeuter? Muss der Staat den Ausgebeuteten zur Hilfe kommen und höhere Löhne durchsetzen? Von der Erhöhung des Mindestlohns hat immerhin die Hälfte der Beschäftigten profitiert, sagt Schmid. Bei den Minijobbern seien es sogar 80 Prozent der Beschäftigten gewesen, die so zu mehr Geld gekommen seien.

Nun: Ganz so einfach ist es nicht. Gewerkschaftsboss Zeitler sagt, schon jetzt setze die Branche weniger Geld um, als möglich wäre: Die Wirte hätten ihre Speisekarten eingedampft oder hätten Ruhetage eingeführt, die es vorher nicht gab. Die Hotels würden nicht mehr jedes Zimmer vermieten. Einfach, weil es an Personal zur Bewirtschaftung fehle. Die Branche müsse besser zahlen, um diesen Umsatz wieder generieren zu können.

Der Gewerkschaftsboss sagt aber auch: „Die Situation in den Betrieben ist in Folge der Inflation inzwischen angespannt.“ Direkt nach der Pandemie hätten die Gäste noch einen „Corona-Blues“ aufgeholt und als Nachholeffekt Geld in die Lokale und Hotels getragen. Doch mittlerweile sei die Kundschaft „preissensibel“ geworden. Auch fließe ein immer höherer Anteil des Umsatzes in steigende Pachten. Was Zeitler das Fazit ziehen lässt: „Nicht jeden Akteur, der heute da ist, wird es morgen noch geben.“ Sprich: Angesichts steigender Kosten und sinkender Einnahmen machen immer mehr Wirte die Tür zu.

Die Aussage Zeitlers zur Lage der Arbeitgeber ist eine bemerkenswerte Aussage für einen Gewerkschaftsführer. Die reden ihre Branche für gewöhnlich stark. Denn nur mit der Behauptung, dass es den Arbeitgebern gut geht, lassen sich höhere Löhne rechtfertigen und einfordern. Und das ist schließlich das Kerngeschäft einer Gewerkschaft. Räumt ein Gewerkschaftsführer Probleme in der Branche ein, macht er sich selbst das Leben schwerer – was im Umkehrschluss seine Aussage umso glaubwürdiger macht.

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104,2 Milliarden Euro hat die Gastronomie im Jahr 2019 laut Statistischem Bundesamt umgesetzt. Als Folge der Corona-Politik ging der Umsatz in den Corona-Jahren 2020 und 2021 auf jeweils weniger als 65 Milliarden Euro im Jahr zurück. Auch 2022 hatte sich die Branche mit 98,4 Milliarden Euro Umsatz noch nicht richtig erholt.

Wobei die 104,2 Milliarden Euro von 2019 sich kaum mit den 98,4 Milliarden Euro von 2022 vergleichen lassen. Denn zwischen diesen beiden Zahlen liegen nicht nur drei Jahre und eine Corona-Politik – sondern auch eine von der EZB gemachte und vom Ukraine-Krieg und seinen Sanktionen verstärkte Inflation, die zwischenzeitlich zweistellige Werte erreichte. Von den 98,4 Milliarden Euro bleiben den Wirten und Hoteliers durch gestiegene Preise deutlich weniger übrig als von den 104,2 Milliarden Euro im Jahr 2019.

Vor diesem Hintergrund greift die Ampel in die Gastronomie ein: Sie erhöht zum Jahreswechsel die Mehrwertsteuer für die Branche wieder von sieben auf 19 Prozent. Das zusätzliche Geld der rund 160.000 Betriebe ist schon für die nächsten Umverteilungsprogramme der Ampel verplant. Dass es von diesen 160.000 Betrieben dann bald 16.000, 32.000 oder noch mehr Betriebe nicht mehr geben könnte, kommt als Option in der Welt der Klimaplanwirtschaftler nicht vor. Ebenso wenig, welche Folgekosten das dann für die Gesellschaft mit sich brächte.

In der Welt von Robert Habeck (Grüne) verdienen die Deutschen im Jahr 200.000 Euro, wie der „Wirtschaftsminister“ jüngst bei Maischberger durchscheinen ließ. In der Welt von Ricarda Lang (Grüne) bekommen Studienabbrecher im Bundestag als erstes Gehalt 10.000 Euro. Da kann das Schnitzel dann gerne 45 Euro kosten oder die Pizza über 20 Euro. Zumal die Abgeordneten sich das über die steuerfreie Pauschale von 5.000 Euro im Monat zurückholen können. Die nehmen die Abgeordneten dem Steuerzahler ab, damit sie gar nicht erst in dessen Nöte kommen. So regiert es sich weltferner und mit leichterem Gewissen.

Die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer hält Zeitler für „zum jetzigen Zeitpunkt falsch“. Vor dem Hintergrund der Inflation solle die Bundesregierung sie noch ein Jahr aussetzen. Klingt ebenfalls bescheiden. Ist aber für die NGG schon viel. Sie gehört der rot-grünen Vorfeld-Organisation DGB an und aus diesem Umfeld kommt Kritik an der Ampel meist nur in geringen Dosen.

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